Menschliche Bedürfnisse sind international

Quelle: GA 332a, S. 200-201, 2. Ausgabe 1977, 30.10.1919, Zürich

Nun, ebenso wie es wahr ist, daß man, wenn man nur tief genug in die menschliche Natur hinuntergeht, mit der Entwickelung des Menschen bis zu einer objektiven Höhe hinaufsteigen kann, so daß man als Geistanschauung findet, was jeder andere jeder anderen Nation findet, so muß man sagen, daß auch die menschlichen Konsumbedürfnisse über die ganze Welt hin nicht berührt werden von den einzelnen Nationalismen. Die menschlichen Bedürfnisse sind international. Nur stehen sie polarisch gegenüber demjenigen, was das Internationale des Geistes ist. Das Internationale des Geistes muß das Verständnis liefern, muß in Liebe durchdringen können dieses Verständnis für die andere Nationalität, muß die Liebe ausdehnen können bis zur Internationalität im Sinne des vorhin Auseinandergesetzten. Der Egoismus aber ist ebenso international. Er wird nur eine Brücke schaffen können zu der Weltproduktion, wenn diese Weltproduktion aus einem gemeinsamen geistigen Verständnis, aus einer gemeinsamen geistigen Einheitsanschauung hervorgeht. Niemals werden aus den Volksegoismen heraus Verständnisse für die gemeinsame Konsumtion entstehen können, die auf dem gemeinsamen Egoismus beruht. Allein aber aus der gemeinsamen Geistanschauung kann sich das entwickeln, was nicht aus dem Egoismus, was schließlich aus der Liebe kommt, wie ich auseinandergesetzt habe, und was daher die Produktion beherrschen kann.

Wodurch ist die Forderung nach Weltwirtschaft entstanden? Weil durch das Kompliziertwerden der menschlichen Lebensverhältnisse über die ganze zivilisierte Welt hin immer mehr und mehr sich die Konsumbedürfnisse der Menschen vereinheitlicht haben, sich immer mehr und mehr zeigt, wie über die ganze zivilisierte Welt hin die Menschen dasselbe bedürfen. Wie wird diesem einheitlichen Bedürfnisse ein einheitliches Produktionsprinzip erwachsen können, das über die ganze Welt hin für die Weltwirtschaft wirksam sein wird? Dadurch, daß man aufsteigt zum geistigen Leben, so wie es hier gemeint ist, zur wirklichen Geistanschauung, die mächtig genug ist, um zur gemeinsamen Weltkonsumtion die gemeinsame Weltproduktion zu schaffen. Dann aber wird der Ausgleich geschaffen werden können, indem Einheit des Geistes zur Einheit der Konsumtion hinwirkt, dann wird der Ausgleich geschaffen werden in der Zirkulation, in der Vermittelung zwischen Produktion und Konsumtion.