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Jeder Arbeiter muss zur Entstehung der Mehrwert Quelle der Geistes- und Rechtsleben mitmachen können. Betrug des Arbeitsvertrag.
Quelle: GA 189, S. 094-099, . Ausgabe 1980, 02.03.1919, Dornach
Das heißt, es muß alles das, was sich auf politische Verhältnisse bezieht neben dem Wirtschaftsleben eine relative Selbständigkeit haben.
Wenn man das durchschaut, bemerkt man auch die Unwahrheit, die in dem Verhältnisse liegt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und die sich so darstellt, als wenn die Arbeitskraft wirklich vergütet würde. Sie wird nämlich zunächst gar nicht unmittelbar vergütet, sondern nur mittelbar. Was vorliegt, ist ein gewisses scheinbares, aber zur wirtschaftlichen Gewalt gewordenes Recht, durch das der Arbeitgeber den Arbeiter an die Maschine oder in die Fabrik hineinzwingt, - nicht ganz offenbar, aber eigentlich im geheimen hineinzwingt.
Das, was nun getauscht wird, ist in Wirklichkeit nicht Arbeitskraft gegen Ware oder Warenrepräsentanz, das heißt Geld, sondern Leistungen: Vom Arbeiter produzierte Waren werden gegen andere Waren beziehungsweise Geld eingetauscht. Gegen die Waren, die der Unternehmer ihm gibt, tauscht der Arbeiter die Waren ein, die er produziert. So wird erst die Unwahrheit, als ob Ware gegen Arbeitskraft getauscht würde, offenbar. Und das empfindet der moderne Proletarier im Geheimen als menschenunwürdig, indem er sich sagt: du produzierst so und so viel an Ware, und davon gibt dir der Unternehmer nur so und so viel ab.
Das rechtmäßige Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Unternehmer kann nämlich gar nicht in der Sphäre des Wirtschaftsprozesses hergestellt werden, sondern nur in der Sphäre des politischen Staates, als ein Rechtsverhältnis. Darauf kommt es an. Steht der Mensch auf der einen Seite auf dem Boden des Wirtschaftslebens und auf der anderen Seite auf dem Boden des selbständigen Rechtslebens, dann wird dieses Wirtschaftsleben von zwei Seiten her bestimmt; auf der einen Seite vom Rechtsleben, auf der andern Seite ist es abhängig von den von der Menschentätigkeit unabhängigen Naturfaktoren.
Ich habe Ihnen in den öffentlichen Basler Vorträgen angeführt, daß in einer bestimmten Bodengegend, um zum Beispiel Weizen hervorzubringen, mehr Arbeit aufgewendet werden muß als in anderen Gegenden, wo die Ertragsfähigkeit sogar noch höher ist. Das sind die Naturgrundlagen. Diese grenzen auf der einen Seite an das Wirtschaftsleben an. Auf der anderen Seite muß das, was zum Beispiel als ein Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich herausstellen soll, aus dem Rechtsleben in das Wirtschaftsleben fließen.
Nun werden Leute, die von den Dingen bloß die Oberfläche sehen, sagen: Ja, aber das ist ja heute schon der Fall, denn es wird ein Arbeitsvertrag geschlossen. Was nützt das, wenn der Arbeitsvertrag geschlossen wird über etwas, was eigentlich ein kaschiertes Lügenverhältnis ist? Der Arbeitsvertrag wird nämlich geschlossen gerade über das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in bezug auf die Arbeitskraft und ihre Entlohnung. Erst dann wird das richtige Verhältnis hergestellt werden, wenn der Vertrag nicht geschlossen wird über die Entlohnung, sondern über die Art und Weise, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Leistung, die hervorgebracht wird, teilen. Dann wird der Arbeiter - und darauf kommt viel mehr an als auf alles, was die Leute heute glauben - einsehen, daß ohne Mehrwert-Erzeugung gar nicht auszukommen ist.
Aber er muß sehen können, wie der Mehrwert entsteht. Er darf nicht in ein Lügenverhältnis hineingebaut werden. Dann wird der Arbeiter einsehen, daß es ohne Mehrwerterzeugung überhaupt keine geistige Kultur, daß es auch keinen Rechtsstaat geben kann, denn das alles fließt aus dem Mehrwert. Wenn aber der soziale Organismus gesund ist, ergibt sich das alles aus dem dreigliedrigen sozialen Organismus.
Nun kann man natürlich über diese Anschauung nicht nur stundenlang, sondern wochenlang sprechen, und das haben wir ja fast schon getan; aber wir kommen natürlich immer wieder zu neuen Einzelheiten, die uns die Sache verständlicher machen sollen, denn jede einzelne konkrete Frage läßt sich ahnen, die entstehen wird, und deren Beantwortung Da muß vor allen Dingen folgendes bedacht werden: Im Wirtschaftsleben werden Waren ausgetauscht. An das Wirtschaftsleben ist angegliedert das Leben des politischen Staates im engeren Sinne. Der begrenzt die Arbeitskraft im menschlichen Zusammenleben, im Rechtsleben. So daß, während das Wirtschaftsleben auf der einen Seite von der Naturgrundlage abhängig ist, es auf der anderen Seite von dem abhängig ist, was durch den Rechtsstaat festgestellt wird, also zum Beispiel Arbeitszeit, Verhältnis der Arbeit zum einzelnen Menschen, zu seiner Stärke, zu seiner Schwäche, seinem Lebensalter. Es kann nicht einen Maximal-Arbeitstag oder so etwas geben, sondern es kann in Wirklichkeit nur eine Begrenzung nach oben und nach unten geben. Das alles sind Bedingungen, die dem Wirtschaftsleben von der Seite des Rechtsstaates zufließen, ebenso wie die Naturgrundlage ihm von der anderen Seite her entgegentritt.
