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Geschichtlicher Ursprung der Grundrente, dann ein nicht denken ohne Beziehung zur Wirklichkeit und Bildung von Grossunternehmen.
Quelle: GA 338, S. 171-176, . Ausgabe 1986, 16.02.1921, Stuttgart
Wenn man heute gefragt wird nach diesem oder jenem, dann kommen die Leute mit den schematisierten Fragen. Sie fragen einen: Wie verhält es sich mit dem Kapital, wie mit dem Kleingewerbe, wie mit Grund und Boden und so weiter? - Nun, mit Bezug auf gesunde soziale Verhältnisse ist die Grund- und Bodenfrage erledigt in meinen «Kernpunkten», obwohl sie scheinbar nur in einem Nebensatz berührt worden ist. Aber alles, was sonst darüber heute in Diskussionen figuriert, das rührt davon her, daß gerade Grund und Boden in einer unglaublich verworrenen Weise in unserem sozialen Leben drinnensteckt.
Als das neuere Wirtschaftsleben heraufkam und den Warencharakter allem aufdrückte, zum Beispiel auch der Arbeit, daß man also alles kaufen kann, da wurde auch der Boden zur Ware. Man konnte ihn kaufen und verkaufen. Aber was steckt eigentlich in diesem Kaufen und Verkaufen des Bodens drinnen ? Wenn man das einsehen will, so muß man in sehr primitive Verhältnisse zurückgehen, in denen der Feudalherr entweder durch Eroberung oder sonstwie sich einen gewissen Boden erworben hatte und ihn abgab an diejenigen, die ihn bearbeiten sollten, die dann in natura oder in Abgaben anderer Art ihm eine gewisse Quote zurückgaben, was zunächst den Ursprung der Grundrente bedeutet. Aber wofür gaben ihm die Leute diese Grundrente, ihm, dem Feudalherren oder der Kirche, dem Kloster, wofür gaben sie das? Was machte es ihnen plausibel, daß sie solche Abgaben leisteten? Nichts anderes machte es ihnen plausibel, als das, wenn sie als kleine Besitzer auf ihrem Grund und Boden arbeiteten, um zu ackern und zu ernten, da jeder Nächstbeste kommen und sie fortjagen konnte. Grund und Boden bearbeiten können, erfordert Schutz des Grund und Bodens. Nun hatten meist die Feudalherren selber ein Heer, das sie aus den Abgaben unterhielten, und das war zum Schutz des Grund und Bodens. Und die Grundrente wurde bezahlt nicht etwa für das Recht, den Boden zu bearbeiten, sondern für den Schutz des Bodens. Das Recht, den Boden zu bearbeiten, war durchaus entsprungen aus der Notwendigkeit, da ja der Grundherr nicht selber den ganzen Boden bearbeiten konnte. Das hatte nichts zu tun mit irgendwelchen anderen Verhältnissen. Aber geschützt mußte der Grund und Boden werden. Und dafür lieferte man die Abgaben. Ebenso lieferte man die Abgaben an die Klöster. Die Klöster unterhielten selbst wiederum Heere, mit denen sie den Grund und Boden schützten, oder sie waren durch irgendwelche Verträge da oder dort so gebunden, daß durch irgendwelche anderen Machtbeziehungen der Boden gesichert war. Wenn Sie den Ursprung der Grundrente aufsuchen, so müssen Sie sie als Abgabe ansehen für den Schutz des Grund und Bodens. Wenn wir diese ursprüngliche Bedeutung der Grundrente ins Auge fassen, so sehen wir daran, daß sie sich bezieht auf Zeiten, wo sehr primitive Verhältnisse herrschten, wo in wirtschaftlicher Beziehung souveräne Feudalherren oder Klöster herrschten, die niemandem gehorchten.
Diese Verhältnisse hörten, zuerst im Westen und erst später in Mitteleuropa, dadurch auf, daß allmählich gewisse Rechte, die die einzelnen hatten - in gewissen Gegenden Deutschlands hörten sie am allerspätesten auf, Einzelrechte zu sein -, übertragen wurden auf einzelne Fürsten, was durchaus nicht ein wirtschaftlicher, sondern ein politischer Vorgang war. Es wurden die Rechte übertragen. Mit der Übertragung der Rechte wurde auch dasjenige übertragen, was zum Schutze da war von Grund und Boden. Es wurde dann dem Fürsten notwendig, die Heere zu halten. Dafür mußte er natürlich eine Abgabe fordern. Es kam allmählich dasjenige, was uns heute so schwer aufliegt, die Systematisierung des Steuerwesens. Die kam hinzu zu dem anderen, aber das andere blieb kurioserweise ! Es verlor seinen Sinn, denn derjenige, der jetzt der Großgrundbesitzer war, der brauchte nichts mehr auszugeben zum Schutz von Grund und Boden, dafür war jetzt der Territorialfürst oder der Staat da. Die Grundrente blieb aber doch. Und sie ging allmählich mit dem neuen Wirtschaftsleben über in die gewöhnliche Warenzirkulation. Da‑durch, daß der Zusammenhang zwischen Grundrente und Grund und Boden den Sinn verlor, konnte die Grundrente zu einem Gewinnobjekt gemacht werden. Es ist der reine Unsinn, der da Realität geworden ist. Es ist etwas im Zirkulationsprozeß der Werte drinnen, das im Grunde genommen seinen Sinn vollständig verloren hat, mit dem aber doch heute gehandelt wird wie mit einer Ware.
