Arbeiter auch als Produzenten statt nur als Konsumenten einbeziehen

Quelle: GA 337a, S. 026-027, 1. Ausgabe 1999, 25.05.1919, Stuttgart

So wie sich die Struktur des Wirtschaftslebens entwickelt hat, so leidet dieses Wirtschaftsleben daran, daß eine Harmonisierung der Interessen innerhalb der bestehenden Struktur gar nicht möglich ist. Ich will nur einiges davon andeuten. Unter der Entwicklung unseres Wirtschaftslebens wird zum Beispiel der Arbeiter gar nicht interessiert an der Produktion - ich sehe ab von der wirklich törichten Interessiertheit etwa durch Gewinnbeteiligung, die ich für unpraktisch halte. Der Arbeiter ist am Wirtschaftsleben, so wie die Dinge heute liegen, lediglich interessiert als Konsument, während der Kapitalist wiederum im Grunde genommen am Wirtschaftsleben nur interessiert ist als Produzent, und auch nur wiederum als Produzent vom Standpunkt des Ertrages - das ist sein Standpunkt, wirtschaftlich gesehen, es kann nicht anders sein. So haben wir heute gar keine Möglichkeit, eine wirkliche Harmonisierung der Konsumenten- und Produzenteninteressen irgendwie zu organisieren; sie ist nicht drinnen in unserer wirtschaftlichen Struktur.

Was wir erreichen müssen, ist, daß wir tatsächlich diejenigen Menschen, die an der Gestaltung der Wirtschaftsstruktur beteiligt sind, gleichermaßen interessieren für Konsum und Produktion, so daß bei niemandem, der gestaltend eingreift - nicht nur durch Urteil, sondern durch Tätigkeit -, ein einseitiges Produktions- oder Konsuminteresse bloß vorhanden ist, sondern daß durch die Organisation selbst gleichermaßen Interesse vorhanden ist für beides. Das ist nur dann zu erreichen, wenn wir in die Lage kommen, aus dem Wirtschaftsleben heraus selbst, und zwar aus allen Formen des Wirtschaftslebens heraus, die Menschen allmählich zunächst zur Bildung von kleinen Korporationen kommen zu lassen, die sich natürlich dann weiter zusammensetzen. Korporationen müssen es sein, aus dem Grunde, weil Vertrauen festgesetzt werden muß. Das ist nur dann möglich, wenn größere Korporationen einheitlich aus kleineren allmählich aufgebaut werden, also nur dann, wenn wir aus allen verschiedenen Formen des Wirtschaftslebens heraus die Persönlichkeiten mit ihren Urteilen und auch mit ihrem auf der wirtschaftlichen Grundlage bedingten Einfluß haben, die allseitig durch die Eignung für die Leitung des Wirtschaftslebens als solche sozial wirken. Wenn wir also sozialisieren wollen, so können wir das Wirtschaftsleben nicht sozialisieren durch Einrichtungen, sondern nur dadurch, daß wir die Menschen in der geschilderten Weise interessieren können an den Einrichtungen und sie fortwährend teilnehmen an diesen.