Grund und Boden unproduziert, daher von vornherein keine Ware

Quelle: GA 337a, S. 208-216, 1. Ausgabe 1999, 16.06.1920, Stuttgart

Denn, was ist eigentlich Grund und Boden? Sehen Sie, Grund und Boden ist ja ganz offensichtlich ein Produktionsmittel. Mit dem Grund und Boden produzieren wir. Aber er ist ein Produktionsmittel anderer Art als die anderen Produktionsmittel. Die anderen Produktionsmittel müssen wir uns erst durch menschliche Arbeit zubereiten, und Grund und Boden ist, wenigstens der Hauptsache nach, da, ohne daß er erst von den Menschen zubereitet wird. Daher kann man sagen: Die Produktionsmittel gehen zunächst den Weg der Ware; dann, wenn sie fertig sind, wenn sie übergeben sind ihrer Aufgabe, dann sind sie nicht mehr Ware. Das haben wir ja wiederholt hervorgehoben - auch ich selber habe es ja von diesem Platze öfter betont -: Produktionsmittel dürfen nur solange im wirtschaftlichen Zirkulationsprozesse Ware sein, bis sie fertig sind und dem volkswirtschaftlichen Leben übergeben werden. Was sind sie dann nachher? Dann sind sie etwas, was unterliegt dem politischen oder Staatsleben, der Demokratie, und zwar mit Bezug auf die Arbeit, die die Menschen durch diese Produktionsmittel zu leisten haben, indem sie als mündige Menschen miteinander auskommen müssen. Die Produktionsmittel sind etwas, was unterliegt dem Staatsleben, indem sie übergehen von dem einen auf den anderen, so daß immer derjenige, der die Produktionsmittel gebraucht, sie wirklich auch hat. Aber sie sind auch etwas, was unterliegt den Einrichtungen der geistigen Arbeit. Denn nicht aus alten Erbschaftsverhältnissen heraus, sondern aus den Einrichtungen des geistigen Lebens [muß in der Zukunft] nun durch Erkenntnis - wie es das moderne Bewußtsein allein ertragen kann - [bestimmt werden], wie das Produktionsmittel, wenn einer es nicht mehr bearbeitet, an denjenigen übergeht, der durch seine Anlagen und Fähigkeiten das Produktionsmittel weiter versorgen kann. So kann man sagen: Liegt die Dreigliederung dem Leben zugrunde, so sind die Produktionsmittel nur solange Ware, als sie produziert werden. Dann hören sie auf, Ware zu sein und unterliegen den Gesetzen und den Erkenntnissen. Durch Gesetze und Erkenntnisse fügen sie sich ein in die soziale Struktur.

Grund und Boden kann nicht produziert werden; er ist also von Anfang an keine Ware. Er unterliegt also niemals dem Prinzip der Ware, über die man Verträge abschließt. Grund und Boden geht also überhaupt das, worüber man Verträge abschließt, nichts an. Er muß allmählich übergeleitet werden in die soziale Struktur so, daß zunächst die Verteilung von Grund und Boden im Hinblick auf die Bearbeitung durch die Menschen eine demokratische Angelegenheit des politischen Staates ist und daß der Übergang vom einen zum anderen eine Angelegenheit des geistigen Gliedes des sozialen Organismus ist. Das lebendige Verhältnis im demokratischen Staate entscheidet darüber, wer an einem Stück Boden arbeitet zugunsten der Menschen. Boden ist niemals Ware. Er ist von Anfang an etwas, was man nicht kaufen und verkaufen kann.

Danach hat man zunächst zu streben, daß man den Boden nicht kaufen und verkaufen kann, sondern daß dasjenige, was den Boden überführt in die Sphäre der Bearbeitung durch einen Menschen, rechtliche und geistige Verhältnisse, rechtliche und geistige Impulse sind. Nur derjenige, der sich diese Gedanken nicht klar macht, kann vermeinen, daß darin irgend etwas Utopisches liege. Denn im Grunde genommen ist es nur eine Umänderung von etwas, was heute [als Mißstand] vorliegt: daß man heute Grund und Boden bezahlt mit dem Geld, das man aus dem Erlöse von Waren hat; das ist keine Wahrheit, das ist eine soziale Lüge. Geld, das als Äquivalent angewendet wird für Grund und Boden, ist nämlich im volkswirtschaftlichen Prozesse etwas anderes als Geld, das angewendet wird als Äquivalent für eine Ware. Und sehen Sie, das ist etwas, was nun so schwer durchschaut wird in dem gegenwärtigen sozialen Chaos. Nehmen Sie einmal an, Sie kaufen Kirschen, so geben Sie dafür Geld. Sie kaufen irgendein Rittergut, so geben Sie dafür auch Geld. Jetzt, wenn die beiden Menschen, die Geld bekommen haben, der eine für Kirschen - eine genügende Menge Geld natürlich, es kommt hier nicht darauf an, ob in dieser Richtung die Sache auch möglich ist - und der andere für sein Rittergut, und wenn die ihr Geld durcheinanderschmeißen, so kann man nicht unterscheiden, welches Geld für die Kirschen und welches für das Rittergut bezahlt wurde. Aber eben dadurch, daß man das nicht unterscheiden kann, wird man in eine verderbliche, furchtbare Illusion geführt. Denn, sehen Sie, wenn ich hier Kreuzchen aufzeichne und dann kleine Kreise und würde diese durcheinanderschmeißen, so würde ich sie doch unterscheiden können.

