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Boden und Produktionsmittel: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Quelle: GA 337a, S. 157-160, 1. Ausgabe 1999, 03.03.7920, Stuttgart
Meine lieben Freunde! Mit Bezug auf die Unterscheidung von Grund und Boden und Produktionsmitteln ist schon das Wesentliche, dass Grund und Boden etwas Begrenztes ist, nichts Elastisches ist, daß er in bestimmtem Sinne nicht vermehrt werden kann, während die Produktionsmittel, die selbst durch menschliche Arbeit entstehen, vermehrt werden können, und durch die Vermehrung der Produktionsmittel kann eben die Produktion wiederum erhöht werden.
Nun, wenn man solche Unterscheidungen angibt, handelt es sich ja darum, dass man oftmals natürlich von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehen muss. Indem man Grund und Boden vom Produktionsmittel unterscheidet, bezeichnet man dasjenige, was zunächst da ist und nicht durch Menschenhände hergestellt worden ist, als «Grund und Boden». Für den volkswirtschaftlich Betrachtenden gehört eine Kuh, die der Mensch durch seine Arbeit nicht selbst fabriziert, eben einfach zu «Grund und Boden», solange sie nicht geschlachtet wird; wenn sie geschlachtet wird, ist sie selbstverständlich eine Ware. Dann tritt sie aber in einer ganz bestimmten Weise auf dem Warenmarkte auf, und man hat es mit zwei Tatsachen zu tun:
erstens mit der Tatsache, dass sie entzogen wird der Produktionskraft des Grund und Bodens, und zweitens mit der anderen Tatsache, dass sie als Ware auftritt; die Kuh ist in einem gewissen Sinne ein Grenzprodukt. Solche Grenzprodukte gibt es überall. Aber es handelt sich darum, dass man gewissermassen das festhält, was man im Auge hat, indem man die Benennungen ja hernehmen kann von dem jeweils charakteristischen Repräsentanten.
Nicht wahr, im wirtschaftlichen Prozeß hat man es erstens zu tun mit dem, was notwendig ist zur Produktion, was aber nicht selbst produziert werden kann. Dazu gehört der Grund und Boden selbst und auch einiges andere; man faßt dies einfach zusammen unter «Grund und Boden». Zweitens gehört in den wirtschaftlichen Prozeß hinein alles, was dazu dient, anderes zu produzieren, was aber vorher selbst produziert werden muß, wie zum Beispiel Maschinen. Im volkswirtschaftlichen Zusammenhange gesehen fällt der Prozeß des Arbeitens, die Arbeit, die verwendet werden muß zur Herstellung der Produktionsmittel, bei Grund und Boden weg. Das ist das volkswirtschaftlich Wesentliche:
Produktionsmittel sind nur so lange unter dem Gesichtspunkte des Arbeitsäquivalents zu betrachten, bis sie als Produktionsmittel für die Produktion fertig sind. In dem Augenblick, in dem Produktionsmittel da sind, stellen sie sich eigentlich in den Wirtschaftsprozeß genauso hinein wie Grund und Boden. Solange man an Produktionsmitteln arbeitet und die Volkswirtschaft in Anspruch nehmen muß, um an den Produktionsmitteln arbeiten zu können, solange muß ein Unterschied gesehen werden, wie Produktionsmittel und Grund und Boden in die Volkswirtschaft hineingestellt sind. In dem Augenblick, wo die Produktionsmittel fertig sind, unterliegen sie derselben volkswirtschaftlichen Kategorie wie der Grund und Boden. Solange ich an der Lokomotive noch zu fabrizieren habe, muß ich den volkswirtschaftlichen Prozeß, in dem das Fabrizieren der Lokomotive vor sich geht, anders beurteilen als in dem Augenblick, wo sie fertig ist. Wenn sie [als fertiges Produktionsmittel] auf den Schienen steht und bewegt wird durch die Menschen für weitere Produktion, steht sie im volkswirtschaftlichen Prozeß ebenso drinnen wie Grund und Boden. Das ist die Schwierigkeit in der Unterscheidung, daß tatsächlich das fertige Produktionsmittel derselben Kategorie untersteht wie Grund und Boden.
