Unpolitisches Geistesleben durch Dreigliederung erst zu erringen

Quelle: GA 337a, S. 160-161, 1. Ausgabe 1999, 03.03.1920, Stuttgart

Man muß bewegliche Begriffe haben. Das wollen die Leute heute nicht; sie wollen eingeschachtelte Begriffe haben. Sie wollen überhaupt nicht hinausdenken in die Wirklichkeit. Solche Dinge könnten sonst nicht entstehen, daß zum Beispiel die Leute sagen: Anthroposophie gefällt mir ganz gut, aber von der Dreigliederung will ich nichts wissen. - Wer so spricht, gleicht ungefähr demjenigen, der sagt: Ja, für das Geistige interessiere ich mich, aber dieses Geistige darf nicht in das Politische übergreifen; dieses Geistige muß unabhängig sein von dem Politischen. Ja, meine lieben Freunde, das will ja gerade die Dreigliederung erreichen. Aber weil das Geistige heute nirgends unabhängig ist, so ist das eine Illusion, wenn Sie glauben, sich nur interessieren zu können für bloß Geistiges. Damit Ihr abstraktes Ideal konkret werden kann, damit Sie etwas haben, wofür Sie sich interessieren können, ohne daß es von Politik beeinflußt ist, muß die Dreigliederung erst ein solches Gebiet erkämpfen, damit ein Gebiet da ist, auf dem man sich nicht für Politik zu interessieren braucht. Die Dreigliederung kämpft gerade für dasjenige, in dem die schläfrigen Seelen sich wohlfühlen wollen, es aber nur als Illusion vor sich haben. Diese schläfrigen Seelen - oh, man möchte sie so gerne aufwecken! -, sie fühlen sich so ungeheuer wohl, wenn sie innerlich Mystiker sind, wenn sie die ganze Welt erfassen innerlich, wenn sie den Gott in ihrer eigenen Seele entdecken und dadurch so vollkommene Menschen werden! Aber diese Innerlichkeit hat nur einen Wert, wenn sie heraustritt ins Leben. Ich möchte wissen, ob sie einen Wert hat, wenn jetzt, in der Zeit, wo alles drängt, wo die Welt in Flammen steht, der Mensch nicht den Weg findet, mitzusprechen in den öffentlichen Angelegenheiten. Das ist ein schönes Interesse für Anthroposophie, das sich nur für Anthroposophie interessieren will und nicht einmal die Möglichkeit findet, mitzureden bei dem, wozu Anthroposophie anregen will. Diejenigen Anthroposophen, die sich nur für Anthroposophie interessieren wollen und nicht für das, was aus Anthroposophie werden kann dem Leben gegenüber, die gleichen einem Menschen, der wohltätig ist nur mit dem Munde, aber sonst schnell die Taschen zumacht, wenn er wirklich wohltätig sein sollte. Deshalb ist das, was bei den Leuten zu finden ist, die sich nur in ihrer Art für Anthroposophie interessieren wollen, anthroposophisches Geschwätz. Die Wirklichkeit der Anthroposophie ist aber dasjenige, was in das Leben übergeht.