Wirklicher Vertrag setzt Verrechtlichung der Arbeitszeit voraus

Quelle: GA 331, S. 026, 1. Ausgabe 1989, 08.05.1919, Stuttgart

Das Arbeitsrecht sehe ich immer dann gefährdet, wenn es innerhalb des Kreislaufes des Wirtschaftslebens selbst geregelt werden soll. Jene Schäden, die vor allen Dingen im heutigen Wirtschaftskörper auftreten, werden gewöhnlich falsch beurteilt. Ich habe mir viel Mühe gemacht, mir nicht aus dem, was über die Dinge geschrieben worden ist - denn daraus ist in Wahrheit sehr wenig zu entnehmen -, sondern gerade aus dem Leben heraus ein entsprechendes Bild zu machen. Ich möchte diese Dinge heute nur kurz referieren, damit wir zu konkreten Fragen kommen können. Ich habe es in meinem Buch ja ausführlich begründet: Solange der Glaube herrscht, daß man das, was Arbeitszeit, was Maß und Art der Arbeit sein muß, innerhalb des Wirtschaftskörpers selbst regeln will, so lange kann der Arbeiter nicht zu seinem Recht kommen. Der Arbeiter muß bereits sein Arbeitsrecht voll geregelt haben, wenn er dem Arbeitsleiter nur irgendwie gegenübertritt. Nur dann ist er in der Lage, einen wirklichen Vertrag zu setzen an die Stelle der heutigen Scheinverträge, des Lohnvertrages, oder wie man es nennen will, der kein freier Vertrag ist, weil der Arbeiter nicht das Arbeitsrecht hinter sich hat, das ihn erst in die Lage versetzt, einen wirklich freien Vertrag zu schließen. In dieser Wirtschaftsordnung kann der Arbeiter nicht zu seinem Recht kommen, sondern nur durch die Abgliederung der gesamten Rechtsverhältnisse vom Wirtschaftsleben und ihrer Überführung in das, was an die Stelle des Staates zu treten hat.