Individuelle Initiative als Bedingung der Weltwirtschaft

Quelle: GA 330, S. 207-208, 2. Ausgabe 1983, 16.05.1919, Stuttgart

Ein solches Rätesystem, welches nicht verhindert - das wird es sein, worauf es ankommt bei der praktischen Ausgestaltung -, daß im einzelnen maßgebend sein kann die Initiative des einzelnen im Wirtschaftsleben tätigen Menschen. Das kann, wenn Vertrauen herrscht, aber wirklich ausgebaut werden. Würde diese Initiative des einzelnen Menschen etwa durch das Rätesystem untergraben, dann würde alle Internationalität des Wirtschaftslebens aufgehoben. Diese Internationalität des Wirtschaftslebens würde ja ganz besonders aufgehoben - darüber machen sich heute die Menschen kaum eine Vorstellung, in welchem Grade -, wenn man statt der Sozialisierung eine Verstaatlichung, das heißt den Staatskapitalismus eintreten lassen würde, wenn man verquicken würde Wirtschaftsleben mit dem Staatsleben. Wenn der Staat wirtschaften würde, wie es manche anstreben - wer die tatsächlichen Verhältnisse kennt, weiß das -, dann würde es unmöglich sein, jene komplizierten Verhältnisse, welche die Internationalität des Wirtschaftslebens notwendig macht, zu beherrschen. Gliedert man ein wirkliches System von Wirtschafts-, Verkehrs-, Betriebsräten und ähnlichen Räten, die wahrhaftig nicht so viele Menschen zur Leitung aus der arbeitenden Menschheit herausnehmen werden wie die heutige Bürokratie, dann, wenn man bei der praktischen Ausführung noch dazu kommt, die Initiative des Verwaltungsmenschen nicht zu untergraben, dann werden all die feinen Apparate des Internationalismus trotz der Sozialisierung voll aufrecht erhalten werden können. Dann wird man bewirken, wenn die Räte wirkliche Räte sind, das heißt solche Institutionen, die Richtungen des Lebens geben werden, daß diese Räte es durch das Zusammenleben mit den Verwaltungsmenschen dahin bringen werden, daß der von ihnen mit Vertrauen begabte Verwaltungsmensch auch die Initiative in ihrem Sinne im einzelnen ergreifen kann. Die großen Linien der Einrichtungen werden immer von der Räteschaft ausgehen. Dasjenige, was Tag für Tag unternommen werden muß, das wird gerade dadurch aus der Räteschaft herausgehoben werden können. In dieser Beziehung kann derjenige, welcher sich das Wirtschaftsleben abgegliedert denken kann, gerade aus der Berücksichtigung all der Verhältnisse, die heute da sind, an Einrichtungen herangehen, welche die Errungenschaften der alten Kultur nicht abbauen, welche es aber möglich machen, daß innerhalb dieser Errungenschaften für alle Menschen ein menschenwürdiges Dasein herbeigeführt wird.