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Motivation für Arbeit aus Respekt der Menschenwürde statt Arbeitszwang
Quelle: GA 024, S. 118-120, 2. Ausgabe 1982, 12.1919
In der Brotfrage steckt eine Frage der Naturgrundlage. Aber die ist für jedes nahrungsbedürftige Wesen vorhanden. In bezug auf sie kann von « sozialem Denken » gar nicht gesprochen werden. Dieses beginnt erst bei den Verrichtungen, denen der Mensch die Naturgrundlage durch sein Denken unterwirft. Durch sein Denken bemeistert er die Naturkräfte, durch sein Denken bringt er sich mit andern Menschen in einen Arbeitszusammenhang, der das der Natur abgerungene « Brot » in das soziale Leben hineinwebt. Für dieses Leben ist die Brotfrage eine Gedankenfrage. Es kann sich nur darum handeln, zu antworten auf die Frage: Welches sind die fruchtbaren Gedanken, die, zur Verwirklichung gebracht, aus der Menschenarbeit die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse hervorgehen lassen?
Man kann jedem Recht geben, der nun, nachdem er der gleichen Auseinandersetzungen gehört hat, sagt: das ist doch wahrlich eine primitive Weisheit. Wozu spricht man dergleichen Selbstverständlichkeiten erst aus? Oh, man unterließe das Aussprechen recht gerne, wenn nicht diejenigen Menschen, welche finden, daß sie auszusprechen überflüssig ist, dieselben wären, die zum Schaden des gesunden sozialen Denkens sie in den Wind schlagen mit ihrer Weisheit, daß « doch Gedanken kein Brot erzeugen können ».
Und so steht es auch mit der anderen Weisheit, durch die man sich von dem Ernste der sozialen Frage hinwegdrücken möchte: es handle sich vor allem darum, daß die Leute wieder arbeiten. Der Mensch arbeitet, wenn in seiner Seele der Gedanke keimt, der ihn zur Arbeit treibt. Soll er im Zusammenhange des sozialen Lebens arbeiten, so empfindet er sein Dasein nur als menschenwürdig, wenn in diesem Leben Gedanken walten, die ihm sein Mitarbeiten im Lichte dieser Menschenwürde erscheinen lassen. Gewisse, auch sozialistisch orientierte Kreise möchten allerdings diesen Antrieb zur Arbeit durch den Arbeitszwang ersetzen. Das ist eben ihre Art, sich von der Einsicht in die Notwendigkeit fruchtbarer sozialer Ideen hinwegzudrücken.