Österreich nicht nur an Nationalitäten sondern auch an Wirtschaftsparlament gescheitert

Quelle: GA 023, S. 074-075, 6. Ausgabe 1976, 24.03.1919, Stuttgart

Ein typisches Beispiel von Verschmelzung des Wirtschaftslebens mit dem Rechtsleben bot Österreich mit der Verfassung, die es sich in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts gegeben hat. Die Vertreter des Reichsrates dieses Ländergebietes wurden aus den vier Zweigen des Wirtschaftslebens heraus gewählt, aus der Gemeinschaft der Großgrundbesitzer, der Handelskammern, der Städte, Märkte und Industrialorte und der Landgemeinden. Man sieht, daß für diese Zusammensetzung der Staatsvertretung an gar nichts anderes in erster Linie gedacht wurde, als daß aus der Geltendmachung der wirtschaftlichen Verhältnisse sich das Rechtsleben ergeben werde. Gewiß ist, daß zu dem gegenwärtigen Zerfall Österreichs die auseinandertreibenden Kräfte seiner Nationalitäten bedeutsam mitgewirkt haben. Allein als ebenso gewiß kann es gelten, daß eine Rechtsorganisation, die neben der wirtschaftlichen ihre Tätigkeit hätte entfalten können, aus dem Rechtsbewußtsein heraus eine Gestaltung des sozialen Organismus würde entwickelt haben, in der ein Zusammenleben der Völker möglich geworden wäre.