Demokratisierung des Militarismus durch Bürgertum

Quelle: GA 185a, S. 075-076, 2. Ausgabe 1963, 15.11.1918, Dornach

Was nun die Bourgeoisie betrifft, die zwischen dem Adel und dem Proletariat mittendrinnensteht, so ist zu sagen, daß gerade mit der Bourgeoisie auftritt ein gewisses Streben, die Erkenntnis wissenschaftlich zu machen, in die Vorstellungen, die in die geistige Welt hineingehen wollen, wissenschaftliche Gestaltung zu bringen. Dabei beruht die Macht der Bourgeoisie auf dem Besitz der Produktionsmittel, der Werkzeuge und dergleichen. Ich wähle in den Dingen, die zu sagen sind, um gewisse Ausblicke morgen oder übermorgen zu begründen, einzelne aus, aber Sie werden sehen, daß das, was ich auswähle, eine gewisse Bedeutung hat.

Besonders charakteristisch ist dasjenige, was immer eine Klasse von der nächstvorhergehenden übernimmt. So zum Beispiel übernimmt die Bourgeoisie von dem Adel den Militarismus. Aber es ist das Interessante, daß die Bourgeoisie überall die Tendenz hat, den Militarismus zu demokratisieren. Der Adelige braucht ein Heer, das ihm zur Verfügung steht, um ihn zu halten. Wie er das zustande kriegt, das kann ihm gleichgültig sein. Der Bürgerliche ist durch die Art, wie er mit seiner Lebens-, mit seiner Existenzgrundlage zusammenhängt, schon auch darauf angewiesen, sich auf ein Heer zu stützen, aber er muß dieses Heer aus demselben Volke herausnehmen, das er an seine Produktionsmittel hinstellt. Daher wird er zum Schwärmer der allgemeinen Wehrpflicht. Und, nicht wahr, in der Zeit, in der das Bürgertum allmählich heraufgekommen ist und sich entwickelt hat, war man selbstverständlich ein Trottel, wenn man nicht für die allgemeine Wehrpflicht schwärmen konnte, denn das war einfach der größte Fortschritt der Zeit, die allgemeine Wehrpflicht, die sogenannte Demokratisierung, des Militarismus und so weiter.