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Aber wenn ich keinen Sinn hätte für den Unterschied zwischen Kreuzchen und Ringelchen, dann würde ich nicht mehr unterscheiden können, was das eine oder andere ist. Mit anderen Worten: Wenn ich die Kreuzchen und Ringelchen so machen würde, daß ich aus den Kreuzchen Halbkreise und aus den Ringelchen wiederum Halbkreise machen und beides aufzeichnen würde, dann könnte man es nicht mehr unterscheiden. Aber wie ist es in der Wirklichkeit? Sehen Sie, nehmen Sie an, ich bekomme das Kirschengeld, und ich bekomme das Rittergutgeld. Schmeiße ich es durcheinander, dann kann ich ja nicht mehr unterscheiden, welches Geld von dem Rittergut und welches Geld von den Kirschen kommt. Man könnte nun glauben: Geld ist Geld. Das ist aber eben die furchtbare Illusion. Das ist nicht wahr. Im volkswirtschaftlichen Prozeß wirken nämlich die Ringelchen, die vom Rittergut kommen, anders im ganzen menschlichen Leben als die Kreuzchen, die von den Kirschen kommen. Nicht das Geld ist es, das in Wirklichkeit ausmacht, was geschieht, sondern die Nachwirkung, woher das Geld kommt, das ist es. Und darüber wird nun einfach ein Schleier gebreitet; das ist nicht mehr da für die menschliche Beobachtung. Und so bildet das Geld die lebendige Abstraktion. Alles kommt durcheinander ohne Differenzierung. Der Mensch ist nicht mehr fähig, bei dem zu sein, wozu er gehört, woran er produziert, woran er arbeitet. Alles kommt durch das Geld durcheinander, wie bei den unklaren Mystikern alles durcheinanderfließt und zu ein paar abstrakten Begriffen wird. Und wie diese abstrakten Begriffe [der Mystiker] nicht zu brauchen sind in unserem Erkenntnisprozeß, so ist auch das nicht zu brauchen, was sich die Menschen vorstellen vom Geld, weil es auch bloß eine Abstraktion ist, eben etwas neben der Wirklichkeit, also nichts, was man im Leben brauchen kann.

Wenn man sich so etwas überlegt, dann ist man sich klar darüber, welch ungeheure konkrete Bedeutung der Grund und Boden hat im Leben der Menschen. Man ist sich klar darüber, wie es niemals darauf ankommen sollte, daß ich ohne Interesse an Grund und Boden der Besitzer des Grund und Bodens bin und nur etwa meine Rente beziehe vom Grund und Boden, alles übrige aber mir gleichgültig ist. Wer das volkswirtschaftlich ordentlich überschaut, weiß, was das heißt: Ich lebe von Grund und Boden, aber im Grunde genommen ist es mir gleichgültig, ob ich von Grund und Boden lebe oder von den Erträgnissen, nun sagen wir, von Cri-Cri- oder Pokerspiel; es ist mir im Grunde das alles ganz gleichgültig, es kommt mir nur darauf an, eine Summe Geld zu erwerben. - Daß es einem gleichgültig ist, wie man eine Summe Geld erwirbt, das kommt nicht so stark in Betracht, wenn es sich darum handelt, daß man sich diese Summe Geld wirklich nur erarbeitet. Wenn man sie aber erhält von etwas, was mit dem Wohl und Wehe, mit dem Schicksal der Menschen, ja mit der ganzen Kulturkonfiguration zusammenhängt, wie es der Grund und Boden tut, wenn man sich so etwas überlegt, dann ist es nicht möglich, daß man diesen Grund und Boden verwandelt in das gleichgültige, abstrakte Geld. Denn gerade Grund und Boden macht notwendig, daß derjenige, der ihn bearbeitet, der mit ihm etwas zu tun hat und der dasjenige, was vom Grund und Boden abhängt, in den volkswirtschaftlichen Prozeß überführt - das ist ja nicht das Geld, das er einbringt, sondern die Frucht, die darauf gedeiht -, daß der [wirklich ganz] dabei ist.