Solche Dinge sind überall in unserem Volkswirtschaftsleben nachzuweisen. Sie sind aus irgendwelchen berechtigten Dingen entstanden. An die Stelle dieser berechtigten Dinge hat sich etwas anderes gesetzt. Aber das Alte ist geblieben. Und da hat irgendein neuer Prozeß die Sache aufgegriffen und das Sinnlose in das soziale Leben hineingestellt.
Wenn man nun einfach das Wirtschaftsleben so nimmt, wie es ist - wenn man also Professor der Nationalökonomie ist und damit die Aufgabe hat, möglichst wenig zu denken in dem Sinne, wie ich es vorhin charakterisiert habe -, dann definiert man die Grundrente so, wie es heute drinnensteht in den Büchern. Und als etwas so Sinnloses figuriert sie auch heute im Leben. Sie sehen also, wieviel man zu tun hat, um dahin zu kommen, den Menschen verständlich zu machen, daß wir nicht nur Unsinn haben in unserem Denksystem, sondern auch überall im Wirtschaftsleben. Und wenn der einzelne seufzt unter dem Wirtschaftsleben, so ist es tatsächlich mit aus solchen Untergründen heraus. Es handelt sich heute schon darum, daß man zu einem gründlicheren, vorurteilsloseren, umfassenderen Denken kommt, als das ist, was entwickelt werden kann, wenn man in den heutigen Bildungsanstalten sitzt.
Denn schließlich: was für ein Denken entwickelt man da heute ? Man entwickelt das Denken, das vielleicht durch die Mathematik bezeichnet werden kann. Aber das wird so entwickelt, daß es abseits steht von aller Wirklichkeit. Man entwickelt dann das Denken, das am Experiment gelernt werden kann, das an der Systematik gelernt werden kann, entwickelt dasjenige Denken, das endlich bei solchen Leuten wie Poincaré, Mach und so weiter zu einer bloßen Formalität, zu etwas geworden ist, was sie bloß «Zusammenfassen der äußeren Wirklichkeit» nennen. Kurz, man entwickelt überhaupt kein Denken! Und darum, weil man kein Denken entwickelt, kann man in der Nationalökonomie im Grunde genommen gar nichts anfangen.
Ja, es hat sich nach und nach sogar eine nationalökonomische Methode herausgebildet - besonders schlau hat sie Lujo Brentano gehandhabt -, die aus begreiflichen Bedürfnissen heraus die Theorie entwickelt, man solle überhaupt nicht nachdenken darüber, wie das wirtschaftliche Leben sein soll, sondern es nur richtig beobachten. Nun, man soll sich vorstellen, wie man irgendwie zu einer Wissenschaft vom Wirtschaftsleben kommen soll durch das bloße Beobachten! Es wäre so, wie wenn man dem Pädagogen anempfehlen wollte, er solle bloß die Kinder beobachten. Es würde ja niemals eine Aktivität daraus entstehen können. Daher sind unsere nationalökonomischen Theoretiker so furchtbar steril, weil sie die sich passiv zur äußeren Wirklichkeit stellende Methode haben.
Und die Kehrseite davon zeigt sich, wenn die Menschen nun wirklich anfangen, ins Wirtschaftsleben einzugreifen. Sie entwickelten auf der einen Seite eine Wissenschaft, die nur beobachtet. Als aber nun für Mitteleuropa der Krieg kam, sollte man plötzlich ins Wirtschaftsleben eingreifen, sogar bis zur Beeinflussung der Preisbildung. Was ist da herausgekommen ? Der Nationalökonom Terhalle hat ja das zusammengefaßt, was dabei herausgekommen ist : Erstens, sagte er, und dafür führt er unzählige wissenschaftliche Belege an in seinem Buche über «Freie oder gebundene Preisbildung?», erstens: es sind die Dinge so gemacht worden, daß man sieht, die Leute, die es gemacht haben, haben überhaupt nicht gewußt, worauf es ankommt. Zweitens: es sind zugrunde gelegt worden theoretische Schematismen, die mit der Wirklichkeit so wenig zu tun haben, daß, indem sie angewendet wurden, sie die Wirklichkeit ruinierten. Drittens: es ist bei der Beeinflussung der Preisbildung dazu gekommen, daß den einzelnen Gewerben nicht genützt, sondern geschadet worden ist; und viertens : es ist das ehrliche Handwerk und Gewerbe zugunsten des Schiebertums geschädigt worden! Denken Sie nur einmal, was es bedeutet, daß ein offizieller Nationalökonom aus nationalökonomischen Untersuchungen heraus über die politisch-staatliche nationalökonomische Tätigkeit der letzten Jahre das Urteil fällen muß : sie habe das Schiebertum begünstigt auf Kosten des ehrlichen Gewerbes und Handwerkes ! Man muß nur fühlen, was das eigentlich bedeutet. Diese Dinge müssen den Leuten gesagt werden, möglichst deutlich, damit man sieht, wie ohnmächtig unsere Zivilisation gegenüber der Wirklichkeit geworden ist.
