Vergangenheit - Freiheit, Gegenwart - Gleichheit, Zukunft - Brüderlichkeit

Quelle: GA 192, S. 036-047, 1. Ausgabe 1964, 23.04.1919, Stuttgart

Heute möchte ich gewissermaßen episodisch etwas einfügen, was zu tun hat mit der das letztemal auch vor Ihnen hier erwähnten Dreigliederung des sozialen Organismus. Ich möchte es als Episode einfügen gewissermaßen zu einer tieferen geisteswissenschaftlichen Betrachtung der Sache. Natürlich, manches von dem, was auch unsere heutigen Ausführungen begründen wird, müssen Sie aus der Gesamtheit der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung nach und nach zusammennehmen. Man kann nicht in jedem einzelnen Vortrage weitläufig die Begründungen geben. Aber dasjenige, was uns äußerlich als die Notwendigkeit einer Dreigliederung des sozialen Organismus entgegentritt, das wollen wir heute einmal gewissermaßen von innen, von seiner Innenseite her betrachten, und es dadurch etwas vertiefen. Es ist eigentlich nicht schwierig für den, der sich etwas eingelebt hat in geisteswissenschaftliche Vorstellungen, bei sich eine Empfindung hervorzurufen von der großen Verschiedenheit der drei Lebensgebiete, in die der soziale Organismus nach unseren Intentionen gegliedert werden soll. Ist man nur einmal aufmerksam darauf, daß eine solche Dreigliederung etwas Ernsthaft-zu- Nehmendes ist, dann ergibt sich zunächst empfindungsgemäß eine mögliche Unterscheidung zwischen diesen drei Gebieten,die jedes einzelne stark unterschieden von den anderen wahrnehmen läßt.

Diese drei Gebiete, sie sind Ihnen ja jetzt schon hinlänglich bekannt: das Gebiet dessen, was wir das geistige Leben nennen, insofern dieses geistige Leben sich ausgestaltet, sich offenbart in dem, was wir die physische Welt nennen, also der ganze Umfang des sogenannten - wenn ich das paradoxe Wort brauchen soll - physischen Geisteslebens. Wir wissen ja, was wir darunter zu verstehen haben. Dazu wird alles das gehören, was zusammenhängt mit den individuellen Fähigkeiten und Begabungen des Menschen. Für uns ist, im Gegensatz zu den materialistisch gesinnten Menschen, das Geistesleben nämlich etwas weit Ausgedehnteres, wie wir gleich nachher sehen werden, als für den materialistisch gesinnten Menschen.

Wir sind nämlich genötigt, das Geistesleben viel materieller zu denken als die materialistischen Menschen, sofern wir vom physischen Geistesleben sprechen. Das hat ja schon manchen meiner Vorträge durchdrungen, daß das Geistesleben nur erfaßt werden kann, wenn man davon ausgeht, daß alles materielle Leben vom Geistigen wirklich konkret durchtränkt ist, so daß es für uns ein bloß Materielles gar nicht gibt, sondern immer dasjenige, was durch das Mittel des Materiellen sich offenbart, seinem inneren Wesen nach auch, ich sage auch, ein Geistiges ist. Kunst, Wissenschaft, Rechtsanschauungen, sittliche Impulse der Menschheit, alles das würde zunächst, grob gesprochen, den Umfang dieses Geisteslebens ausmachen. Vor allen Dingen aber würde in den Umfang dieses Geisteslebens fallen alles das, was zur Pflege der individuellen Begabungen gehört, also das gesamte Erziehungs-, Unterrichts- und Schulwesen.

Dann ist deutlich von diesem Leben eines wiederum zu unterscheiden, das in einer gewissen Weise zusammenhängt mit dem physischen Geistesleben, das aber doch sich prinzipiell von ihm unterscheidet. Das ist alles das, was man bezeichnen kann als Rechtsleben, als politisches Leben, als Staatsleben. Natürlich muß man sein Wahrnehmungsvermögen etwas einstellen auf deutliche Unterscheidungen auf diesem Gebiet, wenn man nicht in den Fehler verfallen will, sich zu sagen: das Rechtsleben ist ja im Grunde genommen das, was Rechtlichkeit ist. Aber wir, die wir gewohnt sind, genau und deutlich zu unterscheiden, wir werden unterscheiden müssen zwischen dem Erfassen von Rechtsideen, zwischen dem - wenn ich mich so ausdrücken darf - Inspiriertsein von Rechtsideen und dem Ausleben des Rechtes in der äußeren Welt. Wir werden von all diesen Dingen gleich genauer sprechen.

