Zitat P. Mackay bei sein Aufsatz zum Grundeinkommen in Steinerschen Zusammenhang.

Quelle: GA 332A, S. 055-058, . Ausgabe 1977, 25.10.1919, Zürich

Die Arbeit wird überhaupt kein Gebiet sein, das man zu regeln hat innerhalb des Wirtschaftslebens; die wird hinausgewiesen aus dem Wirtschaftsleben. Wenn die Arbeit im Wirtschaftsleben drinnensteht, so hat man die Arbeit aus dem Kapital heraus zu bezahlen. Dadurch wird gerade das bewirkt, was im neueren Wirtschaftsleben das Streben genannt werden kann nach bloßem Profit, nach bloßem Gewinn. Denn dadurch steht derjenige, der wirtschaftliche Produkte liefern will, ganz drinnen in einem Prozeß, der zuletzt seinen Abschluß findet im Markte.

Und hier müßte eigentlich von dem, der wirklich einsichtig werden will, eine Idee, ein Begriff zurechtgestellt werden, der heute sehr, sehr irrtümlich gestaltet ist.

Man sagt: Der kapitalistisch Produzierende bringt seine Produkte auf den Markt; er will profitieren. Und nachdem Rechte die sozialistisch Denkenden gesagt haben: Die ganze Sittenlehre hat gar nichts zu tun mit diesem Produzieren, allein das wirtschaftliche Denken —, will man heute gar sehr von ethischen, von sittlichen Gesichtspunkten aus den Profit, den Gewinn mit der Sittenlehre vermischen. Hier soll nicht gesprochen werden vom einseitig sittlichen, nicht vom einseitig wirtschaftlichen, sondern vom gesamtgesellschaftlichen Standpunkte aus. Und da muß man sagen: Was sich im Gewinn, im Profit zeigt, was ist es denn? Etwas, wovon man eigentlich im wirklichen volkswirtschaftlichen Zusammenhange nur so sprechen kann, wie man davon sprechen kann, wenn die Thermometersäule, die Quecksilbersäule im Zimmer steigt, daß es wärmer geworden ist. Wenn jemand sagt: Diese Quecksilbersäule zeigt mir, daß es wärmer geworden ist —, dann wird er wissen, daß nicht diese Quecksilbersäule das Zimmer wärmer gemacht hat, daß diese Quecksilbersäule nur anzeigt, daß es im Zimmer durch andere Faktoren wärmer geworden ist. Der Gewinn auf dem Markte, der sich ergibt unter unseren heutigen Produktionsverhältnissen, ist auch zunächst nichts anderes als der Anzeiger dafür, daß man die Produkte produzieren darf, die einen Gewinn abwerfen. Denn ich möchte wissen, woher in aller Welt man heute irgendeinen Anhaltspunkt dafür gewinnen sollte, daß ein Produkt zu produzieren sei, wenn es sich nicht herausstellt, daß es, wenn man es produziert und zu Markte bringt, einen Gewinn abwirft! Dies ist das einzige Kennzeichen dafür, daß man die wirtschaftliche Struktur so gestalten darf, daß dieses Produkt hervorkommt. Daß ein Produkt nicht produziert werden darf, zeigt sich nur dadurch, daß man,wenn man es zu Markte bringt, merkt: Es ist kein Absatz da. Die Menschen verlangen es nicht. Man erzielt keinen Gewinn. — Das ist der wirkliche Sachverhalt, nicht all das Gefabel und Gefasel, welches von Angebot und Nachfrage gesprochen worden ist in vielen Nationalökonomien. Das Urphänomen, die Urerscheinung auf diesem Gebiete ist, daß heute einzig und allein das Gewinnabwerfen den Menschen in den Stand setzt, sich zu sagen: Du kannst ein gewisses Produkt produzieren, denn es wird einen gewissen Wert haben innerhalb der menschlichen Gemeinschaft.

Die Umgestaltung des Marktes, der heute diese Bedeutung hat, wird sich ergeben, wenn ein wirkliches Assoziationsprinzip in unserem sozialen Leben drinnen sein wird. Dann wird nicht die unpersönliche, vom Menschen abgesonderte Nachfrage und das Angebot auf dem Markte entscheiden, ob ein Produkt produziert werden soll oder nicht, dann werden aus diesen Assoziationen durch das soziale Wollen der darin beschäftigten Menschen andere Persönlichkeiten hervorgehen, welche sich damit beschäftigen werden, das Verhältnis zu untersuchen zwischen dem Wert eines erzeugten Gutes und seinem Preise.

