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Französischer Kriegshaß als fremde Ursache des slawischen Konflikts
Quelle: GA 185, S. 058-059, 3. Ausgabe 1982, 19.10.1918, Dornach
Je weiter wir nach Osten gehen, desto mehr müssen wir sagen: Das Nationale wird hinübergetragen, hinübergeleitet, so wie ich das gestern schon erwähnt habe. Aber dabei entstehen unlösbare historische Probleme. Und das ist auch ein solches Symptom. Freilich, diejenigen Menschen, die nicht nachdenken, die halten alles für lösbar, die glauben, man kann alles lösen.
Ein solches unlösbares Problem - ich meine jetzt nicht für den abstrakten Verstand, da ist es selbstverständlich lösbar, aber ich meine Wirklichkeiten - wird geschaffen 1870/71 zwischen West-, Mittel- und Osteuropa. Das ist das sogenannte Elsässische Problem. Selbstverständlich, die gescheiten Menschen, die können es lösen. Entweder erobert der eine Staat oder der andere, besiegt den andern, dann hat er die Sache gelöst, nicht wahr. Das hat man ja mit Bezug auf das Elsaß von der einen oder von der anderen Seite lange versucht. Oder wenn man das nicht will, stimmt man ab unter der Bevölkerung. Das geht sehr leicht, die Majorität entscheidet. Nicht wahr, auf diese Weise geht es, so sagen die gescheiten Menschen. Aber diejenigen, die in der Wirklichkeit stehen, die nicht bloß einen einzelnen Zeitpunkt sehen, sondern die da sehen, wie die Zeit überhaupt ein realer Faktor ist, und wie man nicht, was im Laufe der Zeit sich entwickeln muß, in einem kurzen Zeitraum zur Entwickelung kommen lassen kann - kurz, die Menschen, die in der Wirklichkeit stehen, die wußten schon, daß dies ein unlösbares Problem ist. Man lese nur, was die Menschen, die hineinzuschauen versuchten in den Gang der europäischen Entwickelung, über dieses Problem in den siebziger Jahren dachten und schrieben und sagten. Vor ihren Augen, vor ihren Seelenaugen stand, wie durch das, was da geschah, der Zukunft Europas sonderbare Vorbedingungen geschaffen wurden, wie der Drang entstehen wird im Westen, den ganzen Osten aufzurufen. Dazumal gab es schon Leute, welche wußten: Das slawische Problem wird in die Welt gesetzt dadurch, daß man im Westen die Sache anders wird lösen wollen als in Mitteleuropa. - Ich will nur hindeuten darauf, wie die Sache ist. Ich will hindeuten darauf, daß es ein solches handgreifliches Symptom ist, wie ich Ihnen gestern den Dreißigjährigen Krieg vorgeführt habe, um Ihnen zu zeigen, daß man in der Geschichte nicht das Folgende als eine Wirkung des Vorhergehenden zeigen kann. Gerade der Dreißigjährige Krieg zeigt: Das, womit es angefangen hat, was vor dem Ausbruch des Krieges war, das ist genauso wie nach dessen Ende; aber mit dem, was dann entstanden ist, hat es nicht angefangen. Von Ursache und Wirkung ist nicht die Rede. Sie sehen da etwas Charakteristisches an diesem Symptom, ebenso an dem Elsässischen Problem. Für viele Fragen der neueren Zeit könnte ich Ihnen das gleiche zeigen. Die Dinge werden aufgeworfen, führen aber nicht zu einer Lösbarkeit, sondern zu einer Unlösbarkeit, zu immer neuen Konflikten, führen in Sackgassen des Lebens. Das ist wichtig, daß man das ins Auge faßt. Sie führen so in Sackgassen des Lebens, daß man nicht einerlei Meinung sein kann in der Welt, daß der eine eine andere Meinung haben muß als der andere, einfach wenn er an einem anderen Orte von Europa steht. Und wiederum gehört das zu charakteristischen Seiten neuzeitlicher Geschichtssymptome, daß die Menschen es dazu bringen, sich Tatsachen zu schaffen, die unlösbare Probleme sind.