Was macht einen Menschen zum „Lehrer“?

Quelle: GA 330, S. 322-323, 2. Ausgabe 1983, 19.06.1919, Stuttgart

Bezüglich der Lehrerfrage wird sich aus allerlei Voraussetzungenergeben, daß es sich in der Zukunft darum handeln wird, daß eineSelektion, eine Auswahl für den Lehrstand stattfindet und man nicht bloß durch Examina, durch eine gewisse Summe von Wissen zum Lehrstand zugelassen wird. Das Wissen kann man sich unter Umständen später in wenigen Stunden aneignen, das kann man nachholen aus den verschiedenen Handbüchern. Auf die ganze Persönlichkeit, auf die innerste Begabung des Lehrers kommt es an. Ich meine natürlich nicht, daß man, wenn man früher nicht in diesem Wissen drinnen gestanden hat, es sich später leicht in ein paar Stunden aneignen kann. Sondern wenn man es gerade braucht - man muß natürlich früher drinnen gestanden haben -, dann kann man es sich später, wo es nötig ist, auch leicht wieder aneignen. Darauf kommt es an, daß eine gewisse Garantie geschaffen wird für das, was den Lehrer zum Lehrer bestimmen soll, eine Garantie dafür, daß er durch seine ganze Persönlichkeit so in der Menschheitskultur drinnen steht, daß von ihm etwas übergehen kann auf den Schüler, was dann in autoritativer Weise wirken kann. Das sind Dinge, die viel tiefer und gründlicher betrachtet werden müssen, als es heute oftmals versucht wird, als daß man solche abstrakten Dinge vorbringt wie «Führerschaft» und «Gefolgschaft» oder wie die «Schulgemeinschaft ». - Ich bitte noch zu berücksichtigen, daß ich von «Schulgemeinden» gesprochen habe. - Es kommt darauf an, daß man die Dinge so nimmt, wie sie gesagt sind, und nicht, daß man sie erst übersetzt in ein abstraktes Programm, das man sich erst selbst gemacht hat.