Was an Arbeit aufgewendet werden muß, um ein Produktionsmittel zu schaffen, ist das Wesentliche, und das kommt bei Produktionsmitteln dazu und das fehlt bei Grund und Boden. Das hängt natürlich mit folgendem zusammen. Würde der Grund und Boden elastisch sein, würde man ihn vermehren können, dann müßte er entweder selber wachsen oder aber die Menschen müßten ihn hervorbringen können. Ich will diese Frage aber nicht weiter erörtern. Daß eben der Grund und Boden in bestimmtem Ausmaß da ist, dadurch unterscheidet er sich von den Produktionsmitteln. Er kann nur stärker oder schwächer ausgenützt werden, wodurch er wieder den Produktionsmitteln ähnlich wird.
Nun muß man natürlich auch das dritte Glied etwas ins Auge fassen, die eigentliche Ware. Sie ist dadurch charakterisiert, daß sie verbraucht wird. Da- durch ist sie im volkswirtschaftlichen Prozeß etwas wesentlich anderes als das Produktionsmittel, das selbst nicht unmittelbar verbraucht, sondern nur ab- genützt wird. Damit ist Ware aber auch wieder etwas anderes als Grund und Boden, der ebenso wenig dem Verbrauch dient, sondern höchstens verbessert werden muß und so weiter.
Damit sind diese drei Dinge als wesentlich verschieden im volkswirtschaftlichen Prozeß zu unterscheiden: 1. der Grund und Boden, der [vorhanden ist], ohne daß menschliche Arbeit darauf aufgewendet worden ist; 2. das Produktionsmittel, das beginnt, wenn menschliche Arbeit verwendet worden ist; beide - Grund und Boden und Produktionsmittel - sind nicht zum unmittelbaren Verbrauch da; 3. die Ware, die zum unmittelbaren Verbrauch da ist.
Aber sehen Sie, die Sache liegt ja so, daß das Ganze wiederum auch eine Zeitfrage ist. Denn in dem Augenblick, wo Sie darüber nachdenken, daß ja Produktionsmittel, zum Beispiel maschineller Art, innerhalb einer gewissen Zeit aufgebraucht sind, in diesem Augenblick erscheinen Ihnen die Produktionsmittel als Ware - nur als Ware, die eben eine längere Zeit braucht, um verbraucht zu werden. Wenn man Unterscheidungen macht im Leben, so haben diese Unterscheidungen die Eigenschaft, daß sie höchst unbequem sind; sie sind überhaupt niemals so, daß man strikte einteilen kann. Man muß in diesen Fragen beweglich bleiben. Denn in der Tat, die Produktionsmittel haben in einer gewissen Weise auch Warencharakter. Diesen Warencharakter, wie ihn die Produktionsmittel haben können, hat Grund und Boden nicht in derselben Weise, weshalb man da wiederum einen strengeren Unterschied machen muß. Es ist überhaupt bei Grund und Boden ein Unfug, ihn unter rein geld- kapitalistischen Gesichtspunkten mit dem Warencharakter auszustatten.
Also Sie sehen, wenn man irgend etwas anwendet in der Wirklichkeit, so darf man nicht bei abstrakten Begriffen stehenbleiben. Das ist nämlich etwas, was die Leute beim Lesen der «Kernpunkte der Sozialen Frage» als Einwand geltend machen: sie möchten hübsch eingeschachtelte Begriffe haben. Dann ist das für sie schön, was sie lesen; dann weiß man doch, wenn man eine halbe Seite gelesen hat, was man gelesen hat. In der Wirklichkeit ist ein Produktionsmittel aber nur zu erfassen, wenn man weiß: es wird zunächst nicht verbraucht, aber wenn man es über einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, ist es gleich einer Ware. Also muß man bedenken, daß das Produktionsmittel sowohl die Eigenschaft des Verbrauchtwerdens wie des Nichtverbrauchtwerdens hat und der Begriff dem entsprechen muß.
Man muß bewegliche Begriffe haben. Das wollen die Leute heute nicht; sie wollen eingeschachtelte Begriffe haben. Sie wollen überhaupt nicht hinausdenken in die Wirklichkeit.
