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Wie kann die Bodenrente unschädlich gemacht werden?
Quelle: GA 340, S. 083-085, 5. Ausgabe 1979, 29.07.1922, Dornach
Wir haben ja gestern uns den Kreislauf vor die Seele geführt (siehe Zeichnung 3): Natur - Arbeit - Kapital, das also vom Geiste verwertet wird. Ich könnte hier statt Kapital ebensogut herschreiben Geist. Und wir haben zunächst den volkswirtschaftlichen Prozeß in dieser Richtung - gegen den Uhrzeiger - verfolgt und gefunden, daß hier, bei der Natur, keine Stauung stattfinden darf, sondern daß eigentlich da nur durchkommen darf, was als eine Art Samen die Möglichkeit hat, den volkswirtschaftlichen Prozeß fortzusetzen, so daß also nicht durch eine Fixierung des Kapitals in der Bodenrente eine volkswirtschaftliche Stauung entsteht. Nun sagte ich Ihnen ja, daß im Grunde genommen der Ertrag von Grund und Boden beim Verkauf, also die Bewertung von Grund und Boden, widerspricht im volkswirtschaftlichen Prozeß den Interessen, die man hat bei der Herstellung von wertvollen Gütern.
Derjenige, der mit Hilfe von Kapital wertvolle Güter herstellen will, hat ein Interesse daran, daß der Zinsfuß niedrig ist; denn er braucht dann weniger Zins zurückzuzahlen und kann sich dadurch leichter bewegen mit dem, was er als Leihkapital bekommt. Derjenige aber, der Besitzer etwa ist - ich darf diese Dinge, weil sie innerhalb unserer Volkswirtschaft Bedeutung haben, durchaus besprechen -, derjenige, der ein Interesse daran hat, den Grund und Boden teurer zu machen, der macht ihn gerade dadurch teurer, daß der Zinsfuß ein niedriger ist. Hat er niedrigen Zins zu bezahlen, so wächst der Wert seines Grundes und Bodens, der wird immer teurer; während derjenige, der einen niedrigen Zinsfuß zu bezahlen hat, bei der Herstellung von wertvollen Waren die Waren billiger herstellen kann. Also Waren, bei denen es ankommt auf den Prozeß der Herstellung, werden bei niedrigem Zinsfuß billig: Grund und Boden, der einen Ertrag liefert, ohne daß man ihn erst herstellt, der wird teurer bei niedrigerem Zinsfuß. Sie können sich das einfach ausrechnen. Es ist das eine volkswirtschaftliche Tatsache.
Nun handelt es sich darum, daß also dann eigentlich die Notwendigkeit vorliegen würde, den Zinsfuß in zweifachem Sinn zu gestalten: man müßte also einen möglichst niedrigen Zinsfuß für das Installieren der Arbeit, des Erzeugens der wertvollen Warengüter haben, und man müßte einen möglichst hohen Zinsfuß haben für dasjenige, was Grund und Boden ist. Das folgt ja unmittelbar daraus. Man müßte einen möglichst hohen Zinsfuß haben für das, was Grund und Boden ist. Das ist etwas, was so ohne weiteres praktisch nicht leicht durchführbar ist.
Abbildung A.1.: Zeichnung 3
Ein etwas höherer Zinsfuß, der auch schon praktisch durchführbar wäre für Leihkapital, das auf Grund und Boden gegeben wird, würde nicht außerordentlich viel helfen, und ein wesentlich höherer Zinsfuß - ich will zum Beispiel sagen, der Zinsfuß, der einfach als Zinsfuß Grund und Boden immer auf einem gleichen Wert hielte, der Zinsfuß von hundert Prozent -, der würde auch praktisch außerordentlich schwierig so ohne weiteres durchführbar sein. Hundert Prozent für Beleihung von Grund und Boden würde ja sofort die Sache verbessern; aber es ist eben, wie gesagt, praktisch nicht durchführbar. Aber bei solchen Dingen handelt es sich darum, daß man klar und deutlich hineinschaut in den volkswirtschaftlichen Prozeß; und da merkt man dann, daß schon das Assoziationswesen dasjenige ist, was allein den volkswirtschaftlichen Prozeß gesund machen kann, weil nämlich der volkswirtschaftliche Prozeß, in der richtigen Weise angeschaut, dennoch dahin führt, daß man ihn auch in der richtigen Weise dirigieren kann.
