Jedem nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen als allgemeines Ideal

Quelle: GA 329, S. 044-045, 1. Ausgabe 1985, 11.03.1919, Bern

Nun, die verschiedenen Schattenseiten dieses sozialistischen Staates, die müssen hervortreten. Darüber gibt sich zum Beispiel Lenin keiner Täuschung hin. Das ist auch besser, als wenn man sich, wie so viele Leute, eben Illusionen hingibt. Aber er arbeitet darauf hin, einen solchen Staat zu gestalten, der Todeskeime in sich trägt, der sich auflöst. Dann kommt erst das wirklich neue Stadium, wo nicht die Arbeit gleich bezahlt wird, sondern wo die Devise gilt: jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. - Und in diesem Augenblicke, wo das auftritt: jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen - was nicht nur ein sozialistisches, sondern ein ganz allgemeines Ideal sein muß -, in dem Augenblick, da macht Lenin, ähnlich wie schon Marx, eine sonderbare Bemerkung, die viel tiefer blicken läßt, als man gewöhnlich blickt. Er macht die Bemerkung: Diese soziale Ordnung, welche nur eintreten kann so, daß jeder nach seinen Bedürfnissen und seinen Fähigkeiten in die gesellschaftliche Ordnung hineingestellt wird, die kann natürlich nicht mit heutigen Menschen erreicht werden; dazu ist ein ganz neuer Menschenschlag notwendig, der erst entstehen muß.