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Keine Demokratie innerhalb des Geisteslebens
Quelle: GA 329, S. 222, 1. Ausgabe 1985, 14.10.1919, Bern
Und nun zeigt sich gerade an den verschiedenen Einwürfen, die gemacht worden sind, wie wenig man den Grundgedanken heute noch verstanden hat. So zum Beispiel erschien in einer Zeitschrift eine lange Besprechung dieser Dreigliederung des sozialen Organismus, und es wurde gesagt: Ja, der will drei Parlamente an die Stelle des einen Parlamentes setzen - ein geistiges Parlament, ein Rechtsparlament und ein Wirtschaftsparlament. Worauf es ankommt, ist aber dieses,daß in einem demokratischen Parlament nur entschieden werden kann dasjenige, wozu urteilsfähig geworden ist jeder Mensch, wozu keine Sach- und Fachkenntnis gehört, und daß gerade ausgeschieden werden soll dasjenige, wozu Sach- und Fachkenntnis gehört. Also, wenn auf dem Gebiete des geistigen Lebens und auf dem Gebiete des Wirtschaftslebens kein Parlament dasein darf, so [deshalb, weil dort] die Sache eben umgekehrt ist. Es handelt sich also darum, ehrlich den Parlamentarismus zu verwenden, indem man ihn auf dasjenige Gebiet beschränkt, auf dem er sich wirklich sachgemäß ausleben kann. Daraus aber sieht man, daß der Nerv eigentlich wenig bis heute verstanden worden ist.
Anmerkung: Auch heute liegt das grundsätzliche Missverständnis darin, dass man unter „Selbstverwaltung“ einen Staat im Staat versteht, d.h., die demokratischen Prozesse als private Institution nachbaut, und sich dann „außerhalb“ der Staatsverwaltung wähnt. Solche Prozesse sind z.B. das Abstimmen, das Verfassen von Leitlinien, die Ämterwahl, oder die rechtliche Abhängigkeit als solche. Die Dreigliederung führt das soziale Leben jedoch auf drei verschiedenartige zwischenmenschliche Prozesse zurück. Innerhalb des Gebiets des Geisteslebens muss erst das Äquivalent für die demokratischen Prozesse gefunden werden. Der Mensch hat aber im Laufe der Geschichte das Prinzip der staatlichen Verwaltung verinnerlicht. Darin liegt die eigentliche Schwierigkeit. Nicht der Staat ist die große Hürde für die soziale Dreigliederung, sondern die Tatsache, dass „freie“ Initiativen instinkthaft das Prinzip der Staatlichkeit ausbilden, sobald sie sich selbst „verwalten“ sollen. Was „Verwaltung“ bedeuten kann, sofern sie nicht auf einer wie auch immer gearteten Rechtsabhängigkeit, sondern ausschließlich auf der Freiheit des Individuums beruht, liegt für gewöhnlich jenseits des Vorstellungsvermögens des gegenwärtigen Menschen. Insofern hat das Studium der Idee der sozialenDreigliederung Meditations-Charakter, und ist Voraussetzung für die Gründung einer „freien“ Einrichtung. Die folgenden Zitate enthalten Hinweise darauf, was mit einer „Selbstverwaltung“ im Sinne eines „freien Geisteslebens“ konkret gemeint ist.