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Das Angebot hat die Nachfrage nach Opium geschaffen
Quelle: GA 173, S. 341-343, 1. Ausgabe 1966, 30.12.1916, Dornach
Das mächtige Britische Reich enthält als einen seiner hauptsächlichsten Faktoren die Herrschaft über Indien. Diese Herrschaft über Indien hat mancherlei Stufen des Vorlebens. Sie ist ausgegangen von der Ostindischen Gesellschaft, einer Handelsgesellschaft, der zunächst die Privilegien gegeben worden sind, für England allein mit Indien Handel zu treiben. Und so entwickelte sich im Laufe der Zeit aus den verschiedenerlei Rechten der Ostindischen Gesellschaft kontinuierlich, sachgemäß, Englands Herrschaft über Indien, sogar das englische Kaisertum Indien. Es entwickelte sich daraus auch, und zwar schon in der Ostindischen Gesellschaft, Englands Handel mit China. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts war übrigens schon ein eifriger Handel zwischen Indien und China betrieben worden, und die englisch-ostindische Gesellschaft war damals schon beteiligt. Im weiteren Verlaufe aber wurde ja überhaupt England der Erste Kaufmann der Welt.
Nun kam mit diesem Einverleiben des Elementes des Handeltreibens im Orient ein anderes damit in Berührung, es durchkreuzte sich damit ein anderes. Seit dem 17. Jahrhundert verbreitete sich in China die Sitte des Opiumrauchens. Wahrscheinlich haben die Araber die Chinesen das Opiumrauchen gelehrt, denn vor dem 17. Jahrhundert waren die Chinesen keine Opiumraucher. Opiumrauchen bedeutet für die Menschen, die es tun, einen fragwürdigen, aber starken Genuß; denn der Opiumraucher verschafft sich die mannigfaltigsten, aus dem Astralischen herausgeborenen Phantasien, in denen er lebt; es ist wirklich eine andere Welt, die auf rein materiellem Wege erreicht wird.
Als nun die Leute, die in der angegebenen Weise von England aus mit China Handel trieben, bemerkten, daß unter den Chinesen immer mehr und mehr die Sitte, die Leidenschaft des Opiumrauchens überhandnahm, da richteten sie in Bengalen, in Indien, weite Mohnkulturen ein, um das Opium zu gewinnen; denn es weiß jeder, der die Gesetze einer solchen Sache kennt, daß nicht nur die Nachfrage das Angebot erzeugt, sondern daß umgekehrt das Angebot auch wiederum die Nachfrage hervorbringt. Wenn man recht viel anbietet, dann entsteht nach diesem oder jenem Artikel ein besonders starkes Bedürfnis, das weiß jeder Nationalökonom. Und auch dafür wurde nun der Ostindischen Gesellschaft von England aus das Monopol gegeben, in China das Opium einzuführen. Und je mehr man einführte, desto mehr verbreitete sich in China dieses Übel des Opiumrauchens. Seit 1772 wurden jährlich mehrere tausend Kisten eingeführt, jede Kiste zum Betrag von etwa viertausendachthundert Mark.
Nun, ich wähle gerade dieses Beispiel, weil so etwas wirklich einen tieferen kulturhistorischen Untergrund hat, wenn man alle Faktoren in Erwägung zieht. Denken Sie doch nur einmal, daß Sie mit dem Einimpfen des Opiums, da es auf die Seele wirkt, wirklich in das ganze geistige Leben eines Volkes oder derjenigen Menschen, denen Sie das Opium liefern, eingreifen. Ich kann dieses Beispiel wählen, denn es fällt mir gar nicht ein, zu behaupten, irgend jemand habe unrecht, der Handel treiben will; der Handel muß in der Welt frei sein. Das ist auch ein berechtigter Grundsatz. Und jemandem ohne weiteres unrecht zu geben, der in Bengalen Mohnkulturen macht, um daraus Opium für China zu gewinnen und Gold dafür einzunehmen, das fällt mir gar nicht ein.
Aber die Chinesen sahen die armen ausgemergelten Opiumraucher. Der Opiumraucher kommt allmählich ganz herunter und es war nach und nach zu bemerken, welchen Einfluß für das Dekadentwerden weiter Schichten der Bevölkerung in China dieses Opiumrauchen hat. Als die Chinesen das bemerkten, war die Folge davon, daß sie 1794 das Opium verboten. Sie wollten kein Opium mehr in ihr Land hereinlassen.
Nun, wie das so geht: Verbote hindern manchmal nicht den Handel mit dem, was verboten ist; man findet Mittel und Wege, die Sache doch zu verhandeln. Und damals stellte es sich heraus, daß - trotzdem formal das Verbot bestand, trotzdem die Chinesen ein Gesetz erlassen hatten, daß Opium nicht eingeführt werden darf - der Opiumhandel doch blühte.
Es gibt ja allerlei Dinge; Bestechungen sind nur eine Seite der Sache, es gibt manches andere damit Verwandte. Nun, kurz, der Opiumhandel blühte, und war von einigen tausend Kisten im Jahre 1773 auf dreißigtausend Kisten im Jahre 1837 gestiegen - in wenigen Jahrzehnten. Das, was dafür erlöst wurde, etwa dreißig Millionen Franken im Jahre, floß nach Britisch-Indien.