Jeder Preis von Grund und Boden ist spekulativ

Quelle: GA 079, S. 246-250, 2. Ausgabe 1988, 30.11.1921, Oslo (Kristiania)

Es ergibt sich nun, daß all dasjenige, was Ware ist, einen wirklichen objek­tiven Wert im Zusammenhange nicht nur des Wirtschaftslebens, sondern des gesamten sozialen Lebens haben kann. Einfach durch das, was ein Produkt be­deutet innerhalb des Konsumtionslebens, bekommt es einen bestimmten Wert, der durchaus eine objektive Bedeutung hat. Ich mu£ nun erörtern, was ich jetzt mit dem Worte « objektive Bedeutung » meine.

Mit «objektive Bedeutung» meine ich nicht, da£ man diesen Wert einer Wa­re, von dem ich jetzt spreche, etwa durch Statistik oder dergleichen unmittelbar angeben könne. Dazu sind die Verhältnisse, aus denen heraus eine Ware ihren Wert erhält, viel zu kompliziert, viel zu mannigfaltig. Aber abgesehen von dem, was man zunächst darüber wissen kann, hat außerhalb unserer Erkenntnis jede Ware einen ganz bestimmten Wert. Wenn eine Ware einen bestimmten Preis auf dem Markt hat, so kann dieser Preis für den wirklichen objektiven Wert entweder zu hoch oder zu niedrig sein, oder er kann mit ihm übereinstimmen. Aber so wenig maßgebend der Preis ist, der äußerlich uns entgegentritt - weil er durch irgendwelche andere Verhältnisse gefälscht sein kann -, so wahr ist es auf der anderen Seite, wenn man in der Lage wäre, alle die tausend und aber­tausend einzelnen Bedingungen anzugeben, aus denen heraus produziert und konsumiert wird, so würde man den objektiven Wert einer Ware angeben kön­nen. Daraus geht hervor, dass das, was Ware ist, in einer ganz besonderen Art im wirtschaftlichen Leben drinnen steht. Was ich nämlich nun den objektiven wirtschaftlichen Wert nenne, das kann man nur auf die Ware anwenden, das kann man nicht anwenden auf anderes, das heute in einem ähnlichen Sinne in unserem wirtschaftlichen Leben drinnen steht wie die Ware. Man kann es näm­lich nicht anwenden auf Grund und Boden, und man kann es nicht anwenden auf das Kapital.

Ich möchte nicht missverstanden werden, Sie werden von mir niemals zum Beispiel Charakteristiken des Kapitalismus hören, wie man sie heute so oft erhält, und die aus allerlei Schlagworten heraus kommen. Es ist ja so selbstver­ständlich, da£ man es gar nicht weiter auszuführen braucht, da£ im heutigen Wirtschaftsleben ohne Kapitalien gar nichts auszurichten ist, und da£ das Wet­tern gegen den Kapitalismus eben ein wirtschaftlicher Dilettantismus ist. Also nicht dasjenige, was man heute so oftmals hören kann, liegt in dem, was ich jetzt über das Kapital und über Grund und Boden zu sagen habe, sondern doch etwas anderes. Wenn man bei jeder Ware angeben kann, da£ ihr Preis über oder unter einer allerdings nicht ohne weiteres angebbaren Mitte liegt, die aber ob­jektiv vorhanden ist, und die das allein Heilsame ist, obwohl sie zunächst nicht erkannt werden kann, so kann man das nicht angeben für etwas, was heute gleich einer Ware behandelt wird: für Grund und Boden. Der Preis für Grund und Boden, der Wert von Grund und Boden unterliegt heute durchaus dem, was man nennen kann menschliche Spekulation, was man nennen kann alles andere als soziale Impulse. Und es liegt keine Objektivität vor für eine Preisansetzung oder Wertansetzung im wirtschaftlichen Sinne für Grund und Boden. Das ist aus dem Grunde so, weil eine Ware, nachdem sie vorhanden ist - gleichgültig, ob sie gut oder schlecht ist, ist sie gut, ist sie eben gut brauchbar, ist sie schlecht, ist sie eben schlecht brauchbar -, ihren objektiven Wert selber festsetzen kann durch die Art und Weise und die Intensität, in der nach ihr Bedarf ist.

Das kann nicht gesagt werden von Grund und Boden, kann auch nicht ge­sagt werden von Kapital. Bei Grund und Boden und bei dem Kapital hängt die Art und Weise, wie er trägt, wie er sich hineinstellt in den ganzen sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhang, durchaus von den menschlichen Fähig­keiten ab. Sie sind niemals etwas Fertiges. Habe ich irgendeinen Grund und Boden zu verwalten, so kann ich ihn nur verwalten nach meinen Fähigkeiten, und sein Wert ist dadurch etwas durchaus Variables. Ebenso ist es in bezug auf das Kapital, das ich zu verwalten habe. Derjenige, der diese Tatsache in ihrer vollen Bedeutung praktisch studiert, der wird eben sagen müssen: Dieser radikale Unterschied zwischen einer Ware einerseits, Grund und Boden und Kapital andrerseits, ist durchaus vorhanden. - Und daraus ergibt sich, dass gewisse Symptome, die in unserem Wirtschaftsleben auftreten und die uns deutlich als Krankheitssymptome des sozialen Organismus erscheinen, dass sie in irgend­einem Zusammenhange gedacht werden müssen mit dem, was sich im wirt­schaftlichen Leben dadurch ergibt, da£ man praktisch mit demselben Gelde, das heißt mit derselben Wertschätzung behandelt das, was eigentlich gar nicht kommensurabel ist, da£ man also zusammenwirft und gegeneinander auf dem Umwege durch das Geld zum Austausche bringt, zur wirtschaftlichen Wechselwirkung bringt, was seiner inneren Wesenheit nach ganz verschieden ist, also auch verschieden im wirtschaftlichen Leben behandelt werden müsste.

Und wenn man nun weiter praktisch studiert, wie eigentlich in unseren so­zialen Organismus hineingekommen ist die Gleichbehandlung, sozusagen das Zahlen mit demselben Gelde sowohl für Waren, also für Gebrauchsgüter, wie auch für Grund und Boden und für Kapital, das ja im Grunde genommen auch ein Gegenstand des Handels geworden ist, wie jeder weiss, der das Wirtschafts­leben kennt, wenn man sich also fragte, wie das eigentlich gekommen ist, und das geschichtliche Werden der Menschheit verfolgt, so sieht man, dass unorga­nisch heute zusammenwirken in unserem sozialen Organismus drei Gebiete des Lebens, die im Grunde genommen aus ganz verschiedenen Wurzeln stammen und die einen Zusammenhang im sozialen Leben nur durch den individuellen Menschen haben.