Wir müssen ja reden im volkswirtschaftlichen Prozeß von Produktion und Konsum, wie ich schon gestern angedeutet habe. Wir müssen also sehen das Produzieren und das Konsumieren. Nun, das ist ja ein Gegensatz, der insbesondere in den neueren, vielfach geführten Diskussionen auf volkswirtschaftlichem Gebiet, die dann auch in die Agitation hineingegangen sind, eine große Rolle gespielt hat. Man hat namentlich über die Frage viel disputiert, ob die geistige Arbeit - einfach die geistige Arbeit als solche -, ob diese überhaupt auf wirtschaftlichem Gebiet werterzeugend sei.
Der geistige Arbeiter ist ja sicher ein Konsument. Ob er auch in dem Sinne, wie man es schon auf volkswirtschaftlichein Gebiet ansehen muß, ein Produzent ist, darüber ist ja viel diskutiert worden; und die extremsten Marxisten zum Beispiel haben ja immer und immer wiederum den unglückseligen indischen Buchhalter angeführt, der für seine Gemeinde die Bücher zu führen hat, der also nicht die Âcker besorgt oder eine andere produktive Arbeit verrichtet, sondern diese produktive Arbeit nur registriert, und sie sprechen diesem nun die Fähigkeit ab, irgend etwas zu produzieren. So daß sie konstatieren, daß er lediglich unterhalten wird aus dem Mehrwert, den die Produzenten erarbeiten. So daß wir diesen Prachtbuchhalter haben, wie er immer angeführt wird, wie wir ja auch den Cajus haben in der formalen Logik in den Gymnasien, der die Sterblichkeit der Menschen immer beweisen soll. Sie wissen ja: Alle Menschen sind sterblich, Cajus ist ein Mensch, also ist Cajus sterblich! - Dieser Cajus ist dadurch, daß er immerfort die Sterblichkeit des Menschen beweisen mußte, eine unsterbliche logische Persönlichkeit geworden. So ist es mit dem indischen Buchhalter, der nur vom Mehrwert der Produzenten erhalten wird; so ist es mit ihm in der marxistischen Literatur, wo man ihn sozusagen in Reinkultur findet.
Nun, diese Frage, die ist außerordentlich, ich möchte sagen, voll von allerlei solchen Schlingen, in denen man sich verfängt, wenn man sie volkswirtschaftlich durchführen will, diese Frage: Inwiefern ist - oder ist überhaupt - das geistige Arbeiten, die geistige Arbeit wirtschaftlich produktiv? - Sehen Sie, da kommt es eben sehr stark darauf an, daß man unterscheidet zwischen der Vergangenheit und der Zukunft. Wenn Sie nämlich bloß die Vergangenheit ins Auge fassen und bloß auf die Vergangenheit statistisch reflektieren, dann werden Sie beweisen können, daß die geistige Arbeit mit Bezug auf die Vergangenheit und alles dasjenige, was nur eine unmittelbare Fortsetzung der Vergangenheit ist, daß die geistige Arbeit dafür eigentlich unproduktiv ist. Von der Vergangenheit in die Zukunft ist an Materiellem nur die rein materielle Arbeit auch im volkswirtschaftlichen Prozeß produktiv zu denken mit ihrer Fortsetzung. Ganz anders ist es, wenn Sie die Zukunft ins Auge fassen - und Wirtschaften heißt eben, aus der Vergangenheit in die Zukunft hineinarbeiten. Da brauchen Sie ja nur an das einfache Beispiel zu denken: Sagen wir, irgendein Handwerker verfertigt irgend etwas in einem Dorf und er wird krank. Er wird, sagen wir, unter gewissen Verhältnissen, wenn er an einen ungeschickten Arzt kommt, drei Wochen im Bett liegen müssen und seine Dinge nicht verfertigen können. Da wird er den volkswirtschaftlichen Prozeß sehr