Das dritte ist dann, das werden Sie leicht unterscheiden können von den beiden anderen, das Wirtschaftsleben. Nun steht der Mensch zu den drei Gebieten des Lebens, die wir eben verzeichnet haben, in einem ganz anderen Verhältnis. Wenn Sie versuchen, durch eine rein aufzufassen dasjenige, was physisches Geistesleben ist, so werden Sie verspüren - versuchen Sie nur einmal, die Wahrnehmungsfähigkeiten der Seele in die Richtung zu lenken, von der ich jetzt gesprochen habe -, daß alles das, was irgendwie wurzelt in der individuellen Begabung, den individuellen Fähigkeiten des Menschen, gewissermaßen am allerinnerlichsten für die menschliche Natur verläuft, am allerinnerlichsten von der menschlichen Natur erzeugt wird.

Geht man nun ganz wissenschaftlich an die Arbeit des Wahrnehmens heran, so findet man, daß alles, was sich auslebt in Kunst und Wissenschaft, in den Impulsen der Erziehung, empfunden werden kann als Geistig-Seelisches, das in uns lebt, wenn wir uns seiner Betätigung hingeben; so in uns lebt, daß wir es nur in der richtigen Weise innerlich erfahren können, wenn wir uns etwas zurückziehen aus der äußeren Welt. Gewiß, wir müssen es offenbaren in der äußeren Welt - das ist dann etwas anderes, als es innerlich zunächst erleben -, aber wir können als Menschen das, was sich in Kunst und Wissenschaft, in Erziehungsimpulsen auslebt, nicht konzipieren, nicht innerlich erfassen, wenn wir uns nicht etwas vom Leben zurückziehen können. Natürlich braucht das nicht ein Zurückziehen in eine Eremitenklause zu sein, man kann spazierengehen meinetwillen, aber man muß sich etwas zurückziehen, muß seelisch werden, muß in sich leben.

Das ist etwas, was sich für eine ganz naive Empfindung, wenn sie nur ausgebildet werden will in der Menschenseele, für das physische Geistesleben ergibt, und was die Geisteswissenschaft so ausdrücken muß, daß sie sagt: Dieses physische Geistesleben wird von unserer Menschenseele so erlebt, daß wir ohne völlige Inanspruchnahme des Leibes dieses physische Geistesleben ausleben. Da muß Geisteswissenschaft, und das können Sie aus allem entnehmen, was Geisteswissenschaft Ihnen bisher gebracht hat, in der allerentschiedensten Weise gegen die materialistische Ausdeutung des Menschenwesens sich wenden, welche in dem Aberglauben lebt, daß sich, wenn man innerlich ausgestaltet, was dem physischen Geistesleben angehört, diese Ausgestaltung ganz restlos durch das Instrument des Gehirns, des Nervensystems und so weiter vollzieht. Nein, wir wissen, das ist nicht wahr. Wir wissen, daß ein selbständiges Innenleben im Menschen vorhanden sein muß, wenn Offenbarungen dieses physischen Geisteslebens zustande kommen sollen. Es geht etwas vor im Menschen bei diesem physischen Geistesleben, das nicht seine Parallelerscheinungen im physischen Leibe hat; es geht etwas vor, was nur abläuft innerhalb des geistig-seelischen Wesens im Menschen.

Anders ist das, wenn wir diejenigen Impulse des Lebens ausbilden, die wir in unserer Dreigliederung auf eine demokratische Grundlage stellen wollen, wenn wir ausbilden, was gewissermaßen alle Menschen vor allen Menschen gleich erscheinen läßt. Das kann sich nur ausbilden, wenn wir uns bedienen der Werkzeuge unserer Leiblichkeit, die Mensch mit Mensch verbinden. Nicht innerliche Rechtsideen, aber Rechtsimpulse des Lebens, nicht innerlich sittliche Ideen, aber sittliche Impulse des Lebens, die also zwischen den Menschen tätig sind, die bilden sich aus, indem Mensch zu Mensch herantritt, Mensch gegen Mensch wirkt, Mensch und Mensch austauschen, was sie aneinander gegenseitig erleben. Diese Dinge bilden sich nur aus, wenn Menschen miteinander verkehren, wenn Menschen ihre leibliche Außenseite einander zukehren, wenn sie miteinander sprechen, wenn sie sich sehen,

