Parlament voll von egoistischen Interessen

Quelle: GA 296, S. 106, 4. Ausgabe 1991, 17.08.1919, Dornach

Diese Änderung der Menschheit, dieses Gleichgültigwerden der Menschheit gegenüber den großen Schicksalen des Daseins, das ist die auffälligste Erscheinung. Es prallt ja alles ab von der Menschheit heute. Die umfassendsten, einschneidendsten, intensivsten Tatsachen nimmt man auf wie eine Sensation. Sie wirken nicht erschütternd genug. Und das rührt nur davon her, weil der immer stärker und stärker werdende intelligente Egoismus die Interessen der Menschen einengt. Daher können die Menschen heute noch so gut Demokratien haben, Parlamente haben - wenn sie schon zusammenkommen in den Parlamenten, die Schicksale der Menschheit wehen nicht durch diese Parlamente, denn die Leute, die zumeist in die Parlamente gewählt werden, werden nicht durchweht von dem Schicksal der Menschheit. Es wehen die egoistischen Interessen. Jeder hat sein eigenes egoistisches Interesse. Äußerliche schematische Ähnlichkeiten in den Interessen, wie sie oftmals durch den Beruf hervorgerufen werden, lassen die Menschen sich gruppieren. Und wenn die Gruppen genügend groß sind, lassen sie sie zu Majoritäten werden. Und dann gehen nicht Menschenschicksale durch die Parlamente oder durch die Menschenvertretungen durch, sondern nur der Egoismus, multipliziert mit so und so vielen Personen.