- Startseite ›
- Forschung ›
- Rudolf Steiner ›
- Zitate ›
- ›
- Rechtsimpulse kommen nicht in Betracht
Rechtsimpulse kommen nicht in Betracht
Quelle: GA 337b, S. 140-141, 1. Ausgabe 1999, 06.04.1920, Dornach
Im naturgemäßen, lebendigen dreigliedrigen Organismus hat man es nun zu tun, ich möchte sagen mit den zwei polarischen Gegensätzen: auf der einen Seite mit dem geistigen Leben und auf der anderen Seite mit dem wirtschaftlichen Leben. Das geistige Leben, das sich, wenn es nur frei wird, aus denjenigen Kräftewirkungen ergibt, die die Menschen durch ihre Geburt und Entwicklung in das Dasein hereinbringen, dieses geistige Leben stellt durch seinen eigenen Inhalt eben eine Realität dar. Da wird gerade das Fruchtbare des geistigen Lebens sich entwickeln, wenn man nicht durch irgendwelche Normen beschneidet und einengt dasjenige, was einer kann. Das Fruchtbare ergibt sich ganz selbstverständlich einfach dadurch, daß es im Interesse der Menschen liegt, daß derjenige, der mehr kann und der größere Anlagen hat, auch mehr wirken kann. Es wird ganz selbstverständlich sein, daß der, sagen wir als Lehrer für eine Anzahl von Kindern genommen wird, von dem diejenigen, die einen Lehrer suchen, überzeugt sein können, daß er in seiner Sphäre das bewirken kann, um was es sich handelt. Wenn das Geistesleben wirklich frei ist, ergibt sich die ganze Konstitution des Geisteslebens aus der Natur der Sache selbst heraus; es wirken in diesem Geistesleben die Menschen, die drinnenstehen. Auf der anderen Seite haben wir den Wirtschaftsteil des dreigliedrigen sozialen Organismus. Da ergibt sich wiederum aus den Konsumtionsbedürfnissen und aus den Möglichkeiten der Produktion, aus den verschiedenen Verkettungen, aus den Beziehungen, die sich ergeben, aus alledem ergibt sich die Struktur des Wirtschaftslebens. Ich kann das natürlich in dieser Fragenbeantwortung nur kurz andeuten. Aber hinein spielen dann die verschiedenen Verhältnisse, die zwischen Mensch und Mensch oder zwischen Menschengruppen und einzelnen Menschen oder auch zwischen verschiedenen Menschengruppen spielen können. Das alles wird das Wirtschaftsleben bewegen. Und auf diesen beiden Gebieten kommt eigentlich das zunächst gar nicht in Frage, was man «Recht» nennt, insofern diese beiden Gebiete ihre Angelegenheiten selbst besorgen.
Wenn man real denkt - natürlich denken heute die Menschen nicht real, sondern theoretisch, aus dem schon Bestehenden heraus, daher konfundieren sie dasjenige, was das Geistesgebiet schon an Rechtsideen hat, mit den Rechtsideen des Wirtschaftsgebietes -, wenn man real, praktisch denkt, so kommen im freien Geistesleben gar nicht in Betracht Rechtsimpulse, sondern es kommen in Frage Vertrauensimpulse, es kommen in Frage Fähigkeitsimpulse. Es ist einfach ein Unding, im freien Geistesleben davon zu sprechen, daß derjenige, der was kann, ein Recht hat zu wirken. Es kann gar nicht in Frage kommen, von einem solchen Recht zu sprechen, sondern man muß davon sprechen, daß man ihn braucht, daß er wirken soll. Derjenige, der Kinder unterrichten kann, den wird man selbstverständlich unterrichten lassen, und es wird keine Frage sein, ob da eine Berechtigung vorliegt oder nicht; es ist nicht irgendwie eine Frage des Rechtes als solchem. Ebenso ist es im Wirtschaftsleben. Da werden entweder schriftliche oder mündliche Verträge eine Rolle spielen, und das Vertrauen in das Verträge-Einhalten wird eine Rolle spielen müssen. Daß die Verträge eingehalten werden, das wird sich, wenn das Wirtschaftsleben ganz auf sich selber gestellt ist, dadurch ergeben, daß das Wirtschaftsleben einfach nicht funktionieren kann, wenn Verträge nicht eingehalten werden.