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Arbeit aus Pflicht oder Arbeit aus Enthusiasmus
Quelle: GA 141, S. 163-164, 5. Ausgabe 1997, 04.03.1913, Berlin
Sehen wir uns einmal das Leben an. Wir sehen zahlreiche Menschen, die machen ihre Arbeit, wie es ihnen vorgeschrieben ist durch ihr Amt oder durch dieses oder jenes. Aber wenn auch nicht der radikale Fall eintritt, daß solche Menschen ihrer Arbeit gegenüber leben wie das Tier, das zur Schlachtbank geführt wird, so könnte man doch sagen, sie arbeiten, weil sie müssen. Sie würden auch nie ihre Pflicht versäumen - gewiß, das kann alles sein! In gewisser Beziehung kann das beim heutigen Menschheitszyklus auch gar nicht anders sein in bezug auf das, was die Pflicht fordert und wofür der Mensch keinen anderen Antrieb hat, als daß es die Pflicht fordert. Das soll durchaus nicht so gesagt sein, als wenn die Pflichtarbeit in Grund und Boden hinein kritisiert werden soll! So darf es nicht aufgefaßt werden; die Erdentwickelung ist eben so, daß gerade diese Seite des Lebens immer mehr und mehr Ausbreitung gewinnt. Das wird in Zukunft nicht etwa besser sein: die Verrichtungen, welche die Menschen werden tun müssen, werden sich immer mehr und mehr komplizieren, insofern sie das äußere Leben betreffen, und immer mehr und mehr werden die Menschen verurteilt sein, nur das zu tun und zu denken, wozu sie durch die Pflicht getrieben werden. Aber wir haben es heute schon - und werden es immer mehr haben -, daß es Menschen gibt, die ihre Arbeit nur deshalb tun, weil sie durch die Pflicht getrieben werden, und daß es dagegen andere Menschen geben wird, die sich eine Gesellschaft wie die unserige aufsuchen, wo sie auch etwas vollbringen können, nicht aus äußerem Pflichtgefühl, wie im äußeren Leben, sondern etwas, wozu sie Hingabe, Enthusiasmus haben. Daher können wir die Arbeit nach der Seite hin ins Auge fassen: ob sie gleichsam eine Arbeit des äußeren Vollbringens und des Denkens aus Pflicht ist, oder eine Arbeit, die mit Enthusiasmus, mit Hingabe aus innerstem Triebe der Seele verrichtet wird, wozu nichts treibt als die Seele selber. Diese Stimmung der Seele: nicht bloß aus Pflicht, sondern aus Liebe, aus Neigung, aus Hingabe zu denken und zu tun, diese Stimmung bereitet die Seele dazu vor, ein Diener der guten Mächte von Gesundheit, von allen heilsamen Kräften zu werden, die aus der übersinnlichen Welt in unsere physische Welt hinuntergeschickt werden, ein Diener von allem Sprießenden und Sprossenden, Gedeihenden zu werden und die Seligkeit zu empfinden, die man dadurch empfinden kann.
Es ist für das Gesamtleben des Menschen außerordentlich wichtig, dies zu wissen. Denn dadurch allein, daß er sich im Leben solche Kräfte erwirbt, welche ihn fähig machen, mit den betreffenden Mächten zusammenzukommen, dadurch allein kann der Mensch geistig mitarbeiten an einer immer weitergehenden Gesundung, an einem immer weitergehenden Gedeihen der Erdenverhältnisse.