Freie geistige und halbpersönliche wirtschaftliche Korporationen

Quelle: GA 188, S. 165, 2. Ausgabe 1967, 24.01.1919, Dornach

Ein starker Grund für die Entstehung des Materialismus ist, daß sich der Staat nach und nach bemächtigt hat aller freikorporativen, schulmäßigen Institutionen. Wenn Sie zurückgehen in die Zeiten, in denen man noch aus atavistischem Empfinden heraus, das aus dem Hellsehen entsprang, die Dinge gegründet hat, da werden Sie sehen, wie man da noch gefühlt hat die Notwendigkeit des Zusammenwirkens der drei Glieder. Erst seit dem 16. Jahrhundert ist das allmählich ineinandergeflossen, mit der Zeit des Heraufkommens des Materialismus. Sehen Sie sich die Universitäten an in früheren Zeiten: sie waren freie Korporationen, und sie stellten sich ganz selbständig in die menschliche soziale Struktur hinein. Der Mensch des früheren Zeitalters, wenn er ein bedeutender Jurist werden wollte, ging an eine bedeutende juristische Universität, also sagen wir nach Padua; wenn er ein bedeutender Mediziner werden wollte, nach Montpellier oder nach Neapel; wenn er ein bedeutender Theologe werden wollte, an die Universität in Paris. Das gehörte nicht irgendeinem Staate an, das gehörte der Menschheit an, denn das stellte sich als ein selbständiges Glied hinein in den sozialen Organismus. Heute hilft es einem Menschen, der in der Schweiz lebt, nichts, wenn er ein bedeutender Mediziner in irgendeinem andern Lande wird, denn da ist er gar nichts in der Schweiz auf dem Gebiete der Medizin, denn heute hat dasjenige, was nur die Regulierung machen sollte, die wirtschaftliche Produktivität und auch die geistige Produktivität aufgesogen. Und damit ist ein ungesundes Element hineingekommen. [...]

Polizei, Sicherheitsdienst, alles das, was das gesellschaftliche Recht ist - nicht das Privatrecht und nicht das Strafrecht, das gehört zum dritten Gliede, zum geistigen Leben -, gehört zum Regulierungssystem. Alles das, was Wirtschaftssystem ist, ist ein System für sich, das muß eine korporative Gliederung haben, halbpersönlich. Und alles, was geistiges Leben ist, muß auf die menschliche Individualität gestellt werden und kann nie und nimmer gedeihen, wenn es nicht auf die menschliche Individualität gestellt wird.