Der Boden ist keine Ware, sondern ein Recht

Quelle: GA 189, S. 093-094, 2. Ausgabe 1957, 02.03.1919, Dornach

Was ist nun eine Ware, vor der Wirklichkeit gedacht? Ein Grundstück ist als solches noch keine Ware. Die Kohle, die sich unter der Erde befindet, ist als solche noch keine Ware. Nur das ist eine Ware, was in Zusammenhang gekommen ist mit menschlicher Tätigkeit, sei es, daß es seinem inneren Wesen nach durch menschliche Tätigkeit verändert worden ist, sei es, daß es durch menschliche Tätigkeit von einem Ort zum andern gebracht worden ist. Wenn Sie diese zwei Eigenschaften nehmen, so finden Sie alles, was sich irgendwie unter den Begriff der Ware unterbringen läßt. Man hat viel gestritten über die Natur der Ware. Wer Einsicht hat in den volkswirtschaftlichen Zusammenhang, weiß, daß vor der ‘Wirklichkeit nur diese Definition der Ware einen Wert hat.

Nun haben sich in dem modernen sozialen Organismus zahlreiche Verquickungen der Warenzirkulation mit anderem ergeben, und das hat diesen modernen sozialen Organismus zu seinen revolutionären Konvulsionen getrieben. Es ist eben eine realisierte Phantastik, wenn man heute glaubt, nicht nur Ware gegen Ware, sondern Ware gegen menschliche Arbeitskraft, wie im Lohnverhältnis, tauschen zu können; auch wenn man glaubt, Ware oder deren Repräsentanten, das Geld, gegen das, was nicht Ware sein kann, Grund und Boden zum Beispiel, solange er vom Menschen nicht verändert ist, tauschen zu können.

Denn der Grund und Boden ist als solcher kein Objekt des Wirtschaftsprozesses. Auf dem Grund und Boden werden Objekte des Wirtschaftsprozesses gewonnen durch menschliche Tätigkeit, aber Grund und Boden als solcher kann kein Objekt des Wirtschaftsprozesses sein. In bezug auf die Bedeutung des Grund und Bodens im sozialen Organismus kommt in Betracht, daß der eine oder andere ein Recht hat, ausschließlich diesen Boden zu benützen und zu bearbeiten. Dieses Recht auf den Boden ist es, was eine reale Bedeutung für den sozialen Organismus hat. Der Boden selber ist nicht Ware; es entstehen nur Waren auf ihm. Und was da eingreift, ist das Recht, das der Besitzer hat auf den Grund und Boden. Wenn Sie also käuflich, das heißt durch Tausch, ein Grundstück erwerben, so erwerben Sie in Wirklichkeit ein Recht, das heißt, Sie tauschen eine Sache gegen ein Recht, wie es ja schließlich auch beim Kaufe von Patenten der Fall ist.

Da greift man tief hinein in jene Verquickung, die so Unseliges bewirkt hat, in die Verquickung des reinen politischen Rechtsstaates mit dem Wirtschaftsleben. Hierfür gibt es keine andere Heilung als die Auseinandergliederung. Das Wirtschaftsleben muß man für sich walten lassen in der reinen Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsumtion, in einem assoziativen Leben, in dem sich Produktion, Konsumtion, die einzelnen Berufsinteressen, die die Menschen zusammenschließen, in ein entsprechendes Verhältnis stellen. Aber innerhalb dieser Assoziationen und assoziativen Gruppen wird nur gewirtschaftet; so wie im menschlichen Verdauungssystem eben nur die Verdauung vor sich geht. Diese Verdauung wird dann auf der anderen Seite von dem selbständigen LungenHerzsystem ergriffen, das seinerseits mit der Außenwelt in Beziehung steht. So muß auch aus einer besonderen Quelle heraus das, was im Wirtschaftsleben als Recht verankert ist, festgestellt werden. Das heißt, es muß alles das, was sich auf politische Verhältnisse bezieht neben dem Wirtschaftsleben eine relative Selbständigkeit haben.