Starke Seelen können unpassende Vererbung überwinden

Quelle: GA 107, S. 210-212, 5. Ausgabe 1988, 26.01.1909, Berlin

Wir sind in unserer Organisation auch abhängig von den Vererbungskräften. Das gibt immer eine Disharmonie in jedem Leben. Wenn der Mensch geboren wird, steht er auf der einen Seite in den Vererbungskräften drinnen. Er erbt für den physischen Leib und für den Ätherleib die Eigenschaften, die er in der Ahnenreihe herauf erben kann. Diese Vererbung ist natürlich durchaus nicht ganz ohne äußere Beziehung zu dem, was unsere Seele sich karmisch vorgeschrieben hat. Denn unsere Seele, die herunterkommt aus der geistigen Welt, wird hingezogen zu demjenigen Elternpaar, zu der Familie, wo Eigenschaften vererbt werden können, die am verwandtesten sind zu den Bedürfnissen der Seele. Aber sie sind ja nie ganz gleich mit den Bedürfnissen dieser Seele. Das kann in unserem Leib nicht sein. Da gibt es immer ein gewisses Nichtzusammenstimmen zwischen dem, was an Vererbungskräften da ist, und dem, was die Seele in sich selbst auf Grund ihrer vergangenen Leben hat. Und es handelt sich lediglich darum, daß die Seele stark genug ist, um alle die in der Vererbungslinie gegebenen Widerstände zu überwinden, daß es ihr möglich ist, ihre Organisation im Laufe des ganzen Lebens so auszugestalten, daß sie das überwindet, was in ihr nicht passend ist. Darin sind die Menschen sehr verschieden. Es gibt Seelen, die durch ihre vorherigen Lebensläufe sehr stark geworden sind. Es muß eine solche Seele eben in den allerpassendsten Leib hineingeboren werden, nicht in den absolut passenden Leib. Sie kann nun so stark sein, daß sie alles, was zu ihr nicht paßt, annähernd überwindet, aber es braucht das nicht immer der Fall zu sein. Wir wollen im einzelnen das verfolgen und dazu unser Gehirn betrachten.

Wenn wir dieses Instrument unseres Vorstellungs- und Gedankenlebens betrachten, so erben wir es als äußeres Instrument aus unserer Vorfahrenreihe. Es ist so und so in seinen feineren Wölbungen und Windungen herausgestaltet aus der Vorfahrenreihe. Bis zu einem gewissen Grade wird die Seele immer durch eine innere Kraft das überwinden können, was nicht zu ihr paßt, und ihr Werkzeug ihren Kräften sich anpassen können; aber nur bis zu einem gewissen Grade. Die stärkere Seele kann das mehr, die schwächere Seele kann es weniger. Und haben wir gar durch Verhältnisse, die eintreten können, die Unmöglichkeit, durch unsere Seelenkräfte die widerstrebenden Fügungen und Organisationen des Gehirns zu überwinden, dann können wir das Instrument nicht ordentlich handhaben. Dann tritt das ein, was wir nennen können: die Unmöglichkeit, dieses Instrument zu handhaben, in gewisser Beziehung ein geistiger Defekt, eine geistige Erkrankung, wie man es so nennt. Es tritt auch das ein, was man ein melancholisches Temperament nennt, dadurch daß gewisse Organisationen in uns nicht überwunden werden können durch die Kräfte der Seele, die dazu nicht stark genug sind. Also jetzt, in der Mitte der Inkarnation - am Anfang und am Ende der Inkarnation ist das anders -, haben wir in uns immer ein gewisses Unangemessensein des Instrumentes gegenüber den Kräften der Seele. Das ist ja immer der geheimnisvolle Grund zu der inneren Zwiespältigkeit und Disharmonie der Menschennatur. Alles, was der Mensch oftmals denkt über den Grund seiner Unbefriedigtheit, ist ja gewöhnlich nur Maske. In Wahrheit liegen die Gründe da, wo eben jetzt hingedeutet worden ist. So also sehen wir, wie das Verhältnis der Seele, dessen, was von Verkörperung zu Verkörperung lebt, zu dem steht, was wir in der Vererbungslinie empfangen.