Kampf wenn nicht Krieg aus Westen wegen Sprachschwäche

Quelle: GA 181, S. 212-214, 3. Ausgabe 1991, 09.04.1918, Berlin

So ungeheuer katastrophal unsere gegenwärtigen Ereignisse sind, so sehr sie schon, rein äußerlich, oberflächlich betrachtet, alles überbieten, was an Ähnlichem seit dem geschichtlichen Leben sich in der Menschheit ausgebreitet hat, sie sind trotzdem Teilereignisse eines großen, umfassenden Geschehens, eines Geschehens, das nur derjenige richtig ins Auge fassen kann, der es mit der nötigen Ehrfurcht und mit dem nötigen Ernst betrachtet. So etwas wird ins Auge gefaßt werden müssen. Vor allen Dingen weiß man an gewissen Orten unserer Erdenmenschheit über die Menschheitsentwickelung schon mancherlei. Aber man bewahrt gerade jenen Teil des Wissens sorgfältig, der Macht in die Hände der Wissenden liefern soll. Nun weiß ich ja nicht, inwiefern Sie dieses bezweifeln wollen, aber die Dinge, die ich meine, sind eben so gesagt, daß ich es jedem frei stelle, davon in seinen eigenen Glauben aufzunehmen, so viel er von ihnen für glaubwürdig hält. - Es streben heute die Menschen der englisch sprechenden Erdenbevölkerung aus gewissen Impulsen heraus, die wir vielleicht auch noch einmal genauer charakterisieren wollen, nach einer irdisch-universellen Weltherrschaft. Das ist kein Ergebnis irgendeines mitteleuropäisch-chauvinistischen Empfindens, sondern es ist ein Ergebnis der ganz objektiven okkulten Forschung, und es würde von den wissenden Mitgliedern der anglo-amerikanischen Bevölkerung jedenfalls am allerwenigsten negiert werden - geleugnet vielleicht, aber nicht negiert -, bloß daß die Wissenden es auf keinen Fall unter die Leute kommen lassen wollen. Diese Wissenden wissen nämlich auch das Folgende noch, das ich Ihnen anschaulich machen will, indem ich ein klein wenig weiter aushole.

Im Verlaufe der Menschheitsentwickelung, so wie vom dritten, vierten in unseren fünften nachatlantischen Entwickelungszeitraum die Entwickelungszusammenhänge in den Materialismus hinein sich gestaltet haben, sind manche Dinge, die früher Wahrheiten ausdrückten, entwertet, richtig entwertet worden. Wenn Sie nach alten Überlieferungen suchen, finden Sie überall gerade die tiefsten Wahrheiten in die Bildform gekleidet. Mythos, Bilder, Bildformen lassen sich ja [] heute die Menschen nur noch als Dichtung gefallen. Bei Strindberg zum Beispiel lassen sie es sich gefallen, weil er ja scheinbar Dichtung geben will. Aber die Menschen sind bescheiden, wenn sie sagen: Das brauche man nicht zu glauben, und man soll ja nichts darin sehen, was wirkliche Wahrheit in den Sachen ausdrückt. - Das mythische, bildliche Ausdrücken ist entwertet worden. Die Menschen empfinden bei der Imagination nicht, daß hinter ihr etwas steckt. Dieser Prozeß wird sich im Laufe des fünften nachatlantischen Kulturzeitraumes, insbesondere bei der englisch sprechenden Bevölkerung, auf die Sprache selbst ausdehnen. Nicht nur, daß die Bilder als Ausdrucksmittel entwertet wurden, sondern das Wort als solches wird entwertet. Wie man heute vom materialistischen Bewußtsein aus das Bild bekämpft, so wird man in Zukunft das Wort bekämpfen. Man wird sagen, das Wort sei nicht geeignet, durch sich selbst überhaupt etwas Wahres auszudrücken. Fritz Mauthner hat es schon mit seiner «Kritik der Sprache» versucht, der Sprache überhaupt alles aufzuhalsen, was an Aberglauben in der Menschheit existieren soll. Aber er hat es vielleicht nicht mit einem ungeeigneten Werkzeug zu tun. Sein kritischer Teil ist nämlich ein geeignetes Werkzeug; aber er hat es mit einem ungeeigneten Material zu tun: mit der deutschen Sprache. Damit täuscht er sich. Die englisch sprechenden Okkultisten aber haben das geeignete Material: die englische Sprache. Die hat in ihrem Entwickelungsimpuls, den sinnvollen Inhalt zu entwerten, immer mehr und mehr die bloße Wortranke zu haben. Bedenken Sie, wieviel sie heute schon an bloßen Wortschweifen hat, was darin bloß überhudelt wird. Und wer gar englische Philosophie studiert, merkt es ihr an, daß die Sprache nichts mehr hergibt von inhaltsvollem Wortreichtum. Man studiere zum Beispiel John Stuart Mill, Herbert Spencer und andere: Die Sprache gibt nichts her, um in den Geist hineinzukommen. Man kann daran sehen, wie die Sprache eine große Rolle spielt, wenn das Sprachproblem von englisch sprechenden Okkultisten aufgefaßt wird; denn das liegt in den Zeitimpulsen. Daher handelt es sich darum, aus okkulten Untergründen heraus Mittel und Wege zu ersinnen, um ohne die Hilfe der Sprache Weltherrschaft auszuüben. Und das ist der große Gegensatz von Orient und Okzident: der Orient mit seiner ungemein [] lebendigen Intensität der Sprache, der Okzident mit dem Abwerfen des inneren Sinnvollen der Sprache. Wiederum ist der Mitteleuropäer zwischen die beiden Extreme hineingestellt. Was sich da abspielt und was ein bedeutsames Symbolum hat in etwas, was heute so laut wie möglich geschrieen wird, aber so verlogen wie möglich ist, um das Wahre zu verdecken - das ist wieder nicht aus irgendeiner chauvinistischen Empfindung heraus gesagt, sondern aus der nüchternsten geisteswissenschaftlichen Entdeckung -, was so laut geschrieen wird und die verschiedenen Völker zur Geltung bringen, das ist nur gesagt, um das andere zu verhüllen: Der Wille, zur Herrschaft zu kommen auf einem Gebiete, wo die Sprache durch ihren eigenen Entwickelungsgang ihre Herrschaft verliert. Das ist etwas, wovon auch die großen, einschneidenden, katastrophalen Ereignisse der Gegenwart Spezialdinge sind; das ist etwas, was einen großen, umfassenden Kampf inauguriert, der sich in den verschiedensten Formen in der nächsten Zeit über die Erdenmenschheit hin zum Ausdruck bringen muß. Es ist nicht etwas, worüber man so denken kann, daß es damit sein wird wie mit allen Kriegen bisher: daß früher auch Kriege gewesen sind, daß dann Frieden geschlossen sind und daß es weiterhin sein wird, wie es früher auch war. Sondern das ist etwas, was man als etwas Perpetuierliches ins Auge zu fassen hat; denn nur dann bekommt man über die einschneidenden Ereignisse der Gegenwart durchgreifende Gedanken, wenn man solche Dinge berücksichtigt. Man muß sich heute entschließen, über gewisse Verhältnisse nicht mehr oberflächlich zu denken, sondern in die Tiefen hineinzugehen, sonst kommt bei allem, was man zu unternehmen versucht, nichts besonderes heraus. Aber es wird der Gegenwart recht schwer, sich an das zu gewöhnen, was auf diesem Gebiete aus der geisteswissenschaftlichen Betrachtung heraus fließen muß.