Wird einmal der soziale Organismus in dieser Weise gesunden, dann wird auch das ganz Ungeheuerliche verschwinden, daß die Entlohnung aus dem Wirtschaftsleben selbst heraus erfolgt. Die Tatsache, daß der Lohn bei guter Konjunktur steigt, in der Krise dagegen vermindert wird, wird sich in das Entgegengesetzte verwandeln. Die gute Konjunktur wird entstehen können unter dem Einfluß des Arbeitslohnes und umgekehrt.
05032 - Besonders ersichtlich kann das auch sein bei der Grundrente, die heute vielfach abhängig ist von dem Preise der Waren, die auf dem Grund und Boden erzeugt werden, von dem Marktpreis der Waren. Das gesunde Verhältnis ist nur das Umgekehrte: Wenn das Recht, das sich in der Grundrente zum Ausdruck bringt, wiederum den Marktpreis beeinflußt. Vielfach stellen sich unter dieser Dreigliederung gerade die umgekehrten Verhältnisse ein, die heute da sind und die unsere revolutionären Konvulsionen verursacht haben. Denn das ganze Leben wird in einer anderen Weise verlaufen.
Was ist vor allen Dingen zu beachten in dem Verhältnisse zwischen dem Wirtschaftsleben und dem politischen Staat im engeren Sinne? Wählen wir als Beispiel etwas, was manchmal recht unangenehm empfunden wird: das Steuerzahlen. In bezug auf das Steuerzahlen handelt es sich nur darum, klar zu durchschauen, wie die Steuer aus dem Mehrwert heraus erfließen muß, indem man im demokratischen politischen Zusammenleben die Lebensbedingungen des politischen Organismus immer ebenso vor Augen hat, wie man das Wirtschaftsleben vor Augen hat, indem man kauft und verkauft, und so aus den menschlichen Bedürfnissen heraus die Realität dieses Wirtschaftsverhältnisses deutlich wahrnimmt. Auch hieraus wird sich das Gegenteil von dem ergeben, was vorhanden ist. Ich sage nicht, daß man die Steuergesetzgebung ändern soll; unter den heutigen Verhältnissen läßt sich vieles nicht ändern, es sei denn, daß die Fehler auf eine andere Seite verschoben werden. Aber unter dem Einfluß des gesunden dreigliedrigen Organismus werden sich über manches im sozialen Leben ganz andere Anschauungen herausbilden. Man wird einsehen, daß es für das soziale Leben als solches, für das Leben des Menschen im sozialen Organismus bedeutungslos ist, wenn der Mensch Geld einnimmt. Denn indem der Mensch Geld einnimmt, sondert er sich heraus aus dem sozialen Organismus, und dem sozialen Organismus kann das höchst gleichgültig sein. Für seine Funktionen hat es gar keine Bedeutung, was der Mensch einnimmt; denn erst indem der Mensch ausgibt, wird er ein soziales Wesen. Beim Ausgeben fängt der Mensch erst an, in sozialer Weise zu wirken. Und da handelt es sich darum, daß gerade beim Ausgeben - ich denke nicht an indirekte Steuern, sondern an Ausgaben-Steuern, was ganz etwas anderes ist -, daß gerade beim Ausgeben das Steuerzahlen einsetzen muß. Natürlich kann ich Ihnen das nicht in Einzelheiten auseinandersetzen, obwohl diese ausgearbeitet werden können - weil es viel zu weitgehende volkswirtschaftliche Kenntnisse voraussetzt, um es in einem Vortrag auseinanderzusetzen. Aber einiges davon kann doch - ich möchte sagen - mitteilend angewendet werden.
In dem gesunden, von den übrigen Gliedern des sozialen Organismus abgegliederten Wirtschaftsleben kann sich zeigen, daß zum Beispiel auf einem Territorium aus geographischen Gründen Weizen infolge der Naturgrundlage teurer erzeugt werden muß als in dem anderen. Und da kann sich herausstellen, daß durch das bloße Assoziationsleben der Ausgleich nicht geschaffen wird. Dann kann durch das Rechtsleben die Sache völlig korrigiert werden, indem einfach in einem solchen Falle - das würde sich sogar von selbst ergeben - die, die den Weizen billiger kaufen, das heißt weniger ausgeben, höhere Steuern zu zahlen haben als die, welche den Weizen teurer kaufen, also mehr ausgeben müssen.
Sie können, wenn der Rechtsstaat eben das Recht im Wirtschaftsleben in der richtigen Weise reguliert, wenn nicht die Rechte nur verwirklichte Interessen des Wirtschaftsleben sind, wenn nicht in dem Reichstag der Bund der Landwirte sitzt, sondern die bloß sitzen, die von Mensch zu Mensch über das Recht zu befinden haben, eine vollständige Regulierung im Wirtschaftsleben herbeiführen. Ich deute das abstrakt im allgemeinen an. In allen Einzelheiten wäre das auszuführen. Das Steuerverhältnis ist demnach eine Frage, die zwischen dem Wirtschaftsleben und dem Rechtsleben geregelt werden muß.
Das Verhältnis aber zwischen dem Wirtschaftsleben und Rechtsleben auf der einen, dem Geistesleben auf der anderen Seite ist so, daß es sich überhaupt nur auf vertrauendes Verständnis begründen kann. So wie die Steuerabgabe eine zwangsmäßige sein muß, auch im gesunden sozialen Organismus, so kann auf der anderen Seite die Abgabe für das geistige Leben nur eine freiwillige sein; denn das geistige Leben muß völlig auf den Geist der Menschheit gestellt werden. Es muß völlig emanzipiert werden von allem anderen. Dann wirkt es wiederum gerade in der tiefsten, intensivsten Weise auf dieses andere zurück.]