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Voller Arbeitsertrag bei Erhaltung des Kapitalismus heißt Lohn-Preis-Spirale
Quelle: GA 331, S. 065-066, 1. Ausgabe 1989, 22.05.1919, Stuttgart
Man kann ja einen Wirtschaftsbetrieb recht schön einrichten, wenn man ihn kapitalistisch läßt, das heißt die ganze Wirtschaft kapitalistisch läßt. Dann wird es vielleicht in den einzelnen Wirtschaftsbetrieben möglich sein, daß sogar das für den Arbeiter zustande kommt, was man so schön einen vollen Arbeitsertrag nennt, daß dann aber kein Mehrwert mehr erzeugt wird. Da wird zwar Walther Rathenau kommen und sagen: Der Mehrwert ist zu nichts anderem da als für die Rücklage, also für die fortlaufende Verbesserung der Produktionsmittel und die Vergrößerung des Betriebes. Es geht alles, was an Mehrwert erzeugt wird, wiederum in den Betrieb hinein. - Ich möchte dann bloß wissen, wovon diejenigen leben, die nicht mitarbeiten, sondern irgendwelche Tantiemen oder dergleichen beziehen, wenn alles wiederum in den Betrieb hineingeht. Nun ja, solche Leute kann man ja reden lassen. Aber viel wichtiger ist noch etwas ganz anderes.
Nehmen wir an, es würde der ganze Mehrwert einfach unter den Arbeitenden aufgeteilt. Glauben Sie, daß dann, wenn die alte kapitalistische Ordnung bliebe und wenn in einem Betrieb der Mehrwert unter den Arbeitenden aufgeteilt würde, daß dann ohne Mehrwert gearbeitet werden braucht? Man kann, wenn man die Wirtschaft nicht sozialisiert, trotzdem einen Mehrwert herausschlagen. Dann wird er nur nicht dem Lohn der Arbeiter abgezogen, sondern dann muß ihn der Konsument bezahlen. Es kommt nicht darauf an, daß kein Mehrwert erzeugt wird, sondern darauf, daß ihn der Produzent nicht zahlt ..., der Konsument ihn zahlen muß. Wer ist das aber? Auch wieder der Arbeiter. Nehmen Sie sich also zu Ihrem Lohn auch den Mehrwert dazu, so müssen Sie wiederum dasjenige, was Sie sich errungen haben, als Konsument bezahlen. Ein Loch stopfen Sie zu, das andere machen Sie wieder auf.
Aus diesem unnatürlichen Kreislauf des Wirtschaftslebens kann man niemals herauskommen, wenn man nicht das fünfte Rad am Wagen, das nur dazu da ist, damit sich die Leute, die nicht gearbeitet haben, etwas herausschlagen können, beseitigt. Dieses fünfte Rad trägt ja den Namen Kapital. Und man kommt aus diesem Kreislauf nicht heraus, wenn man nicht ein unmittelbares Verhältnis herstellt zwischen den Produktionsmitteln und dem geistigen Arbeiter auf der einen Seite und dem körperlichen Arbeiter auf der anderen Seite. Wenn man das nicht will, wenn man nicht herauswirft dieses fünfte Rad am Wagen, das nur denjenigen dient, die nicht arbeiten, so kommt man zu keiner Sozialisierung.
Wie Sie finden werden, ist die Hauptsache dessen, was in meinem Buch geschildert ist, daß dort wirklich angestrebt wird, das aus dem Wirtschaftsleben zu tilgen, was Kapital ist, und das, was ein Zwangsverhältnis der Arbeit ist. Das kann man nicht anders, als daß man einen Rechtsboden schafft, auf dem, vom Wirtschaftsleben unabhängig, die Arbeit geregelt wird, und daß man einen Geistesboden schafft, auf dem die menschlichen individuellen Fähigkeiten unabhängig vom Wirtschaftsleben geregelt werden. Dann werden sie in der richtigen Weise in das Wirtschaftsleben hineinfließen.