Weltschulverein muß sich erstmals auf weit verbreitete Meinung stützen

Quelle: GA 200, S. 027-031, 3. Ausgabe 1980, 17.10.1920, Dornach

Dieser Bau steht da, zunächst unvollendet. Es ist heute aus den Mittelländern heraus nicht dasjenige zu haben, was ihn zum großen Teile bis zu diesem Punkte gebracht hat im Zusammenhange mit dem, was von den neutralen Staaten uns zugekommen ist. Wir müssen Zuschüsse aus den Ländern der ehemaligen Entente haben. Da muß Verständnis entwickelt werden für dasjenige, was eine Einheitskultur werden soll, die Geist und Politik und Wirtschaft enthält. Denn die Menschen müssen aus einer einseitigen Anlage heraus und denjenigen folgen, die auch von Politik und Wirtschaft etwas verstehen, die nicht nur in Dialektik machen, sondern auch Geistiges durchschauen und auf Wirtschaftsimpulse sich einlassen, nicht Staaten gründen wollen, in denen der Staat schon selber wirtschaften könne. Die westlichen Völker werden einsehen müssen, daß zu ihrer besonderen Zukunftsbegabung im wirtschaftlichen Assoziationenwesen, das sie gerade am verkehrten Ende, bei der Psychologie, angebracht haben, zu dem sich hinzuentwickeln muß: ein volles Verständnis des staatlich-politischen Elementes, welches andere Quellen hat als das wirtschaftliche Leben, und des geistigen Elementes zu gewinnen. Aber am Boden liegen die Mittelländer. Man wird in westlichen Gebieten das einsehen müssen - an den Orient ist ja gar nicht zu denken -, was dieser Bau hier will ! Daher ist es nötig, daß man sich daraufhin besinnt, wie es geschehen muß, daß für diejenige Kultur wirklich gesorgt werde, die hier jetzt sich zeigen wollte als eine solche Kultur, die berufen ist, das Hochschulwesen der Zukunft zu durchdringen und die sich in der Begründung der Waldorfschule gezeigt hat als eine solche, die das Volksschulwesen durchleuchten kann. Aber wir brauchen dazu die verständnisvolle Unterstützung weitester Kreise.

Wir brauchen dazu vor allen Dingen Mittel. Zu all dem, was im höheren oder niederen Sinne Schule heißt, brauchen wir die Gesinnung, die ich schon betätigte damals, als die Waldorfschule in Stuttgart begründet wurde; bei der Begründung sagte ich es, in der Eröffnungsrede: Diese eine Waldorfschule, ja, schön, daß wir sie haben, aber für sich ist sie nichts; sie ist erst etwas, wenn wir in dem nächsten Vierteljahre zehn solcher Waldorfschulen errichten würden, und dann weitere. Das hat die Welt nicht verstanden, dazu hatte sie kein Geld. Denn da steht sie auf dem Standpunkt: Oh, die Ideale sind zu hoch und zu rein, als daß wir das schmutzige Geld an sie heranbringen sollten; das behalten wir lieber in der Tasche, da ist es am richtigen Platz, das schmutzige Geld. Die Ideale, oh, die sind viel zu rein, die darf man nicht besudeln mit dem Geld ! - Es läßt sich allerdings eine solche Verkörperung der Ideale mit derjenigen Reinheit nicht erreichen, an die das schmutzige Geld nicht herangebracht wird, und so müssen wir schon daran denken, daß wir bis jetzt ja bei der einen Waldorfschule stehen blieben, die eigentlich noch nicht recht vorwärts kann, weil wir in großen Geldsorgen steckten im Herbste. Sie sind zunächst behoben; zu Ostern werden wir wieder davor stehen. Und hier, hier werden wir nach verhältnismäßig kurzer Zeit fragen: Sollen wir aufhören? Und wir werden aufhören müssen, wenn nicht vorher ein sehr stark in die Taschen greifendes Verständnis sich findet.

Daher kommt es darauf an, nach dieser Richtung hin Verständnis zu erwecken. Ich glaube nicht, daß viel Verständnis erwachsen würde - das hat sich uns schon gezeigt -, wenn wir sprechen würden, daß wir etwas wollen für den Bau in Dornach oder dergleichen. Aber - und dafür findet sich ja heute noch Verständnis -, wenn man Sanatorien oder dergleichen gründen will, dazu kriegt man Geld, so viel man will ! Das wollen wir ja nicht gerade, wir wollen nicht lauter Sanatorien begründen, sind ganz einverstanden mit ihrer Begründung, soweit sie notwendig sind, aber hier handelt es sich vor allen Dingen um die Pflege derjenigen Geisteskultur, deren Notwendigkeit wohl sich beweisen wird aus dem, was gerade dieser Hochschulkursus hier leisten wollte. Daher versuchte ich dasjenige anzuregen, was ich vor einigen Tagen hier in das Wort zusammengefaßt habe: « Weltschulverein ».

