Von der Philosophie der Freiheit zur Entwicklung der Begabungen

Quelle: GA 330, S. 043, 2. Ausgabe 1983, 22.04.1919, Stuttgart

Sehen Sie, ich habe es im Vortrage nur an zwei Stellen getan, allein ich glaube, daß das heutige öffentliche Leben für denjenigen, der wirklich versucht, in dasselbe einzudringen, und der es wagt, der sich zutraut es zu wagen, mitzureden, daß dieses öffentliche Leben in einer gewissen Weise seine Spiegelbilder in das persönliche Erleben schon hineingeworfen haben muß. - Ich habe nur an zwei Stellen Persönliches angeführt, allein ich darf gerade vielleicht anknüpfend an diese Frage sagen: Ich bin ja eigentlich selber aus proletarischen Kreisen hervorgegangen, und ich weiß mich heute noch zu erinnern, wie ich als Kind zum Fenster hinausgesehen habe, als die ersten österreichischen Sozialdemokraten in großen Demokratenhüten vorbeigingen, um die erste österreichische Versammlung im benachbarten freien Walde abzuhalten. Es waren zum größten Teil Bergarbeiter. Von da ab konnte ich eigentlich alles miterleben, was sich innerhalb der sozialistischen Bewegung abgespielt hat in der Art, wie ich es im Vortrag charakterisiert habe und wie es sich ergibt, wenn man vom Schicksal bestimmt ist, nicht bloß über das Proletariat, sondern mit dem Proletariat zu denken, wobei man sich ja noch immer einen freien Ausblick auf das Leben und alle einzelnen Gebiete des Lebens wahren kann. Vielleicht habe ich gerade Zeugnis dafür abgelegt im Jahre 1892, als ich meine « Philosophie der Freiheit » geschrieben habe, die wahrhaftig gerade für diejenige Struktur des menschlichen Gesellschaftslebens eingetreten ist, welche heute von mir angesehen wird als notwendig gerade zur Entwickelung der menschlichen Begabung.