wesentlich stören; denn es werden durch drei Wochen hindurch, wenn der Betreffende, sagen wir, Schuhe verfertigt hat, die Schuhe nicht auf den Markt gebracht werden - Markt im weitesten Sinne verstanden. Nehmen wir aber an, er kommt an einen sehr geschickten Arzt, der ihn in acht Tagen gesund macht, so daß er nach acht Tagen wieder arbeiten kann, dann können Sie die Frage in ernsthaftem Sinn entscheiden: Wer hat denn dann durch diese vierzehn Tage hindurch die Schuhe fabriziert? Der Schuhmacher oder der Arzt? Eigentlich hat der Arzt die Schuhe fabriziert. Und es ist ganz klar: Sobald Sie von irgendeinem Punkt an die Zukunft ins Auge fassen, können Sie nicht mehr sagen, daß das Geistige in die Zukunft hinein nicht produktiv wäre. Der Vergangenheit gegenüber ist das Geistige, das heißt, sind diejenigen Menschen, die im Geistigen arbeiten, nur konsumierend; in bezug auf die Zukunft sind sie durchaus produzierend, ja die Produzierenderen. Daß sie die Produzierenderen sind, in dem Sinn auch, daß sie den ganzen Produktionsprozeß umgestalten und ihn zu einem eminent anderen machen im volkswirtschaftlichen Sinn, das sehen Sie zum Beispiel, sagen wir, wenn heute Tunnels gebaut werden: sie können nicht gebaut werden, ohne daß die Differentialrechnung gefunden worden ist. Mit dieser Art Arbeit baut heute Leibniz noch an allen Tunnels mit, und wie sich da die Preise stellen, ist im wesentlichen durch diese Anspannung der geistigen Kräfte entschieden worden. So daß Sie niemals die Dinge so beantworten können, daß Sie in der volkswirtschaftlichen Betrachtung das Vergangene im gleichen Sinn betrachten wie das Zukünftige. Aber das Leben geht nicht nach der Vergangenheit hin, setzt auch die Vergangenheit nicht fort, sondern das Leben geht in die Zukunft hinein.
Daher ist keine volkswirtschaftliche Betrachtung eine reale, die nicht mit dem rechnet, was eben durch die geistige Arbeit - wenn wir sie so nennen wollen -, das heißt aber im Grunde genommen, durch das Denken geleistet wird. Aber diese geistige Arbeit, die ist nun wirklich recht schwer zu fassen; denn diese geistige Arbeit hat ganz bestimmte Eigentümlichkeiten, die sich wirtschaftlich zunächst außerordentlich schwer fassen lassen. Die geistige Arbeit, sie beginnt ja schon damit, daß die Arbeit durch organisierendes Denken organisiert, gegliedert wird. Sie wird aber immer selbständiger und selbständiger. Wenn Sie diese geistige Arbeit fassen bei demjenigen, der irgendein in der materiellen Kultur stehendes Unternehmen leitet, so wendet er eine große Summe von geistiger Arbeit auf, aber er arbeitet noch mit dem, was ihm der volkswirtschaftliche Prozeß aus der Vergangenheit liefert. Aber es ist ja nicht zu umgehen, rein auch aus ganz praktischen Interessen, daß innerhalb der geistigen Betätigung - so will ich es statt Arbeit nennen -, des geistigen Wirkens, auch das vollständig freie Wirken auftritt. Schon wenn man die Differentialrechnung erfindet, und gar erst, wenn man ein Bild malt, tritt eine vollständig freie geistige Betätigung auf. Mindestens kann man relativ von freier geistiger Betätigung sprechen, weil dasjenige, was aus der Vergangenheit verwendet wird, die Farben und dergleichen gegenüber dem, was zustande kommt, nun nicht mehr die Bedeutung hat wie etwa der Rohprodukteeinkauf bei der materiellen Fabrikation.
