Die Schweiz als Schwerpunkt der Währung aber nicht des Geistes

Quelle: GA 339, S. 067-068, 3. Ausgabe 1984, 14.10.1921, Dornach

Wenn man versucht, jemanden in der Schweiz zu erwärmen für das, was der Welt heute bitter notwendig ist, so gerät man in Verzweiflung, weil es ihn eigentlich gar nicht angreift, weil es gleich zurückprallt, weil er eigentlich in Wirklichkeit mit dem Herzen gar nicht dabei ist. Es ist ihm zu sehr zuwider, als daß es für ihn interessant sein könnte, und er hat zu wenig Erfahrung über diese Dinge, als daß es ihm irgendwie sympathisch sein könnte.

Er möchte Ruhe haben. Aber er möchte doch auch wiederum Schweizer sein. Das heißt: Wenn da alle möglichen Fortschrittsgeschichten mit «Freiheit» und «Demokratie» über die Grenze herübertönen, so kann man doch, weil man sich durch viele Jahrhunderte hindurch immerfort demokratisch genannt hat, wiederum nicht sagen, man wolle die Demokratie nicht! Kurz, man hat wirklich das Gefühl, als ob in der Schweiz die Menschen einen sehr gut ausgebauten Kanal hätten zwischen dem rechten und dem linken Ohr, so daß alles, was auf der einen Seite hineingeht, auf der anderen Seite wiederum herausgeht, ohne daß es zu Verstand und Herzen gekommen ist.

Daher wird man wenigstens an den Punkten eben angreifen müssen, wo gezeigt werden kann, daß ja solch ein Staatswesen wie die Schweiz wirklich etwas ganz Besonderes ist. Und es ist etwas ganz Besonderes. Denn erstens ist die Schweiz - was schon während des Krieges bemerkbar war, wenn man es nur sehen wollte - etwas wie ein Schwerpunkt der Welt. Und gerade ihr Unengagiertsein gegenüber den verschiedenen Weltverhältnissen könnte sie benützen, um ein freies Urteilen und auch ein freies Handeln gegenüber ringsherum zu bekommen. Die Welt wartet ja nur darauf, daß die Schweizer das auch in ihren Köpfen bemerken, was sie in ihrer Tasche bemerken. In ihrer Tasche bemerken sie, daß der Franken vom Auf- und Absteigen der Valuta, von der Korrumpierung der Valuta, eigentlich nicht betroffen worden ist. Daß ja die ganze Welt sich um den Schweizer Franken bewegt, das bemerken die Schweizer. Daß das auch in geistiger Beziehung der Fall ist, das bemerken die Schweizer eben nicht. Aber so, wie sie den unbeweglichen Franken, der gewissermaßen der Regulator geworden ist der Valuta der ganzen Welt, wie sie den zu würdigen verstehen, so sollten sie auch ihre durch die Weltverhältnisse wirklich unabhängige Stellung, durch die die Schweiz tatsächlich eine Art Hypomochlion sein könnte für die Weltverhältnisse - dies sollten die Schweizer verstehen. Daher ist es notwendig, daß man ihnen dies eben begreiflich macht.