Meine sehr verehrten Anwesenden, Grund und Boden ist ja innerhalb seines Gebietes durchaus nicht zu verwalten nach denjenigen volkswirtschaftlichen Kategorien, die sich nun einmal in der neueren Zeit herausgebildet haben. Bitte rechnen Sie bloß aus, wenn jemand auf seinem Gute mit dem Dünger düngt, der sich von selbst ergibt von seinem Vieh - rechnen Sie sich aus, wie man dazu kommen soll, nun eine Wertangabe zu machen über diesen Dung, wie man feststellen soll den Marktwert des Düngers, etwa, was der Dünger wert wäre, wenn er irgendwelche Märkte der Städte verstänkerte. Es ist das nur ein drastisches Beispiel. Wenn Sie den Gedankengang zu Ende führen, dann werden Sie finden, daß es ein gewaltiger Unterschied ist in der ganzen Art und Weise, wie sich dem volkswirtschaftlichen Prozeß das einfügt, was auf einem Gute entsteht. Man vergleiche einmal die Art und Weise, wie ein Gut wirkt, welches der sogenannten Selbstbewirtschaftung unterliegt, das heißt, wo derjenige, der auf dem Gute, sei es einem kleinen oder großen Gute, tatsächlich die Versorgung des Gutes aus seinen Fähigkeiten heraus als seine eigenste Angelegenheit betrachtet, und man vergleiche das mit der Art und Weise, wie ein Gut wirkt und wirken muß, welches nur darauf gestellt ist, das möglichste an Geldertrag zu ziehen, was man herausschinden kann. Aber so, wie wir heute im öffentlichen Leben stehen, müssen ja die Dinge sich ausgleichen, das heißt, derjenige, der Selbstbewirtschafter ist, kann nicht anders als sich anpassen demjenigen, der das Gut verpachtet und nur die Rente daraus bezieht. So wird dadurch, daß angepaßt wird das, was aus dem Konkreten hervorgeht - und aus dem Konkreten geht beim Gute, beim Grund und Boden dasjenige hervor, wie die einzelnen Produkte gegeneinander sich tragen müssen, wie das eine das andere unterstützen muß; das ist bei der Selbstbewirtschaftung aus ganz anderen Motiven heraus taxiert, als wenn die Dinge nur auf den Geldmarkt gebracht werden -, so wird nach und nach das, was aus dem Konkreten hervorgeht, die Selbstbewirtschaftung, abhängig von dem, was ganz abstrakte Geldverhältnisse sind. Das ist ja auch schon geschehen, deshalb haben wir heute die unnatürlichen Verhältnisse. Grund und Boden, die keine Ware sein können, werden zur Ware gemacht; dadurch wird eine reale Lüge in das Leben eingeführt. Es ist nicht bloß das, was gesagt wird, verlogen, auch das, was geschieht, ist verlogen. Sobald man Grund und Boden als Ware betrachtet, das heißt, sobald man ihn kaufen und verkaufen kann, lügt man durch seine Taten.

Wenn man aber die Dreigliederung des sozialen Organismus hat, kann man Grund und Boden nicht kaufen und verkaufen. Die [rechtlichen] Verhältnisse, durch die Grund und Boden von dem einen auf den anderen übergeht, unterliegen den staatlichen Gesetzen, die nichts mit dem Kauf und Verkauf von Waren zu tun haben. Die Bestimmung darüber, wie [im Einzelfall] Grund und Boden von einem auf den anderen Menschen übergeht, unterliegt dem geistigen Gliede des sozialen Organismus, das nichts zu tun hat mit Vererbung und Blutsverwandschaft, sondern mit solchen Dingen, wie ich sie in den «Kernpunkten» geschildert habe. So sehen Sie, man braucht nur richtig zu verstehen dasjenige, was Dreigliederung ist, und wenn man sich in diese Richtung begibt, so begibt man sich auf den Weg zur Lösung der sozialen Frage.