Wir kommen, indem wir da (siehe Zeichnung) herübergehen, in das Gebiet des vollständig freien Geisteslebens hinein und finden auf diesem Gebiet des freien Geisteslebens vor allen Dingen den Unterricht und die Erziehung. Diejenigen Menschen, die den Unterricht und die Erziehung zu leisten haben, die stehen eigentlich im völlig freien Geistesleben darin. Für den rein materiellen Fortgang des volkswirtschaftlichen Prozesses
sind insbesondere diese freien Geistesarbeiter der Vergangenheit gegenüber durchaus Konsumenten, absolut Konsumenten nur. Nun, Sie können sagen: Sie produzieren ja etwas und bekommen für das, was sie produziert haben - wenn sie zum Beispiel Maler sind -, sogar etwas bezahlt. - Also es spielt sich scheinbar derselbe volkswirtschaftliche Prozeß ab, wie wenn ich den Tisch fabriziere und verkaufe. Und doch ist es ein wesentlich anderer, sobald wir nicht auf den Kauf
Abbildung A.2.: Zeichnung 4
und Verkauf des einzelnen Menschen sehen, sondern beginnen, volkswirtschaftlich zu denken und auf den ganzen volkswirtschaftlichen Organismus unser Augenmerk zu lenken - und das müssen wir heute bei der so weit vorgeschrittenen Arbeitsteilung. Außerdem aber sind innerhalb eines sozialen Organismus reine Konsumenten anderer Art noch da. Das sind die jungen Leute, die Kinder, und die alten Leute. Jene sind bis zu einer gewissen Altersstufe zunächst reine Konsumenten. Und diejenigen, die sich haben pensionieren lassen oder pensioniert worden sind, die sind wiederum reine Konsumenten.
06012 - Sie brauchen nur eine geringe Überlegung, so werden Sie sich sehr bald sagen: Ohne daß im volkswirtschaftlichen Prozeß reine Konsumenten da sind, die keine Produzenten sind, geht es gar nicht vorwärts, denn wenn alle produzieren würden, könnte nicht alles, was produziert wird, auch konsumiert werden, wenn der volkswirtschaftliche Prozeß überhaupt weitergehen soll - so wenigstens, wie es nun einmal im Menschenleben ist. Und das Menschenleben ist ja nicht bloß Volkswirtschaft, sondern ist als Ganzes zu nehmen. So ist der Fortschritt des volkswirtschaftlichen Prozesses nur möglich, wenn wir in ihm reine Konsumenten haben.
Nun, daß wir im volkswirtschaftlichen Prozeß reine Konsumenten haben, das muß ich Ihnen jetzt von einer ganz anderen Seite aus beleuchten.
Wir können diesen Kreis hier (siehe Zeichnung 4), der sehr lehrreich sein kann, mit allen möglichen Eigenschaften ausstaffieren, und es wird immer die Frage sein, wie wir die einzelnen volkswirtschaftlichen Vorgänge, volkswirtschaftlichen Tatsachen in diesen Kreis, der uns eben der Kreisgang des volkswirtschaftlichen Prozesses ist, hineinbringen. - Da gibt es eine Tatsache, die spielt sich ab unmittelbar auf dem Markt bei Verkauf und Kauf, wenn ich dasjenige, was ich bekomme, gleich bezahle. Es kommt nicht einmal darauf an, daß ich es gleich mit Geld bezahle, ich kann es auch noch, wenn es Tauschhandel ist, mit der entsprechenden Ware bezahlen, die der Betreffende annehmen will. Es kommt darauf an, daß ich zunächst gleich bezahle, das heißt überhaupt zahle. Und jetzt haben wir wieder nötig, an dieser Stelle (siehe Zeichnung 4) von der gewöhnlichen trivialen Betrachtung zur volkswirtschaftlichen Betrachtung überzugehen. Es spielen nämlich in der Volkswirtschaft die einzelnen Begriffe fortwährend ineinander, und die Gesamterscheinung, die Gesamttatsache, ergibt sich aus dem Zusammenspiel der verschiedensten Faktoren. Sie können sagen: Es wäre ja auch denkbar, daß durch irgendeine Maßregel überhaupt niemand gleich bezahlen würde - dann gäbe es das Gleichzahlen nicht. Man würde also immer erst, sagen