wenn sie durch Mitempfindung miteinander leben, kurz, nur im menschlichen Wechselverkehr kann das ausgebildet werden. Mit Bezug auf alles das, was sich auf Grundlage unserer individuellen Fähigkeiten ausbildet, also mit Bezug auf das, was in dem eben genannten Sinn unabhängig von unserer Leiblichkeit ist, sind wir als Menschen individuell gestaltet, jeder ein Eigener, jeder ein Individuum. Mit Ausnahme der viel geringeren Differenzierung, welche durch Rassenunterschiede, Volksunterschiede und dergleichen hervortreten, die aber eben als Differenzierung eine Kleinigkeit sind - wenn man nur ein Organ dafür hat, muß man das wissen - gegenüber der Differenzierung durch individuelle Begabungen und Fähigkeiten, mit Ausnahme davon sind wir mit Bezug auf unsere äußere physische Menschlichkeit, durch die wir als Mensch den Menschen gegenüber treten, durch die wir Rechtsimpulse, Sittenimpulse ausbilden, als Menschen gleich. Wir sind als Menschen gleich, hier in der physischen Welt, gerade durch die Gleichheit unserer menschlichen Gestalt, einfach durch die Tatsache, daß wir alle Menschenantlitz tragen. Dieses, daß wir alle Menschenantlitz tragen, daß wir uns als äußere physische Menschen begegnen, die miteinander auf dem demokratischen Boden die Rechtsimpulse, die Sittenimpulse ausbilden, dieses macht uns auf diesem Boden gleich. Wir sind verschieden voneinander durch unsere individuellen Begabungen, die aber unserer Innerlichkeit angehören.

Das dritte, das wirtschaftliche Gebiet: Man braucht wahrhaftig nicht einer falschen Askese zuzuneigen, denn diese falsche Askese ist ganz gewiß gegen die Grundtendenz unserer gegenwärtigen Zeit, namentlich des Abendlandes - darüber haben wir oftmals gesprochen hier, aber man kann wahrnehmen, wie das Wirtschaftsleben den Menschen gewissermaßen untertauchen läßt hier in der physischen Welt in einen Lebensstrom, in ein Lebensmeer, in dem er sich bis zu einem gewissen Grade als Mensch verliert. Haben Sie nicht die Empfindung, dem Wirtschaftsleben gegenüber, daß Sie untertauchen in etwas, was Sie nicht so Mensch sein läßt, wie das Rechts- oder Staatsleben? Noch mehr ist das der Fall gegenüber dem Leben, das aus Ihren individuellen Fähigkeiten, überhaupt aus den individuellen Fähigkeiten des Menschen fließt. Wir fühlen es, wie gesagt, ohne in falsche asketische Neigung zu verfallen, wir fühlen: dem Wirtschaftsleben gegenüber ist es so, daß wir aufhören, indem wir wirtschaften müssen, Vollmenschen zu sein. Wir müssen einen Tribut zahlen an das in uns, was untermenschlich ist, indem wir wirtschaften.

Wir haben sozusagen dasjenige, was dem Wirtschaftsleben angehört als Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsum, auch wenn es sich hinaufsteigert zu geistigen Leistungen, die aber eben deshalb mit demselben Charakter wie Warenzirkulation des Wirtschaftslebens entstehen, weil wir Menschen sind und nicht Engel, wir wissen, daß auch das, was geistige Produktion ist, insofern das Wirtschaftliche dafür in Betracht kommt, den Charakter annimmt des Wirtschaftlichen, das in den materiellen Gütern verläuft. Und die materiellen Güter, die zur Befriedigung unseres Leiblichen notwendig sind, und geistige Leistungen, wie zahnärztliche und dergleichen, im Wirtschaftsleben müssen sie auch zuletzt durch den Warenaustausch dazu führen, daß der Zahnarzt durch das Wirtschaftsleben physisch leben kann. Irgendwie hängt das Wirtschaftsleben immer mit dem physischen Leben zusammen. Das ist aber etwas, was uns in eine gewisse, wenn auch ins Menschliche hinaufgehobene Beziehung zum Tierischen bringt. Es läßt uns untertauchen in dasjenige, was instinktiv mit dem Tier zusammen erlebt wird. Da haben Sie zunächst einer naiven, aber gesunden Empfindung gegenüber dasjenige, was die drei Gebiete für den einzelnen individuellen Menschen unterscheidet.

