Quelle: GA 024, S. 186, 2. Ausgabe 1982, 1919
Warum ist das Geistesleben ohnmächtig? Weil es ohnmächtig werden muß, wenn Staaten die Erziehungs- und Unterrichtsnormen festsetzen. Denn der Geist kann zu der ihm gebührenden Macht nur gelangen, wenn er in voller Freiheit seine eigenen Ziele verfolgen kann. Die Selbstverwaltung des vom Staate emanzipierten Geisteslebens, namentlich seines wichtigsten Gebietes, des Unterrichts- und Erziehungswesens, kann allein den geistigen Impulsen den Zugang zu den Menschenherzen eröffnen. Schulen, die vom Staate und vom Wirtschaftsleben ganz unabhängig sind, werden Menschen aus sich hervorgehen lassen, deren Geisteskraft gestaltend auf Staat und Wirtschaft wirken kann. Man wendet ein: das führt zur Unbildung zurück. Denn wo kein Staats-Schul-Zwang, da werden die meisten Kinder auch nicht in die Schule geschickt. Man sollte vielmehr gerade an die Lösung der Aufgabe gehen: wie bringt man die Kinder ohne Staatszwang in die Schulen hinein?