wir, nach einem Monat zahlen oder nach irgendeiner Zeit. Ja, es handelt sich nur darum, daß man dann in einer ganz falschen Begriffsbildung drinnen ist, wenn man sagt: Heute übergibt mir jemand einen Anzug und ich bezahle ihn nach einem Monat. Ich bezahle eben nach einem Monat nicht mehr diesen Anzug allein, sondern ich bezahle dann in diesem Moment etwas anderes: ich bezahle dasjenige, was unter Umständen durch eine Steigerung oder Erniedrigung der Preise etwas anderes ist, ich bezahle ein Ideelles dazu. Also der Begriff des A-tempo-Zahlens, der muß durchaus da sein, und der ist beim einfachen Kauf da. Und etwas wird eine Ware des Marktes dadurch, daß ich es gleich bezahle. So ist es im wesentlichen mit denjenigen Waren, die bearbeitete Natur sind. Da zahle ich, da spielt das Zahlen die wesentliche Rolle. Dieses Zahlen muß durchaus sein; denn zahlen tue ich dann, wenn ich meine Börse aufmache und Geld weggebe, und der Wert wird bestimmt in dem Moment, wo ich das Geld weggebe oder meine Ware gegen eine andere austausche. Da wird bezahlt. Dieses ist das eine, daß im volkswirtschaftlichen Prozeß gezahlt werden muß.
06015 - Das Zweite ist das, worauf ich gestern schon aufmerksam gemacht habe, was eine ähnliche Rolle spielt wie das Zahlen. Das ist das Leihen. Das tangiert, wie gesagt, das Zahlen als solches nicht; das Leihen ist wiederum eine ganz andere Tatsache, die doch da ist. Wenn ich Geld geliehen bekomme, kann ich meinen Geist anwenden auf dieses geliehene Kapital. Ich werde zum Schuldner; aber ich werde zum Produzenten. Da spielt das Leihen eine wirklich volkswirtschaftliche Rolle. Es muß möglich sein, daß ich, wenn ich geistig befähigt bin, dieses oder jenes zu tun, Leihkapital bekomme, ganz gleichgültig woher; aber ich muß es bekommen, es muß einfach Leihkapital geben. Es muß also zum Zahlen das Leihen kommen (siehe Zeichnung 4). Und damit haben wir zwei ganz wichtige Faktoren im volkswirtschaftlichen Prozeß darinnen: das Zahlen und das Leihen.
Und jetzt können wir wirklich durch eine einfache Deduktion - wir müssen sie nur da (siehe Zeichnung 4) verifizieren - das Dritte finden. Sie werden in keinem Moment im Zweifel sein, was dieses Dritte ist. Zahlen, Leihen - und das Dritte ist Schenken. Zahlen, Leihen, Schenken: Das ist tatsächlich eine Trinität von Begriffen, die in eine gesunde Volkswirtschaft hineingehört. Man hat eine gewisse Abneigung, das Schenken zum volkswirtschaftlichen Prozeß zu rechnen; aber, wenn es das Schenken irgendwo nicht gibt, so kann überhaupt der volkswirtschaftliche Prozeß nicht weitergehen. Denn denken Sie sich doch einmal, was wir machen sollten aus den Kindern, wenn wir ihnen nichts schenken würden. Wir schenken fortwährend an die Kinder und, im volkswirtschaftlichen Prozeß darinnen gedacht, ist eben dann das Schenken da, wenn wir ihn vollständig betrachten, wenn wir ihn als einen fortlaufenden Prozeß betrachten. So daß der Übergang von Werten, die eine Schenkung bedeuten, eigentlich sehr mit Unrecht angesehen wird als irgend etwas, was nicht zulässig ist im volkswirtschaftlichen Prozeß. Sie finden daher - zum Horror sehr vieler Leute - in meinen « Kernpunkten der sozialen Frage » gerade diese Kategorie ausgebildet, wo die Werte übergehen, zum Beispiel die Produktionsmittel übergehen, im Grunde genommen durch einen Prozeß, der mit dem Schenken identisch ist, auf den, der dazu befähigt ist, sie weiter zu verwalten. Daß die Schenkung nicht in konfuser Weise gemacht wird, dafür muß eben vorgesorgt werden; aber im volkswirtschaftlichen Sinn ist das eine Schenkung. Diese Schenkungen sind durchaus notwendig.
