Auch Minimal- statt nur Maximalarbeitszeit

Quelle: GA 189, S. 096, 2. Ausgabe 1957, 02.03.1919, Dornach

Im Wirtschaftsleben werden Waren ausgetauscht. An das Wirtschaftsleben ist angegliedert das Leben des politischen Staates im engeren Sinne. Der begrenzt die Arbeitskraft im menschlichen Zusammenleben, im Rechtsleben. So daß, während das Wirtschaftsleben auf der einen Seite von der Naturgrundlage abhängig ist, es auf der anderen Seite von dem abhängig ist, was durch den Rechtsstaat festgestellt wird, also zum Beispiel Arbeitszeit, Verhältnis der Arbeit zum einzelnen Menschen, zu seiner Stärke, zu seiner Schwäche, seinem Lebensalter. Es kann nicht einen Maximal-Arbeitstag oder so etwas geben, sondern es kann in Wirklichkeit nur eine Begrenzung nach oben und nach unten geben. Das alles sind Bedingungen, die dem Wirtschaftsleben von der Seite des Rechtsstaates zufließen, ebenso wie die Naturgrundlage ihm von der anderen Seite her entgegentritt.

Wird einmal der soziale Organismus in dieser Weise gesunden, dann wird auch das ganz Ungeheuerliche verschwinden, daß die Entlohnung aus dem Wirtschaftsleben selbst heraus erfolgt. Die Tatsache, daß der Lohn bei guter Konjunktur steigt, in der Krise dagegen vermindert wird, wird sich in das Entgegengesetzte verwandeln. Die gute Konjunktur wird entstehen können unter dem Einfluß des Arbeitslohnes und umgekehrt.

Besonders ersichtlich kann das auch sein bei der Grundrente, die heute vielfach abhängig ist von dem Preise der Waren, die auf dem Grund und Boden erzeugt werden, von dem Marktpreis der Waren. Das gesunde Verhältnis ist umgekehrt, wenn das Recht, das sich in der Grundrente zum Ausdruck bringt, seinerseits den Marktpreis beeinflußt. Vielfach stellen sich unter die Dreigliederung gerade die umgekehrten Verhältnisse gegenüber den heutigen ein, die unsere revolutionären Konvulsionen verursacht haben. Das ganze Leben wird in einer anderen Weise verlaufen.