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Weltenrichter als Anthromorphismus
Quelle: GA 197, S. 015, 1. Ausgabe 1967, 05.03.1920, Stuttgart
Daß der Mensch heute intellektualistisch denkt, das beruht darauf, daß er einen mineralischen Körper als Einschluß bekommen hat. Wir brauchen als Mensch diesen mineralischen Körper zu nichts notwendiger als zu unserem Denken. Aber gerade durch die Aufgabe des Mineralreiches im Irdischen hat sich das alte bildhafte Denken, das sich nicht durch das Mineralreich, sondern durch das Reich, das man das dritte Elementarreich nennt, ausgebildet hatte, umgewandelt. Dadurch hat sich umgewandelt dieses vorirdische Vorstellen in das irdische, denkerische Vorstellen. Dadurch aber sind im Weltenzusammenhange gewissermaßen auch diejenigen Wesen abgesetzt, mit denen sich der Mensch verbunden denken mußte für sein bildhaftes Vorstellen in jener alten Vorzeit, von der ich gesprochen habe. Aber diese Wesenheiten müssen wir uns doch etwas anders vorstellen, als wir gewohnt sind, uns außermenschliche Wesenheiten vorzustellen. Da werden ja die Menschen, sobald sie überhaupt anfangen, noch aus gutem Willen ein Übersinnliches zuzugeben, vielleicht zu sehr anthropomorphisierend. Der Anthropomorphismus ergreift dann das Menschenwesen. Die Menschen stellen sich alles, was über ihrer Sphäre liegt, vor in ihrem Sinn. Dann ist es leicht, Feuerbach und Büchner Anthropomorphismus vorzuwerfen. Wir haben ja wahrhaftig vieles von dieser Art erlebt. Wir haben erlebt, daß sich im Abendlande die juristische Denkweise ausgebildet hat, nach der irdische Vergehen und Verbrechen von irdischen Richtern beurteilt und mit Strafen belegt werden und so weiter. Es ist nach und nach das überirdische, im Sinne eines unvollkommenen Christentums gedachte Belohnen und Bestrafen der Sünde, gar sehr nach dem Muster eines irdischen Gerichtshofes gedacht worden. Wir haben in unseren religiösen Vorstellungen des Abendlandes viel menschliche Juristerei drinnen. Wir lassen die Götter solche Strafen vollziehen, wie wir sie von irdischen Gerichtshöfen gewohnt sind. Aber wir müssen uns entschließen, wenn wir wirklich über das Menschliche hinauskommen wollen, nicht bloß anthropomorphistisch vorzustellen, sondern, was ja gerade im Menschenleben das Wesentliche ist, tatsächlich dann auch wirklich über das Anthropomorphistische hinauszudenken.