06017 - Aber denken Sie sich jetzt einmal dieses, was Sie immer mehr finden werden als eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, daß die Trinität von Zahlen, Leihen und Schenken drinnen ist im volkswirtschaftlichen Prozeß, dann werden Sie sich eben sagen: Ja, sie muß in jedem volkswirtschaftlichen Prozeß - sonst könnte er gar keiner sein, sonst würde er sich überall ins Absurde hineinführen -, sie muß in jedem volkswirtschaftlichen Prozeß drinnen sein.
Man kann sie zeitweilig bekämpfen; aber die volkswirtschaftlichen Kenntnisse sind heute keine sehr großen, und gerade diejenigen, die Volkswirtschaftswissenschaft lehren wollen, die müßten sich eigentlich ganz klar darüber sein, daß die volkswirtschaftlichen Kenntnisse heute keine sehr großen sind, daß man vor allen Dingen nicht sehr geneigt ist, in die wirklichen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge hineinzugehen. Es ist ja mit Händen zu greifen, möchte ich sagen. So stark mit Händen zu greifen, daß Sie, wenn Sie heute die « Basler Nachrichten » lesen, kurioserweise heute in ihnen eine Betrachtung darüber angestellt finden, wie weder bei Regierungen noch bei Privaten heute die Neigung vorhanden ist, volkswirtschaftliches Denken zu entwickeln. Ich glaube ja nicht, daß Dinge, die nicht heute mit Händen zu greifen sind, just gerade in den « Basler Nachrichten » erörtert werden! Es ist schon mit Händen zu greifen. Und es ist immerhin interessant, daß das in dieser Weise besprochen wird; der Artikel ist interessant durch dieses, daß er einmal auf die absolute volkswirtschaftliche Impotenz ein grelles Licht zu werfen beginnt; und auch dadurch, daß er sagt: Das muß nun anders werden, die Regierungen und die Privaten müssen anfangen, nun endlich anders zu denken. - Damit schließt er aber auch. Wie sie anders denken sollen, darüber ist natürlich nichts zu finden in den « Basler Nachrichten ». Das ist natürlich auch sehr interessant.
Nun, man kann störend eingreifen in den volkswirtschaftlichen Prozeß, wenn man diese Trinität eben nicht in der richtigen Weise, das eine mit dem anderen in ein Verhältnis bringt. Es gibt heute viele Leute, die enthusiasmieren sich ganz besonders dafür, daß zum Beispiel Erbschaften, die auch Schenkungen sind, daß diese hoch besteuert werden müssen. Ja, das bedeutet ja nicht irgend etwas volkswirtschaftlich Bedeutsames; denn man entwertet die Erbschaft eigentlich nicht, wenn, sagen wir, sie einen Wert = W hat, und man teilt diesen Wert = W in zwei Teile, W 1 und W 2, und gibt dieses W 2 an jemand anderen ab und läßt dem einen nur das W 1, dann wirtschaften halt mit diesem Wert W die beiden zusammen. Und es handelt sich darum, ob derjenige, der das W 2 hat, ebenso günstig wirtschaften wird wie derjenige, der eventuell W 1 und W 2 zusammen bekommen hätte. Nicht wahr, es kann jeder selber nach seinem Geschmack das Folgende entscheiden: Ob nun ein gescheiter Einzelner, wenn er die Gesamterbschaft bekommt, besser wirtschaftet, oder ob besser wirtschaftet derjenige, der nur einen Teil der Gesamterbschaft bekommt und den
