Wirtschaftsleben gewinnt durch Masse, Geistesleben dagegen durch Einsamkeit

Quelle: GA 337a, S. 027-032, 1. Ausgabe 1999, 25.05.1919, Stuttgart

Daher betrachte ich es heute als das Allernotwendigste, daß wir überhaupt nicht Gesetze schaffen, durch welche Betriebsräte eingesetzt werden, sondern daß wir die Möglichkeit haben, aus allen Formen des Wirtschaftslebens heraus Betriebsräte zu schaffen - so daß sie zunächst da sind - und aus diesen Betriebsräten hervorgehen zu lassen eine Betriebsräteschaft, die erst einen wahren Sinn dann hat, wenn sie die Vermittlung bildet zwischen den einzelnen Produktionszweigen. Eine Betriebsräteschaft, die bloß für einzelne Zweige da ist, hat nicht viel Bedeutung, sondern erst, wenn hauptsächlich zwischen den Produktionszweigen, die in Wechselwirkung stehen, die Tätigkeit der Betriebsräte sich entfalten wird, dann haben sie einen Sinn.

Ich sagte deshalb: Der einzelne Betriebsrat hat eigentlich mehr oder weniger im Betrieb nur einen Sinn, wenn er eine informatorische Bedeutung hat. Das, was aus dieser Betriebsräte-Idee gemacht werden muß im Wirtschaftsleben, das kann eigentlich nur die Betriebsräteschaft als ganzes machen, denn es kann in der Zukunft nur ein Segen für die einzelnen Betriebe resultieren, wenn die Betriebsräte hervorgehen aus der Struktur des ganzen Wirtschaftslebens. So denke ich mir, daß tatsächlich in der Betriebsräteschaft als ganzes das Schwergewicht liegt, also in dem, was zwischen den Betriebsräten der einzelnen Fabriken verhandelt wird, und nicht in dem, was nur in den einzelnen Fabriken geschieht. [...]

Ich glaube sagen zu können mit Bezug auf all das, was der einzelne Mensch geistig an schönen Idealen hervorbringen kann: «Oaner is a Mensch, zwoa san Leit', san's mehra, san's Viecher.» - Sobald wir aber auf dasjenige Denken kommen, das in der sozialen Einrichtung sich verwirklichen soll, gilt der umgekehrte Grundsatz: «Ein einzelner ist nichts, mehrere sind ein bisserl was, und viele sind die, die es dann machen können.» - Weil, wenn zwölf zusammensitzen aus den verschiedensten parteipolitischen Richtungen mit dem guten Willen, ihre einzelnen Erfahrungen als Teilerfahrungen zusammenzufassen, so haben wir nicht bloß eine Summe von zwölf verschiedenen Meinungen, sondern indem diese Meinungen wirklich in Aktion treten, entsteht eine Potenzierung dieser zwölf Impulse. Also eine ganz ungeheure Summe von wirtschaftlichen Erfahrungen bildet sich einfach dadurch, daß wir die Menschenmeinungen sozialisieren in dieser Weise. Das ist dasjenige, worauf es ankommt.