Wenn wir nicht darauf eingehen, solche Dinge, wie ich sie Ihnen eben mit Bezug auf die Grundrente gesagt habe, klarzustellen, so werden wir nicht dazu kommen, die Notwendigkeit der Assoziationen den Leuten zu zeigen; denn denken Sie sich nur einmal in der notdürftigsten Weise die Assoziationen installiert : sofort tritt die Erfahrung zutage, wie schädlich auf die Preisbildung all die unnatürlichen Dinge wirken, die im Wirtschaftsleben drinnenstehen. Das kann natürlich nicht zutage treten, wenn man das Wirtschaftsleben so versorgt, daß die Agenten auf das Land gehen und für die einzelnen Unternehmungen Geschäfte machen. Da kann ihnen nicht entgegentreten der Zusammenhang zwischen Produktion und Konsum. Sie haben nicht das Interesse, das Augenmerk darauf zu richten, wieviel produziert werden soll. Für sie gilt nur die eine, selbstverständliche «Wahrheit», daß ihr Brotherr möglichst viel produzieren kann. Dieses Interesse an dem möglichst starken Produzieren des Brotherrn muß ersetzt werden durch die positive Kenntnis : Wieviele Produzenten müssen da sein, weil wir gesehen haben, so und so viel ist Bedarf für einen Artikel, also dafür gesorgt werden muß, daß nicht zu viele und nicht zu wenige auf dem betreffenden Territorium für diese Sache arbeiten? Das sachliche Interesse muß an die Stelle des Interesses für den einzelnen Unternehmer treten. Darauf kommt es bei der Assoziation an.
Nun muß man den Leuten zeigen, wie das Wirtschaftsleben, weil es so viele absurde Elemente in sich hat - denn außer der Grundrente sind noch viele andere darinnen -, heute schon nach Zusammengliederung drängt. Das Kartellwesen mit den Kontingentierungen des Gewinns, der Nachfrage, des Absatzes und so weiter, das Zusammenschließen, das Sich-Fusionieren - woraus entsteht es denn? In Europa nimmt es mehr die Form des Kartells, in Amerika mehr die des Trusts an. Es entsteht daraus, daß durch die vielen absurden Elemente, die im Wirtschaftsleben sind, der einzelne nicht mehr produzieren kann. Denken Sie nur einmal, wie anders das heute ist, wo alles der Großunternehmung zudrängt, als es war, als der Einzelunternehmer als Kleinunternehmer im Wirtschaftsleben drinnenstand. Was kann der Mensch heute einzig und allein fragen, wenn er als Unternehmer auftreten will? Er kann nichts anderes fragen als: wie die Marktlage irgendeines Artikels beschaffen ist, ob irgendein Artikel begehrt wird. Ein Artikel, der begehrt wird, erscheint aussichtsvoll, ein Artikel, der nicht begehrt wird, eben nicht aussichtsvoll.
In früheren Zeiten, wo die Zahl der Unternehmer klein war, machte das nicht viel aus; erst als es zu viele wurden, gingen die einzelnen zugrunde. Nehmen Sie aber an, es drängt alles nach der Großunternehmung hin, wenn man für irgendeinen Artikel bemerkt, daß er gebraucht wird, daß sich da etwas verdienen läßt. Dadurch, daß man die Großunternehmung errichtet, hebt man dasjenige auf, woraus man die Notwendigkeit geschlossen hat, die Großunternehmung zu errichten! Indem alles nach der Großunternehmung tendiert, ist das nicht mehr maßgebend, was für den einzelnen kleinen früheren Unternehmer maßgebend war. Daher tritt diese Notwendigkeit der Fusionierung auf. Und so haben wir die Kartelle, Trusts und so weiter, weil eben die führenden Kreise ganz sorglos waren mit Bezug auf den Konsum. Weil sie sich nicht um ihn bekümmert haben, entstehen diese Zusammenschließungen nur aus den Interessen der Produzenten heraus. Der Konsum wird dabei nicht berücksichtigt.
Das ist das Wesentliche, daß gezeigt wird: Man kommt im Wirtschaftsleben nicht mehr aus ohne Assoziierung. Deshalb müssen die einseitigen Assoziierungen der Kartelle und Trusts, die aber aus bloßem Produktionsinteresse hervorgehen, ergänzt werden dadurch, daß sie gestellt werden auf das Konsumverständnis, auf die Einsicht in die Bedürfnisse irgendeines Territoriums. So zeigen die Trusts, die Kartelle dadurch, daß sie Karikaturen sind dessen, was entstehen soll, wie notwendig es ist, sich in einer gewissen Richtung, nach der Richtung des Assoziierens hin, zu bewegen. Man muß nur aufsuchen, wie nun die Assoziationen beschaffen sein sollen.