Das sind die Dinge, die ganz entschieden abführen von dem rein volkswirtschaftlichen Denken; denn es ist ein Denken des Ressentiments, ein Denken aus dem Gefühl heraus. Man beneidet eben die reichen Erben. Das mag ja begründet sein; aber von solchen Dingen allein kann man nicht reden, wenn man volkswirtschaftlich denken will. Darauf kommt es an, was im volkswirtschaftlichen Sinn gedacht werden muß; denn danach muß sich erst richten, was sonst einzutreten hat. So können Sie sich natürlich einen sozialen Organismus denken, der dadurch krank wird, daß in unorganischer Weise das Zahlen mit dem Leihen und dem Schenken zusammenwirkt, indem man gegen das eine oder andere auftritt oder das eine und das andere fördert. Irgendwie zusammenwirken tun sie doch. Denn schaffen Sie nur das Schenken auf der einen Seite ab, so lagern Sie es nämlich nur um. Und entscheidend ist nicht die Frage, ob man umlagern soll, sondern ob das Umlagern immer günstig ist; denn ob die Erbschaft der einzelne individuelle Erbe allein antritt oder mit dem Staat zusammen, das ist eine Frage, die erst volkswirtschaftlich entschieden werden muß. Ob das eine oder das andere günstiger ist, das ist es, worauf es ankommt.
Nun aber, das Wichtige ist nämlich dieses, daß wir vor der Tatsache stehen, daß ja das freie Geistesleben mit einer gewissen Notwendigkeit herausentsteht aus dem Eintritt des Geistes überhaupt in das Wirtschaftsleben. Und dieses freie Geistesleben - ich habe es vorhin gesagt -, es führt dazu, daß reine Konsumenten da sind für die Vergangenheit. Aber wie steht es denn mit diesem freien Geistesleben mit Bezug auf die Zukunft? Da ist es nämlich in einem gewissen Sinn mittelbar produktiv, aber außerordentlich produktiv. Wenn Sie sich nämlich dieses freie Geistesleben auch wirklich befreit denken im sozialen Organismus, so daß tatsächlich immer die Fähigkeiten sich voll entwickeln können, dann wird gerade dieses freie Geistesleben in der Lage sein, einen außerordentlich befruchtenden Einfluß auszuüben auf das halbfreie Geistesleben, auf dasjenige Geistesleben, das in das materielle Schaffen hineingeht. Und da, wenn wir das betrachten, beginnt die Sache eine durchaus volkswirtschaftliche Seite zu bekommen.
Wer das Leben unbefangen betrachten kann, der wird sich sagen: Es ist durchaus nicht gleichgültig, ob irgendwo auf einem Gebiet alle diejenigen, die sich im freien Geistesleben betätigen, nun ausgerottet sind - vielleicht dadurch, daß sie nichts mehr zum Konsumieren erhalten können und man das Recht, da zu sein, nur denjenigen zuspricht, die in den materiellen Prozeß eingreifen -, oder ob innerhalb des sozialen Organismus wirklich freie Geistesmenschen existieren können. Diese freien Geistesmenschen haben nämlich die Eigenschaft, daß sie den « Gritzi », die Geistigkeit, bei den anderen loslösen, daß sie ihr Denken beweglicher machen, und daß dadurch die anderen besser in die materiellen Prozesse einzugreifen vermögen. Nur handelt es sich darum, daß es Menschen sind. Sie dürfen daher nicht etwa dasjenige, was ich jetzt sagen möchte, widerlegen wollen dadurch, daß Sie auf Italien hinweisen und sagen: In Italien ist ja wirklich sehr viel von freiem Geistesleben, aber die volkswirtschaftlichen Prozesse, die aus dem Geist herausgehen, wurden dadurch doch nicht in besonderer Weise angeregt. - Ja, es ist freies Geistesleben, aber freies Geistesleben, das aus der Vergangenheit stammt. Es sind Denkmäler, Museen und so weiter. Die machen es aber nicht aus. Ausgemacht wird es durch das, was lebendig ist. Und das ist dasjenige, was vom freien Geistesmenschen ausgeht auf die anderen geistig Produzierenden. Das ist dasjenige, was in die Zukunft hinein als ein auch volkswirtschaftlich Produzierendes wirkt. Man kann also sagen: Es ist völlig die Möglichkeit gegeben, auf den volkswirtschaftlichen Prozeß gesundend einzuwirken, indem den freien Geistesarbeitern ihr Feld gegeben wird, das Feld freigegeben wird.