Gehen wir jetzt tiefer geisteswissenschaftlich in die Sache ein. Der Geisteswissenschafter muß da besonders beobachten die Gliederung des menschlichen Lebens in der Zeit, die Entwickelung des menschlichen Lebens zunächst von der Geburt oder Empfängnis bis zum Tode. Derjenige, der sich ein Wahrnehmungsvermögen aneignet für den Verlauf des Menschenlebens, der wird stark beeindruckt sein davon, wie sich alles das, was individuelle Fähigkeiten des Menschen sind, in der allerersten Kindheit bedeutsam ankündigt. Für den, der sich dafür ein geistiges Auge und Lebenserfahrung angeeignet hat, für den ist stark vorhanden die Wahrnehmung der besonderen Ausgestaltung der Kindesseele. In dem was heranwächst in den drei ersten Lebensstufen vom ersten bis zum siebten, vom siebten bis zum vierzehnten, vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Jahr, in dem kündigt sich dasjenige wie aus einer inneren elementaren Kraft heraus an, was individuelle Fähigkeiten des Menschen sind. Und nicht nur das, was wir gewöhnlich geneigt sind, als individuelle Fähigkeiten des Menschen zu betrachten, kündigt sich da an, sondern damit hängt dann zusammen, ob wir physisch stark oder schwach sind, ob wir mehr oder weniger Muskelarbeit leisten können. Da ist es, wo wir das Geistige mehr in Materielles ausdehnen müssen als die materialistisch Denkenden. Geistig angeschaut sehen wir einen guten Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung des Muskelsystems und der individuellen Veranlagung des Menschen. Alles das hängt für den, der das Menschenwesen beobachten kann, mit der Entwickelung des menschlichen Hauptes zusammen. Auch sogar in den äußeren Formen, ob einer starke Beine hat oder schwache, ob einer viel laufen kann, das sieht der, der sich einen geistigen Blick erworben hat, schon dem Kopfe an, gerade dem Kopfe. Ob einer geschickt oder ungeschickt ist, sieht man dem Kopfe des Menschen an. Diese sogenannten physischen Fähigkeiten des Menschen, die eng zusammenhängen mit seiner Eignung für äußere materielle, manuelle Arbeit, sie hängen mit der Ausgestaltung des Kopfes zusammen.

Nun wissen Sie, was ich Ihnen über die Ausgestaltung des Kopfes wiederholt gesagt und aus den verschiedensten Untergründen heraus begründet habe. Ich habe Ihnen gesagt: Alles das, was im menschlichen Haupte zur Ausgestaltung kommt, was dem menschlichen Haupte seine Konfiguration, seine Formung gibt, das weist hin auf das Vorgeburtliche, das weist hin auf dasjenige, was der Mensch aus den geistigen Welten, sei es aus der geistigen Welt selbst oder sei es aus vorhergehenden Erdeninkarnationen, sich durch die Geburt mit herein ins physische Leben bringt. Indem nun ein Zusammenhang geschaut wird zwischen allen individuellen Fähigkeiten des Menschen, seien sie nun geistige oder manuelle Fähigkeiten, gerade mit der Ausbildung des menschlichen Hauptes, wird man dann weitergeleitet in seinem Schauen, so daß man alles, was aus der individuellen Fähigkeit des Menschen hervorgeht, zurückleitet auf das vorgeburtliche Leben.

Sehen Sie, das ist es, was den Geisteswissenschafter zu einer für ihn so bedeutungsvollen Beleuchtung dessen führt, was physisches Geistesleben ist. Physisches Geistesleben ist deshalb hier in der physischen Welt, weil wir als Menschen uns etwas durch die Geburt mit hereinbringen. Alles physische Geistesleben, in dem Umfang, wie ich heute davon zu Ihnen gesprochen habe, entsteht nicht bloß aus dieser physischen Welt heraus, es entsteht aus denjenigen Impulsen heraus, die wir hereintragen durch unsere Geburt aus der geistigen Welt in das physische Dasein. Indem wir Menschen sind, die hereinbringen in das physische Dasein Nachklänge eines übersinnlichen Daseins, gestalten wir in der menschlichen Gesellschaft hier in der physischen Welt dasjenige aus, was dieses physische Geistesleben ist. Es gäbe keine Kunst, es gäbe keine Wissenschaft, höchstens eine Experimentalbeschreibung, eine Beschreibung von Experimenten, es gäbe keine Erziehungsimpulse, wir könnten die Kinder nicht erziehen, wir könnten keine Schulbildung erteilen, wenn wir nicht durch die Geburt Impulse aus dein vorgeburtlichen Leben in das physische Leben hineinbrächten. Das ist das eine.