Der Wert eines erzeugten Gutes kommt heute in einer gewissen Beziehung gar nicht in Frage. Er bildet allerdings den Antrieb zur Nachfrage. Aber diese Nachfrage ist ja deshalb in unserem heutigen sozialen Leben eine recht problematische, weil ihr immer die Frage gegenübersteht, ob auch zur Nachfrage die entsprechenden Mittel, die entsprechenden Besitzverhältnisse vorhanden sind. Man kann gut Bedürfnisse haben: wenn man nicht die nötigen Mittel besitzt, sie zu befriedigen, so wird man sie gar nicht nachfragen können. Aber es handelt sich darum, daß ein Verbindungsglied geschaffen werden muß zwischen den menschlichen Bedürfnissen, die den Gütern, den Erzeugnissen ihren Wert geben, und den Preisen. Denn was man bedarf, hat je nach diesem Bedürfnis seinen menschlichen Wert. Es werden sich Einrichtungen herausgliedern müssen aus der sozialen Ordnung, die die Brücke schaffen von diesem Wert, der den Erzeugnissen aufgedrückt wird durch die menschlichen Bedürfnisse, und den Preisen, die sie haben müssen.

Heute wird der Preis bestimmt durch den Markt, danach, ob Leute da sind, die diese Güter kaufen können, die das nötige Geld haben. Eine wirkliche soziale Ordnung muß dahin orientiert sein, daß die Menschen, die aus ihren berechtigten Bedürfnissen heraus Güter haben müssen, sie auch bekommen können, das heißt, daß der Preis dem Werte der Güter wirklich angeähnelt wird, daß er ihm entspricht. An die Stelle des heutigen chaotischen Marktes muß eine Einrichtung treten, durch welche nicht etwa die Bedürfnisse der Menschen, der Konsum der Menschen tyrannisiert wird, wie durch Arbeiter-Produktivgenossenschaften oder durch die sozialistische Großgenossenschaft, sondern durch welche der Konsum der Menschen erforscht und danach bestimmt wird, wie diesem Konsum entsprochen werden soll.

Dazu ist notwendig, daß unter dem Einfluß des Assoziationsprinzipes wirklich die Möglichkeit herbeigeführt werde, Ware so zu erzeugen, daß sie den beobachteten Bedürfnissen entspreche, das heißt, Einrichtungen müssen da sein mit Personen, die die Bedürfnisse studieren. Die Statistik kann nur einen Augenblick aufnehmen; sie ist niemals für die Zukunft maßgebend. Die Bedürfnisse, die jeweils vorhanden sind, müssen studiert werden, danach müssen die Einrichtungen für das Produzieren getroffen werden. Wenn ein Artikel irgendwie die Tendenz entwickelt, zu teuer zu werden, dann ist das ein Zeichen dafür, daß zu wenige Menschen für diesen Artikel arbeiten. Es müssen Verhandlungen gepflogen werden, durch die aus anderen Produktionszweigen zu diesem Produktionszweig arbeitende Menschen übergeführt werden, so daß mehr von diesem Artikel erzeugt wird. Hat ein Artikel die Tendenz, zu billig zu werden, verdient sein Erzeuger zu wenig, dann müssen Verhandlungen eingeleitet werden, durch die weniger Menschen gerade an diesem Artikel arbeiten. Das heißt: Von der Art und Weise, wie die Menschen an ihre Plätze gestellt werden, muß in der Zukunft abhängig werden, wie die Bedürfnisse befriedigt werden. Der Preis des Produkts bedingt sich durch die Zahl der Menschen, die daran arbeiten. Aber er wird durch solche Einrichtungen dem Werte ähnlich sein, gleich sein im wesentlichen dem Werte, den das menschliche Bedürfnis dem betreffenden erzeugten Gut beizulegen hat.

Da sehen wir, wie an der Stelle des Zufallsmarktes die Vernunft der Menschen wirken wird, wie der Preis zum Ausdruck bringen wird, was die Menschen verhandelt haben, in welche Verträge die Menschen eingegangen sind durch die Einrichtungen, welche bestehen. So sehen wir die Umwandelung des Marktes gegeben dadurch, daß Vernunft tritt an die Stelle des Marktzufalles, der heute herrscht.

332a

10 David Ricardo, 1772-1823, englischer Volkswirtschafter, der bedeutendste Theoretiker der klassischen Schule der englischen Volkswirtschaftslehre neben Adam Smith. Auf dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit entwickelte er eine Werttheorie und vor allem seine eigene «Grundrententheorie», u. a. Hauptwerk: «Grundsätze der Volkswirtschaft und Besteuerung», 1817, deutsch 1923.