Nun denken Sie sich, Sie haben ein gesundes assoziatives Leben in einer sozialen Gemeinschaft. Es kommt ja bei diesem gesunden assoziativen Leben darauf an, daß man den Produktionsprozeß so ordnet, daß, wenn irgendwo auf einem Gebiet zu viele arbeiten, daß man sie auf etwas anderes hinüberleitet. Auf dieses lebendige Verhandeln mit den Menschen kommt es an, auf dieses Hervorgehenlassen der ganzen sozialen Ordnung aus den Einsichten der Assoziationen. Und wenn diese Assoziationen eines Tages anfangen, etwas zu verstehen von dem Einfluß des freien Geisteslebens auf den volkswirtschaftlichen Prozeß, dann kann man ihnen ein gutes Mittel übergeben - und darauf ist auch schon gedeutet in meinen « Kernpunkten der sozialen Frage » -, ein gutes Mittel, den Wirtschaftskreislauf zu regulieren. Sie werden nämlich finden, diese Assoziationen, daß wenn die freie Geistesarbeit zurückgeht, daß dann zuwenig geschenkt wird, und sie werden daraus, daß zuwenig geschenkt wird, den Zusammenhang erkennen. Sie werden den Zusammenhang zwischen dem Zuwenig-Schenken und dem Mangel an freier Geistesarbeit erkennen. Wenn zuwenig freie Geistesarbeit da ist, werden sie merken, daß zuwenig geschenkt wird. Sie werden merken, daß die freie Geistesarbeit zurückgeht, wenn zuwenig geschenkt wird.
Es gibt nun die grôßte Môglichkeit, den Zinsfuß für den Naturbesitz geradezu auf hundert Prozent hinaufzutreiben dadurch, daß man môglichst viel von dem Naturbesitz in freier Schenkung vermittelt den geistig Produzierenden. Da haben Sie die Môglichkeit, die Bodenfrage in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen mit demjenigen, was nun am meisten in die Zukunft hineinwirkt, das heißt mit anderen Worten: Dem Kapital, das angelegt werden will, das also die Tendenz hat, in die Hypotheken hineinzumarschieren, dem muß man den Ablauf schaffen in freie geistige Institutionen hinein. So nimmt sich das praktisch aus. Lassen Sie die Assoziationen dafür sorgen, daß das Geld, das die Tendenz hat, in die Hypotheken hineinzugehen, den Weg in freie geistige Institutionen hinein findet! Da haben Sie den Zusammenhang des assoziativen Lebens mit dem allgemeinen Leben. Sie sehen daraus, daß einem, wenn man nur versucht, in die Realitäten des wirtschaftlichen Lebens hineinzudringen, erst in Wirklichkeit aufgeht, was da zu tun ist, was mit dem einen oder anderen zu machen ist. Ich will gar nicht agitatorisch sagen, das oder jenes soll geschehen, sondern ich will nur darauf hinweisen, was ist. Und es ist der Fall, daß wir dasjenige, was wir durch einfache Gesetzesmaßregeln nie erreichen kônnen, nämlich das überschüssige Kapital abzuhalten von der Natur, erreichen durch das assoziative Wesen, indem wir das Kapital ableiten in freie geistige Institute. Ich sage nur: Wenn das eine der Fall ist, so ist das andere der Fall. - Die Wissenschaft gibt ja die Bedingungen an, unter denen die Dinge zusammenhängen.
