Grund und Boden sind niemals, die Produktionsmittel zeitweise Waren

Quelle: GA 331, S. 061-062, 1. Ausgabe 1989, 22.05.1919, Stuttgart

Worauf es nun ankommt, das ist, daß die Arbeitskraft aus dem Wirtschaftsprozeß heraus muß. Im Wirtschaftsprozeß darf nur Ware sein. Dadurch aber, daß der Wirtschaftsprozeß so verfälscht wird, kann in ihm auch noch anderes sein. Sehen Sie, die Sozialisten haben durch viele Jahrzehnte hindurch immer wieder den Ruf nach der Vergesellschaftung der Produktionsmittel ergehen lassen. Heute aber ist es erforderlich, daß man weiß, wie diese Vergesellschaftung der Produktionsmittel bewirkt werden muß. Es genügt nicht, daß man in abstrakter Form bloß den Ruf nach Vergesellschaftung ergehen läßt, sondern man muß wissen, wie diese vollzogen werden kann. Heute sind wir so weit, daß wir solche Dinge schon verwirklichen können, wenn wir nur wollen, wenn wir nur wirklich den Mut dazu haben.

Sehen Sie, bevor wir uns ganz genau unterrichten über die eigentümliche Stellung der Produktionsmittel im heutigen Wirtschaftsleben - im wesentlichen sind sie ja das Kapital -, ist es gut, wenn wir zuerst noch auf etwas anderes sehen.

Es können ja heute nicht bloß Waren gekauft werden, das heißt dasjenige, was im arbeitsteiligen sozialen Organismus durch menschliche Arbeitskraft erzeugt wird, sondern man kann heute noch etwas ganz anderes kaufen, was kein Mensch erzeugt, sondern was da ist von Natur aus, das ist der Grund und Boden. Aber dieses Kaufen von Grund und Boden beziehungsweise das Hypotheken-Nehmen auf Grund und Boden ist ja nur ein Verfälschungsprozeß der wirtschaftlichen Ordnung. Das ist ja etwas ganz anderes, als sich die Leute darunter eigentlich vorstellen. Man kann nämlich in Wirklichkeit den Grund und Boden nicht kaufen, denn Grund und Boden sind auch erst ein Wert, wenn darauf gearbeitet wird. Was man kauft, das heißt, was man durch den sogenannten Kauf erwirbt, das ist das ausschließliche Recht, den Grund und Boden zu benützen. Darauf kommt es nur an, auf dieses ausschließliche Recht, den Grund und Boden zu benützen.

Sie kaufen also nicht eine Ware, indem Sie Grund und Boden kaufen, sondern ein Recht. Und das sind die Krebsschäden der heutigen sozialen Ordnung, daß man innerhalb des Wirtschaftsprozesses nicht bloß Waren kaufen kann, sondern auch Arbeit und Rechte kaufen kann. Indem man Arbeit kaufen kann, erwirbt man die Möglichkeit, diese Arbeit in den Wirtschaftsprozeß hineinzuziehen, das heißt zu vergewaltigen.

Und indem man das Nutzungsrecht an Grund und Boden kaufen kann, erwirbt man Macht.

Man muß sich klar darüber sein, daß man aus dieser Kalamität überhaupt nicht herauskommt, wenn man der Sache nicht radikal zu Leibe rückt. Ganz genau denselben Wert, den im Wirtschaftsprozeß der Grund und Boden hat, oder besser gesagt dieselbe Bedeutung, haben aber fertiggestellte Produktionsmittel, nicht Produktionsmittel, die erst gemacht werden, sondern die fertiggestellten Produktionsmittel, die dann dazu dienen, daß mit ihnen weiter produziert wird. Diese fertiggestellten Produktionsmittel, die kann man in Wirklichkeit eigentlich auch nicht kaufen. Kauft man sie aber, dann erwirbt man in Wahrheit das Recht, sie ausschließlich zu benutzen. Also, man kauft wiederum ein Recht.

Und nun sehen Sie am allerbesten an diesen Produktionsmitteln, daß, wenn sie fertig sind, sie einfach nicht verkäuflich sein dürfen, daß aufhören müssen die Produktionsmittel auf dem Wirtschaftsmarkt einen Wert zu haben. Wenn sie fertiggestellt sind, dann sind sie gerade so wie Grund und Boden. Jetzt stellt sich die Frage, die ja eine wirklich soziale Forderung beinhaltet: Wie schaffen wir es, daß die Produktionsmittel nicht mehr länger einen Wirtschaftswert haben, wenn sie fertig sind? Wir schaffen es nur dadurch - ich habe es vorhin ja schon gesagt -, daß man alles das, was nicht in den Wirtschaftsprozeß hineingehört, in selbständige Glieder des sozialen Organismus übergehen läßt.