Abbau des Kapitals statt Anstau im Boden

Quelle: GA 340, S. 075-077, 5. Ausgabe 1979, 28.07.1922, Dornach

Der Grund und Boden, insofern er bloß Natur ist, kann ja noch überhaupt keinen Wert haben. Sie geben ihm ja einen Wert, indem Sie das Kapital mit ihm vereinigen, so daß man sagen kann: Dasjenige, was im heutigen volkswirtschaftlichen Zusammenhange Wert von Grund und Boden genannt wird, ist in Wahrheit nichts anderes als auf den Grund und Boden fixiertes Kapital; das aber auf dem Grund und Boden fixierte Kapital ist nicht ein wirklicher Wert, sondern ein Scheinwert. Und darauf kommt es an, daß man auch innerhalb des volkswirtschaftlichen Prozesses endlich begreifen lernt, was wirkliche Werte sind und was Scheinwerte sind.

Wenn Sie in Ihrem Gedankensystem einen Irrtum haben, dann bemerken Sie ja zunächst nicht die Wirksamkeit dieses Irrtums, weil sich der Zusammenhang zwischen dem Irrtum und allen diesen verschiedenen störenden Prozessen im Organismus, die damit zusammenhängen und die man nur durch Geisteswissenschaft erkennt, weil sich dieser Zusammenhang der heutigen groben Wissenschaft entzieht. Man weiß nicht, wie zum Beispiel in den peripherischen Organen durch Irrtümer Verdauungsstörungen entstehen und so weiter. Aber im volkswirtschaftlichen Prozeß, da wirken eben die Irrtümer, die Scheingebilde, da werden sie real, da haben sie eine Folge. Und es ist eigentlich volkswirtschaftlich kein wesentlicher Unterschied, ob ich, sagen wir, irgendwo Geld ausgebe, das zunächst nicht in irgendeiner Realität begründet ist, sondern das einfach Notenvermehrung ist, oder, ob ich dem Grund und Boden Kapitalwert verleihe. Ich schaffe in beiden Fällen Scheinwerte.

Durch solche Notenvermehrung erhöhe ich der Zahl nach die Preise, aber in Wirklichkeit tue ich gar nichts im volkswirtschaftlichen Prozeß. Ich schichte nur um. Den einzelnen aber kann ich ungeheuer schädigen. So schädigt diejenigen Menschen, die im Zusammenhang im volkswirtschaftlichen Prozeß drinnenstehen, dieses Kapitalisieren von Grund und Boden.

Sie können ja da ganz interessante Studien anstellen, wenn Sie zum Beispiel vergleichen die Hypothekargesetzgebung, wie sie vor dem Kriege war in mitteleuropäischen Ländern, wo man den Grund und Boden in beliebiger Weise hinaufschrauben konnte, durch die Gesetzgebung selbst bedingt - und wenn Sie in England nehmen die Gesetzgebung, wo der Grund und Boden nicht wesentlich steigen kann in gewisser Weise, wenn Sie sich da die Wirkungen auf den volkswirtschaftlichen Prozeß anschauen. Doch diese Dinge können ganz interessante Dissertationsthemen abgeben. Einmal die Wirkung der englischen Hypothekargesetzgebung mit der deutschen Hypothekargesetzgebung zahlenmäßig zu vergleichen, würde ein ganz gutes Thema abgeben.

Damit also konnte ich Ihnen anschaulich machen, um was es sich hier eigentlich handelt: daß tatsächlich die Natur hier nicht zu einer Konservierung des Kapitals führen darf, sondern daß hier das Kapital ungehindert weiterwirken muß wiederum in die Arbeit hinein. Aber wenn es da ist - ich will das noch einmal sagen -, wenn es nicht verwertet werden kann, ja das einzige, wodurch es nicht da ist in einem Maße, in dem es nicht da sein soll, das einzige ist, daß es auf diesem Wege aufgebraucht wird und daß zuletzt nur so viel da ist, als hier wiederum in die Bearbeitung des Grund und Bodens hineingehen kann, als diese Arbeit braucht. Das Selbstverständlichste ist, daß auf dem Wege hier das Kapital verbraucht wird, daß es konsumiert wird. Es wäre ja auch - denken Sie sich das hypothetisch! - etwas Furchtbares, wenn auf dem ganzen Wege hier nichts konsumiert würde. Da würde man die Produkte mitschleppen müssen. Nur dadurch wird die Sache organisch, daß die Dinge aufgebraucht werden.

Ebenso aber wie aufgebraucht wird dasjenige, was erarbeitete Natur ist, wie aufgebraucht wird die durch das Kapital organisierte Arbeit, so muß auf seinem weiteren Wege das Kapital einfach verbraucht werden, richtig verbraucht werden. Ja, dieser Verbrauch des Kapitals, der ist ja etwas, was eben einfach herbeigeführt werden muß.

Das kann nur herbeigeführt werden dadurch, daß der ganze volkswirtschaftliche Prozeß vom Anfang bis zum Ende, das heißt bis zu seiner Rückkehr zur Natur, in richtiger Weise geordnet wird, so daß etwas da ist, wie der Selbstregulator im menschlichen Organismus. Der menschliche Organismus bringt es zustande, daß, wenigstens wenn er normal funktioniert, nicht unverbrauchte Nahrungsstoffe da oder dort abgelagert werden. Und wenn unverbrauchte Nahrungsstoffe da oder dort abgelagert werden, so ist man eben krank, ebenso wie wenn unverbrauchte Teile des Organismus abgelagert werden. Denken Sie sich zum Beispiel, bei der Kopfverdauung werden die Stoffe abgelagert, das heißt es tritt im Kopfe eine unregelmäßige Verdauung ein. Die Sachen werden nicht fortgeschafft, die abgelagert werden. Also der Verbrauch ist nicht ordentlich geregelt. Dann kommen die Migränezustände. So könnten Sie überall sehen im menschlichen Organismus, wie im nicht richtigen Aufnehmen und Wegschaffen des zu Verdauenden, wie da die Ursache von Krankheitserscheinungen liegt. Ebenso ist es im sozialen Organismus in dem Anhäufen von demjenigen, was eigentlich an einer bestimmten Stelle verbraucht werden soll. Es ist einfach notwendig, daß hier der Verbrauch des Kapitals eintritt, damit mit der Natur nicht das Kapital eben sich zum Unlebendigen verbinden kann, gleichsam zu einem versteinerten Einsatz im volkswirtschaftlichen Prozeß. Denn der kapitalisierte Grund und Boden ist eben ein unmöglicher Einsatz im volkswirtschaftlichen Prozeß.