Nun bitte, nehmen Sie alles das, was Sie an Beschreibung der übersinnlichen Welt in meiner «Theosophie» oder in der «Geheimwissenschaft» finden. Nehmen Sie insbesondere das, was in diesen Büchern gesagt ist aus der übersinnlichen Welt heraus über die Beziehungen, die da herrschen zwischen Menschenseele und Menschenseele, wenn; diese Seelen entkörpert sind, wenn diese Seelen leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Sie wissen, wir müssen da von ganz anderen Beziehungen von Seele zu Seele sprechen, als diejenigen, von denen wir hier in der physischen Welt sprechen können. Sie erinnern sich, wie ich zusammengesetzt habe das, was von Seele zu Seele erlebt wird, aus Grundklängen, die hier in schattenhaften Bildern vorhanden sind. Sie erinnern sich der Beschreibung in der «Theosophie» des Lebens in der Seelenwelt, wie ich von gewissen Wechselwirkungen, von in der physischen Welt nicht vorhandenen Seelen- und Astralkräften sprechen mußte, indem ich das entkörperte Leben in der übersinnlichen Welt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt schildern wollte. Da steht Seele zu Seele in einer inneren Beziehung. Da ist ein Verhältnis von Seele zu Seele, welches durch die innere Kraft der Seele selbst hervorgerufen wird. Durchdringt man sich nun ganz fest mit dem, was so als Verhältnis von Seele zu Seele existiert in der übersinnlichen Welt, faßt man das ins Auge und macht man sich so recht gegenständlich, was so existiert, dann bekommt man, wenn man in der richtigen Weise vergleicht, eine merkwürdige Anschauung heraus. Sie wissen, es beruht auf solch inneren Tendenzleistungen sehr vieles, was zur Erkenntnis in der übersinnlichen Welt, oder auch zur Erkenntnis der Zusammenhänge der übersinnlichen mit der sinnlichen Welt führt. Man wird da direkt auf das Rechts-, Staats- oder politische Leben geleitet, und zwar so, daß es keinen größeren Gegensatz gibt gegen die besondere Ausgestaltung des übersinnlichen Lebens als das politische, das Rechtsleben hier auf dem physischen Plan. Das sind die beiden großen Gegensätze, und man empfindet diese Gegensätze, wenn man in sachgemäßer Weise das übersinnliche Leben kennenlernt. Das übersinnliche Leben hat gar nichts von dem, was durch Rechtssatzungen oder äußere Sittenimpulse geregelt werden kann, denn da wird alles durch innere Seelenimpulse geregelt. Hier, im physischen Leben, wird der volle Gegensatz aufgestellt, indem man das Staatsleben mit seiner Grundnuance aufstellt, weil uns durch die Geburt dasjenige verlorengeht, was in der Seele lebt als Grundimpulse, die von Seele zu Seele das Verhältnis herstellen; weil das verlorengeht, weil wir uns das Gegenteil hier aneignen zwischen Geburt und Tod.

Dieses Gegenteil sind die Rechtssatzungen, die existieren; die stellen her, was hergestellt werden muß, das Rechtsverhältnis, weil der Mensch das, was in der übersinnlichen Welt das Verhältnis von Seele zu Seele angeht, verloren hat. Das sind die beiden Pole: übersinnliches Verhältnis von Seele zu Seele - Staatsverhältnis hier auf dem physischen Plan.

Von Mensch zu Mensch tragen wir in die physische Geisteskulturwelt etwas herein, was uns durch die Geburt als Nachklang bleibt aus der übersinnlichen Welt. Wir breiten gleichsam einen Glanz über das Leben aus dadurch, daß wir hereinleuchten lassen das, was wir in die Welt hineintragen, indem wir es zu offenbaren suchen in Kunst, Wissenschaft und Erziehung der anderen Menschen. Das ist mit dem Rechtsleben etwas anderes. Das müssen wir hier begründen auf der physischen Erde als einen Ersatz für das, was wir in übersinnlicher Beziehung verlieren, indem wir durch die Geburt in das physische Dasein hereinkommen.

