Die Verquickung des Kapitalismus mit den Grundrenten

Quelle: GA 328, S. 150-152, 1. Ausgabe 1977, 08.03.1919, Zürich

Sehen wir einmal die Dinge an, wie sie sich heute entwickelt haben. Gewisse Menschen sprechen aus dem heutigen sozialen Zustand heraus so, sie sagen, innerhalb dieses sozialen Zustandes haben wir als erstes: Tausch von Waren gegen Waren. - Gut, das muß sein im Wirtschaftsleben. Davon ist ja gerade eben gesprochen worden. Dann haben wir als zweites, sagen sie und sie sehen das als berechtigt an: Tausch von Waren, beziehungsweise des Repräsentanten von Ware, des Geldes, gegen Arbeitskraft. Und als drittes: Tausch von Waren gegen Rechte.

Was ist das letztere? Über das zweite habe ich ja schon gesprochen. Nun, wir brauchen nur hinzusehen auf das Grundbesitzerverhältnis in der modernen Wirtschaftsordnung, und uns wird sogleich klar werden, was klar sein sollte auf diesem Gebiete für die Zukunft. Wie man sonst auch über das Besitzverhältnis in bezug auf Grund und Boden denken mag - alles andere hat für den realen Vorgang im sozialen Organismus nicht eigentlich eine Bedeutung; eine Bedeutung hat lediglich das, daß der Besitzer von Grund und Boden das Recht hat, ein Stück Grund und Boden allein zu benützen und bei dieser Benützung sein persönliches Interesse geltend zu machen.

Das hat nicht das geringste in seinem Ursprunge mit dem Wirtschaftsprozesse als solchem zu tun. Mit dem Wirtschaftsprozesse hat einzig und allein - dagegen kann nur eine verkehrte Nationalökonomie etwas einwenden - dasjenige zu tun, was auf dem Grund und Boden als Ware oder mit Warenwert erzeugt wird. Benützung des Grund und Bodens beruht auf einem Rechte.

Dieses Recht allerdings verwandelt sich innerhalb der modernen kapitalistischen Wirtschaftsordnung, namentlich durch die Verquickung des Kapitalismus mit den Grundrenten, wiederum in eine Gewalt. Und so haben wir auf der einen Seite die Gewalt, welche ausschließt von solchen Rechten; auf der anderen Seite jene wirtschaftliche Gewalt, welche die menschliche Arbeitskraft zwingen kann, zur Ware zu werden.

Von beiden Seiten her wird nichts anderes, als eine Lebenslüge verwirklicht, wenn nicht angestrebt wird - angestrebt wird aus wirklicher sozialer Einsicht heraus - die Gliederung des sozialen Organismus in einen Wirtschaftsorganismus und in einen Organismus des im engeren Sinne politischen Staates.

Der Wirtschaftsorganismus wird begründet werden müssen auf assoziativer Grundlage, aus den Bedürfnissen der Konsumtion in ihrem Verhältnisse zur Produktion. Aus den verschiedenen Interessen der mannigfaltigsten Berufskreise werden die mannigfaltigsten Genossenschaften - man könnte sie mit einem alten Wort auch Bruderschaften der Menschheit nennen - entwickelt werden müssen, in denen verwaltet werden die Bedürfnisse und ihre Befriedigung.

Was sich innerhalb dieser Assoziationsgrundlage des wirtschaftlichen Organismus heraus bildet, das wird immer zu tun haben mit der Befriedigung des einen Kreises von Menschen durch einen anderen Kreis. Auf diesem Gebiete wird maßgebend sein müssen die sachverständige Verwertung erstens der Naturgrundlage, dann aber auch die sachverständige Ausgestaltung der Warenproduktion, -zirkulation und -konsumtion. Da wird geltend sein müssen das menschliche Bedürfnis, das menschliche Interesse.

Dem wird immer gegenüberstehen als etwas radikal Verschiedenes dasjenige, worinnen Mensch und Mensch wesentlich gleich sich gegenüberstehen, wo sie gleich sein müssen, wie man mit einem heute schon trivial gewordenen Worte sagt: Wo sie gleich sein müssen vor jenem Gesetze, das sie sich als gleiche Menschen selber geben.

Auf assoziativer Grundlage wird beruhen müssen der Kreislauf des Wirtschaftsprozesses; auf rein demokratischer Grundlage, auf dem Prinzip der Gleichheit aller Menschen in ihrem Verhältnis zueinander wird ruhen müssen im engeren Sinne die eigentliche politische Organisation. Aus dieser politischen Organisation wird entspringen etwas ganz anderes als die wirtschaftliche Gewalt, welche die Arbeitskraft zur Ware macht. Aus dem vom Wirtschaftsleben getrennten politischen Leben wird entspringen das wahre Arbeitsrecht, wo einzig und allein nach dem, was über Arbeitskraft zwischen Mensch und Mensch als Menschen verhandelt werden kann, Maß und Arbeit und anderes über die Arbeitskraft festgesetzt werden kann.