Freie kulturelle Wahl und Konkurrenz statt staatliche Privilegierung

Quelle: GA 024, S. 360-362, 2. Ausgabe 1982, 07.1917

Was im einzelnen geschehen wird, das zeigt sich bei solchen Dingen immer dann, wenn sie sich auf den Weg der Verwirklichung begeben. Denn sie sind nicht Vorschriften über etwas, was zu geschehen hat, sondern Voraussagen dessen, was geschehen wird, wenn man die Dinge auf ihre durch die eigene Wirklichkeit geforderte Bahn gehen läßt. Und diese eigene Wirklichkeit schreibt vor, bezüglich aller religiösen und geistigkulturellen Angelegenheiten, wozu auch das Nationale gehört, Verwaltung durch Korporationen, zu denen sich die einzelne Person aus freiem Willen bekennt, und die in ihrem Parlamente als Korporationen verwaltet werden, so daß dieses Parlament es nur mit der betreffenden Korporation, nie aber mit der Beziehung dieser Korporation zu der einzelnen Person zu tun hat. Und nie darf es eine Korporation mit einer unter demselben Gesichtspunkte zu einer anderen Korporation gehörigen Person zu tun haben. Solche Korporationen werden aufgenommen in den Kreis des Parlamentes, wenn sie eine bestimmte Anzahl von Personen vereinigen. Bis dahin bleiben sie Privatsache, in die sich keine Behörde oder Vertretung zu mischen hat. Für wen es ein saurer Apfel ist, daß von solchen Gesichtspunkten aus alle geistigen Kulturangelegenheiten künftig der Privilegierung entbehren müssen, der wird eben in diesen sauren Apfel zum Heile des Volksdaseins beißen müssen. Bei der immer weitergehenden Gewöhnung an diese Privilegierung wird man ja in vielen Kreisen schwer einsehen, daß man auf dem Wege von der Privilegierung gerade der geistigen Berufe zum guten alten, uralten Prinzipe der freien Korporierung zurückkehren muß. Und daß die Korporation zwar einen Menschen in seinem Berufe tüchtig machen soll, daß man aber die Ausübung dieses Berufes nicht privilegieren, sondern der freien Konkurrenz und der freien menschlichen Wahl überlassen muß. Das wird von allen denen schwer einzusehen sein, die gern davon sprechen, daß die Menschen doch zu dem oder jenem nicht reif seien. In der Wirklichkeit wird dieser Einwand ja ohnedies nicht in Betracht kommen, weil mit Ausnahme der notwendig freien Berufe über die Wahl der Petenten die Korporation entscheiden wird.