Das gibt Ihnen zu gleicher Zeit einen Begriff davon, was gewisse religiöse Urkunden meinen - und Sie wissen, inwiefern religiöse Urkunden immer etwas durchdrungen sind von diesen oder jenen okkulten Wahrheiten -, wenn sie sprechen von dem berechtigten «Fürsten dieser Welt». Sie meinen, wenn sie davon sprechen: der Staat soll sich nur ja nicht darauf einlassen, dasjenige verwalten zu wollen, was der Mensch sich durch die Geburt aus der übersinnlichen Welt als deren Abglanz hereinbringt in die physische Welt. Er soll sich darauf beschränken, den rechtlichen Fürsten auszubilden, der das gerade Gegenteil hier im Staatsleben ausgestaltet: das Leben, das wir brauchen, weil uns die Impulse der geistigen Welt, indem wir durch die Geburt gegangen sind, verlorengingen. Das Staatsleben hat die Aufgabe, das auszubilden, was notwendig ist für den Menschenverkehr in der physischen Welt; es hat nur eine Bedeutung für das Leben zwischen Geburt und Tod.

Sehen wir uns das dritte an, das Wirtschaftsleben. Da wird etwas gesagt werden müssen, was ganz besonders paradox ist: Wir tauchen, kraß ausgedrückt, gewissermaßen unter in ein Untermenschliches, indem wir uns in das Wirtschaftsleben einlassen. Dadurch aber zieht immer etwas vor unsere Seele, indem wir uns in das Untermenschliche einlassen. Und das können Sie ja spüren. Denken Sie einmal, wie sehr Sie sich anstrengen müssen in sich, aktiv, wenn Sie sich der geistigen Kultur hingeben, und wie gedankenlos manche Menschen sein können im bloßen Wirtschaftsleben Man überläßt sich oftmals den Trieben und Instinkten. Das Wirtschaften geht eben überhaupt ohne viel unmittelbar innerlich aktives Denken vor sich. Aber jedenfalls: wir tauchen unter in ein Untermenschliches. Da bewahrt sich die Seele innerlich etwas zurück. Geisteswissenschaftlich gesprochen ist der Körper mehr angestrengt, wenn wir bei einer materiellen Tätigkeit sind, als man sogar gewöhnlich glaubt. Wir müssen, wenn wir vom Wirtschaftsleben sprechen, auch von dem Endgliede des Wirtschaftsprozesses sprechen, von Essen und Trinken. Wir müssen uns klar sein, daß da nicht ein voller Parallelismus ist zwischen leiblicher und geistiger Tätigkeit, daß da der Körper überwiegt in bezug auf die Tätigkeit gegenüber dem Geistig-Seelischen. Aber dieses Geistig-Seelische, das entwickelt dann eine stark unbewußte Tätigkeit. Und in dieser unbewußten Tätigkeit liegt ein Keim. Diesen Keim, den tragen wir durch die Pforte des Todes. Die Seele kann, gewissermaßen ruhen wenn wir wirtschaften. Das aber, was äußerlich dem Bewußtsein als Ruhe erscheint, das entwickelt einen Keim, der durch die Pforte des Todes getragen wird. Und entwickeln wir gar moralisch die Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben, wie ich es jetzt immer schildere, dann tragen wir einen guten Keim durch die Pforte des Todes, gerade durch das, was wir als Mensch dem Menschen gegen Über im Wirtschaftsleben entwickeln. Mag es Ihnen materialistisch erscheinen, wenn ich sage: Gerade in der Brüderlichkeit des Wirtschaftslebens legt sich der Mensch in die Seele die Keime für sein Leben nach dem Tode, während er in dem, was Geisteskultur ist, von der Erbschaft desjenigen zehrt, was er hereinbringt aus vorgeburtlichem Leben, - mag Ihnen das materialistisch erscheinen, es ist wahr, einfach wahr gegenüber der geisteswissenschaftlichen Forschung. Mag es Ihnen materiell erscheinen, daß ich Ihnen sage:

