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Konsumorientierung statt Anarchie von Angebot und Nachfrage
Quelle: GA 331, S. 128-129, 1. Ausgabe 1989, 05.06.1919, Stuttgart
Sehen Sie, bei der heutigen Struktur der Gesellschaft läßt sich eigentlich gar nicht anders produzieren als im Hinblick auf den Profit. Das Prinzip, zu produzieren, um zu konsumieren, das muß erst geschaffen werden! Und von diesem Prinzip wird wiederum abhängen, ob in einer entsprechenden Weise Wege für eine Güterverteilung gefunden werden können. Es wird viel davon abhängen, daß man über einen großen Bereich hin, ich möchte sagen, eine wirtschaftliche Urzelle findet.
Diese wirtschaftliche Urzelle - ich möchte wenigstens mit ein paar Worten kurz von ihr sprechen -, worin besteht sie denn? Geht man nicht vom Produzieren, sondern vom Konsumieren, von der Befriedigung der Bedürfnisse aus, so handelt es sich darum, daß wir erst zu einem praktikablen Ergebnis dessen kommen müssen, was im Sinne der Bedürfnisbefriedigung zu einer sachgemäßen Preisbildung führt. Das geschieht nämlich heute in anarchisch-chaotischer Weise durch Angebot und Nachfrage, und da steckt viel drinnen von der Unmöglichkeit, heute überhaupt zu etwas zu kommen. Mit der Formel von Angebot und Nachfrage wird man nicht zu dem Ziel kommen, zu produzieren, um zu konsumieren. Nicht wahr, um zu dem Ziel zu gelangen, ist es
notwendig, daß das, was ich produziere, im Vergleich zu anderen Gütern so viel wert sein muß, daß ich dafür eintauschen kann, ganz gleich, wie sich der Tausch gestaltet, alle diejenigen Güter, die meine Bedürfnisse befriedigen bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich ein gleiches Produkt wie jetzt hervorgebracht habe. Dabei muß dann alles das mit eingerechnet werden, was man als Beitrag zu leisten hat für diejenigen, die zur Zeit nicht unmittelbar selbst produzieren können, also für Kinder, die erzogen werden müssen, für Arbeitsunfähige und so weiter. Wovon man also ausgehen muß, das ist, sich klar zu werden über diese wirtschaftliche Urzelle. Erst dadurch wird es möglich, auf wirtschaftlichem Boden eine gerechte Preisbildung zu erreichen, so daß man dann in der Zukunft nicht wiederum, wenn man auf der einen Seite mehr verdient, auf der anderen Seite mehr ausgeben muß, weil die Dinge selbstverständlich unter dem Einfluß des Mehrverdienstes teurer werden.
Heute noch beklagt man sich immer wieder darüber, daß zwischen Warenpreis und Löhnen ein unnatürliches Verhältnis besteht. Die Sozialisierung wird das große Problem zu lösen haben, diesen Unterschied zwischen Warenpreis und Löhnen überhaupt aus der Welt zu Schaffen, weil der Lohn als solcher aus der Welt geschafft werden muß, weil die Möglichkeit gegeben werden muß, daß es in Zukunft grundsätzlich keinen Lohnarbeiter mehr gibt, sondern den freien Genossen, den freien Mitarbeiter des geistigen Arbeiters, des geistigen Leiters, weil das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in der heutigen Form überhaupt zur Unmöglichkeit werden muß. Erst dann, wenn es möglich ist, alles das auszumerzen, was heute da ist und was die Preisbildung verunreinigt, erst dann ist es möglich, eine wirkliche Sozialisierung zu erreichen.