Unsere deutschen Freunde sind abgereist; auf sie kommt es nicht an bei diesem Weltschulverein. Es kommt auf diejenigen an, die als Freunde zum größten Teil aus allen möglichen Gegenden der nichtdeutschen Welt hier erschienen sind und hier noch sitzen, daß sie verstehen dieses Wort « Weltschulverein », denn es ist notwendig, daß wir Schulen über Schulen in allen Gegenden der Welt aus dem pädagogischdidaktischen Geiste heraus gründen, der in der Waldorfschule herrscht. Es ist notwendig, daß wir diese Schule erweitern können, bis wir den Anschluß finden an dasjenige, was wir hier als Hochschulwesen wollen. Dazu ist aber notwendig, daß wir imstande sind, diesen Bau mit allem, was zu ihm gehört, zu vollenden und fortwährend dasjenige unterhalten können, was notwendig ist, um hier zu wirken, um zu schaffen, zu schaffen an dem weiteren Ausbau aller einzelnen Wissenschaften aus dem Geiste der Geisteswissenschaft heraus.

Es fragen einen die Leute, wieviel Geld man zu alledem braucht. Man kann gar nicht sagen, wieviel man braucht, denn nach oben hat das überhaupt niemals eine Grenze. Selbstverständlich - einen Weltschulverein, wir werden ihn nicht dadurch begründen, daß wir ein Komitee schaffen von zwölf oder fünfzehn oder dreißig Personen, die schöne Statuten ausarbeiten, wie ein solcher Weltschulverein wirken und arbeiten soll. Das hat alles keinen Zweck. Ich gebe nichts auf Programme, nichts auf Statuten, sondern auf die Arbeit der lebendigen Menschen, die verständnisvoll wirken. Man wird diesen Weltschulverein einmal gründen können, nun, nach London wird man ja noch lange Zeit nicht kommen können; aber vom Haag oder von einem solchen Orte aus, wenn etwa dadurch eine Unterlage geschaffen ist, und noch durch manche andere Dinge, wenn diejenigen Freunde, die jetzt nach Norwegen oder Schweden oder Holland oder nach irgendwelchen anderen Ländern, nach England, Frankreich, Amerika und so weiter gehen, wenn diese Freunde überall, bei jedem Menschen, an den sie herankommen können, die Überzeugung, die wohlbegründete Überzeugung hervorrufen: Einen Weltschulverein muß es geben ! - Das müßte wie ein Lauffeuer durch die Welt gehen: Ein Weltschulverein muß entstehen zur Beschaffung der materiellen Mittel für die Geisteskultur, die hier gemeint ist. - Kann man ja sonst als einzelner von allem möglichen Hunderte und Hunderte von Menschen überzeugen, warum sollte man denn nicht in einer kurzen Zeit - denn der Niedergang geht so schnell, daß nur kurze Zeit uns zur Verfügung steht -, als ein einzelner Mensch auf viele wirken können, so daß man, wenn man dann nach einigen Wochen etwa nach dem Haag kommt, sehen würde, wie schon weitverbreitet das Urteil ist: Die Entstehung eines Weltschulvereins ist notwendig, nur die Mittel fehlen zu alledem. Was man von Dornach aus will, ist eine historische Notwendigkeit. - Dann wird man reden können über die Inaugurierung dieses Weltschulvereins, wenn die Meinung über ihn schon da ist. Komitees zu begründen und den Weltschulverein zu beschließen, das ist utopistisch, das hat gar keinen Zweck; aber von Mensch zu Mensch zu wirken und die Meinung, die begründete Meinung in einer Raschheit zu verbreiten, die eben nötig ist, das ist dasjenige, was vorausgehen muß der Gründung. Geisteswissenschaft lebt in Realitäten. Deshalb läßt sie sich auch nicht auf programmäßige Vornahmen von Gründungen ein, sondern sie weist auf dasjenige hin, was unter Realitäten - die Menschen sind ja Realität -, was unter Menschen zu geschehen hat, damit eine solche Sache eine Aussicht hat.

Also darauf kommt es an, daß wir endlich lernen von der Geisteswissenschaft, im realen Leben zu stehen. Ich werde mich nie einlassen auf eine bloß utopistische Begründung des Weltschulvereins, sondern ich werde der Meinung immer sein: Der Weltschulverein kann erst entstehen, wenn eine genügend große Anzahl von Menschen von seiner Notwendigkeit überzeugt sind. Und damit dasjenige, was der Menschheit notwendig ist - es hat sich ja wohl aus unseren Hochschulkursen erwiesen -, geschehen könne, dazu muß dieser Weltschulverein gegründet werden. Also man sehe das, was mit diesem Weltschulverein gemeint ist, im ganzen internationalen Leben im rechten Sinne an ! In diese Aufforderung möchte ich ausklingen lassen am heutigen Tage dasjenige, was in ganz anderer Weise aus unserem ganzen Kursus heraus zu der Menschheit gesprochen hat gerade durch diejenigen, die hier gewesen sind, und von denen wir die Hoffnung und den Wunsch haben, sie mögen es in die Welt hinaustragen. Der Weltschulverein, er kann die Antwort der Welt sein auf dasjenige, was wie eine Frage vor die Welt hingestellt wird, aber eine Frage, die aus den wirklichen Kräften des Menschenwerdens, das heißt, der Menschheitsgeschichte herausgegriffen ist. Also, was geschehen kann für den Weltschulverein nach jener Überzeugung, die Sie hier haben gewinnen können in den letzten drei Wochen, das geschehe ! Darinnen klingt aus dasjenige, was ich auch heute noch habe sagen wollen.