Wenn Sie untertauchen in die Tierheit, sorgt Ihre Menschheit dafür, daß Sie das Übersinnliche für die Zeit nach dem Tode entwickeln - es ist so. Der Mensch ist ein dreigliedriges Wesen. Er hat in seinem Wesen ein Erbgut aus vorgeburtlicher Zeit, er entwickelt etwas, was zwischen der Geburt und dem Tode allein Gültigkeit hat, er entwickelt hier in der physischen Welt etwas, durch das er anknüpft das Zukunftsleben nach dem Tode an das physische Leben hier. Dasjenige, was hier ausgestaltet wird, was hier geoffenbart wird als Lebensglanz und Lebenszukunft und Lebensinteresse in der physischen Geisteskultur, das ist ein Erbgut der geistigen Welt, das wir uns hereinbringen in die physische Welt. Indem wir dieses Geistesgut erleben, es recht erleben, erweisen wir uns als Angehörige der geistigen Welt, bringen in die physische Welt einen Abglanz der übersinnlichen Welt, die wir durchlaufen haben vor unserer Geburt und Empfängnis.

Die abstrakte Wissenschaft, auch die abstrakte Philosophie, redet ja natürlich immer im Abstrakten herum. Die redet davon, man müsse die Ewigkeit der Substanz beweisen, daß, was von der menschlichen Substanz bei der Geburt vorhanden ist, dann bleibt, und dann wiederum durch den Tod geht. Solche Beweise können nie aus dem bloßen Denken gelingen. Die Philosophen haben sie auch immer gesucht, aber es hat der Beweis niemals standgehalten gegenüber dem inneren logischen Gewissen, weil die Sache einfach nicht so ist. Mit der Unsterblichkeit verhält es sich nämlich viel geistiger. Nichts irgendwie Materielles, geschweige denn Substantielles ist in einer solchen Weise vorhanden. Was vorhanden ist, ist das Bewußtsein, das Bewußtsein nach dem Tode, das zurückschaut in diese Welt. Das ist das, was wir betrachten müssen, wenn wir die Unsterblichkeit betrachten. Wir müssen viel immaterieller werden, als selbst die abstrakten Philosophen, wenn wir von diesen höheren Dingen reden. Aber die Sache ist so, daß wir das, was ich eben charakterisiert habe, als einen Abglanz der übersinnlichen Welt, den wir offenbaren als den Schmuck, den Glanz des Lebens hier, daß wir den verbrauchen und neu anknüpfen hier im physischen Leben, daß wir ein neues Kettenglied unseres ewigen Daseins hier anknüpfen müssen, das wir durch den Tod tragen.

Wenn jemand nur an das denkt, was sich fortsetzt in dieses Leben hinein, wenn er konsequent forscht, muß der Faden abreißen; nur wenn er weiß, daß er ein neues Kettenglied ansetzt, das hinausgeht über den Tod, kommt er an die Unsterblichkeit heran.

So ist der Mensch dieses dreigliedrige Wesen. Er entwickelt in sich Fähigkeiten, die diesen Abglanz der übersinnlichen Welt in dieses Leben hereintragen. Ein Leben entwickelt er, das die Brücke bildet zwischen dem vorgeburtlichen und dem nachtodlichen Leben, und das sich auslebt in all dem, was nur seine Wurzel hat in dem Leben zwischen Geburt und Tod, was sich äußerlich darstellt in dem äußerlichen Rechts-, Staatsorganismus und so weiter. Und indem er untertaucht in das Wirtschaftsleben, und indem er in der Lage ist, in diesem Wirtschaftsleben ein Moralisches zu pflanzen, das Brüderliche, entwickelt er die Keime für das nachtodliche Leben. Das ist der dreifache Mensch.

Und denken Sie sich diesen dreifachen Menschen nun seit dem fünfzehnten Jahrhundert in einer solchen Entwickelungsphase, daß er alles das, was früher instinktiv war, bewußt ausbilden muß. Dadurch ist er heute in die Notwendigkeit versetzt, daß sein äußeres soziales Leben ihm Anhaltspunkte bietet, daß er drinnen stehe mit seiner dreifachen Menschlichkeit in einem dreifachen Organismus. Wir können nur, weil wir drei ganz verschiedene Wesensglieder, das Vorgeburtliche, das Irdischlebendige, das Nachtodliche in uns vereinigen, in dem sozialen Organismus richtig drinnen stehen in drei Gliedern. Sonst kommen wir als bewußte Menschen in einen Mißklang mit der übrigen Welt. Und wir werden immer mehr und mehr dahin kommen, wenn wir nicht danach trachten würden, diese umliegende Welt als dreigliedrigen sozialen Organismus zu gestalten.

Sehen Sie, da haben Sie die Sache verinnerlicht.