Was will Damaschke? Er nimmt sich die Bodenfrage vor, er denkt darüber nach, und aus dem Nachdenken heraus soll die Bodenfrage gelöst werden. Meine sehr verehrten Anwesenden, aus dem Nachdenken heraus werden gar keine realen Dinge gelöst. Ich möchte bloß einmal wissen, wie Sie aus dem Nachdenken heraus Zucker zerschlagen, Holz hacken oder dergleichen wollen oder wie Sie aus dem Nachdenken heraus essen wollen. Ebensowenig, wie man aus dem Nachdenken heraus Zucker zerschlagen oder essen kann, ebensowenig kann man aus dem Nachdenken heraus die Bodenfrage lösen. Man kann nur sagen: Der Boden steht ja heute in bestimmten menschlichen Verhältnissen drinnen. Denken wir uns nun dasjenige, was Menschen aus ihrem besten Können heraus in dem sozialen Organismus tun, einlaufend in die Impulse von der Dreigliederung, dann lösen die Tatsachen, die dadurch entstehen, daß man sich dieser Dreigliederung widmet, die Bodenfrage nicht bloß in Gedanken, sondern [in praktischer Weise] gerade so, wie das Messer den Zucker zerschlägt, wie die Hacke das Holz zerhackt. Ebenso löst die Dreigliederung die Bodenfrage, indem der Boden einfach sich so einfügen wird in den dreigliedrigen Organismus, daß er nicht mehr - wie heute - als eine Ware behandelt wird. Er wird nicht mehr in ungerechtfertigter Weise in der Blutsverwandtschaft weitergehen, sondern allein dem unterliegen, was heute der Mensch als das einzig Erträgliche fühlt: daß der Übergang des Grund und Bodens von dem einen auf den anderen aus geistigen Erkenntnissen heraus geschieht, also aus dem Impuls des geistigen Gliedes des sozialen Organismus.

Sie sehen, nicht durch Programme, nicht durch irgendwelche abstrakte oder utopistische Begriffe, also nicht in ähnlicher Weise, wie das Damaschke mit der Bodenfrage tut, soll die Bodenfrage von der Dreigliederung gelöst werden, sondern so, daß man sagt: Wie vertrackt auch die heutigen Bodenverhältnisse sein mogen, widmet euch der Dreigliederung, führt die Tatsachen der Dreigliederung hinein ins soziale Leben, [greift die Dinge auf], die in der Richtung dieser Dreigliederung liegen; was dann geschieht, das führt den Grund und Boden in für die Menschen segensreiche Verhältnisse - soweit auf Erden überhaupt etwas segensreich sein kann. Dreigliederung will nicht durch Gedanken die brennenden Fragen lösen, sondern durch Tatsachen, in die sich die Menschen versetzen, wenn sie sich solchen Gedanken widmen, die von ihnen selber abhängen, und nicht solchen Gedanken, die mit alten Traditionen fortarbeiten. Es ist etwas anderes, wenn man sagt, man versucht zu wirken in der Richtung der Dreigliederung, oder wenn man sagt, der Staat ist ein braver Mensch, der kann alles, der macht alles recht. Durch die Dreigliederung löst sich die Bodenfrage, indem der Boden des Charakters der Ware, in den er so hineingesaust ist, entkleidet wird; der Staat verhindert nicht [die ungerechte Verteilung des Bodens], er rationiert bloß; er ist es, der die Ämter einsetzt, um die Wohnungen zu besetzen, er ist es, der feststellt, wieviel jeder haben darf, er ist es, der das Hamstern verhindert - das darf nicht mehr sein!

Nicht wahr, man könnte sagen, es ist ja ganz in der Ordnung, wenn die Menschen so denken, wie es Morgenstern [in einem Gedicht] angedeutet hat. Da wird einer vom Auto überfahren. Er wird krank nach Hause gebracht. Palmström - so heißt der Mann - hüllt sich in feuchte Tücher ein, er leidet, aber er gibt sich nicht seinen Schmerzen hin, denn er ist ein guter Staatsbekenner. Er findet in den Gesetzbüchern: Da, an der Stelle, wo ich überfahren worden bin, darf ja gar kein Auto fahren; also kann dort gar kein Auto gefahren sein, denn das widerspräche den Gesetzen, und da es den Gesetzen widerspricht, so bin ich eben nicht überfahren worden, denn: was nicht sein kann, das darf auch nicht geschehen sein. - Sehen Sie, ungefähr in dieser Art ist es, wenn man heute das, was in der Wirklichkeit wurzelt, so reformieren will, daß man sagt: Wenn sich der Bodenwert in unbestimmter Weise steigert, wird das dem Staat überliefert, der weiß dann schon zu verhindern, daß gehamstert wird - denn Hamstern kommt nicht vor, wenn der Staat gesprochen hat. Es ist verboten, also gibt es das nicht.