Blutverwandschaft beim Adel

Quelle: GA 054, S. 478, 2. Ausgabe 1983, 26.04.1906, Berlin

Zwei Stände nur kamen für das tonangebende Geistesleben vor dem Herankommen des Bürgerlebens in Betracht: Adel und Geistlichkeit. Nachdem das Bürgertum heraufkam, war die Geisteskultur außerordentlich viel mehr auf die Einzelpersönlichkeit und deren Tüchtigkeit gebaut als vorher, wo auf der einen Seite innerhalb des Adeltums die Blutsverwandtschaft, die Stammeszugehörigkeit über den Wert des Menschen und seine Stellung, die er in sozialer Beziehung einnehmen sollte, mitsprachen, wo nicht das allein, was der einzelne Geistliche aus sich selbst schuf, hinter ihm stand, sondern wo hinter dem einzelnen die ganze Kraft und Geisteskultur der Kirche stand. Die stand als ein Ganzes hinter der einzelnen Persönlichkeit. Erst in der Zeit des Bürgertums war die Leistung des einzelnen auf die persönliche Tüchtigkeit des einzelnen gebaut. Daher wird auch alles, was uns in dieser Zeit des ausgehenden Mittelalters, des heranwachsenden Bürgertums begegnet, so, daß es einen persönlichen Charakter bekommt, daß die Persönlichkeit sich viel mehr einsetzen muß. Viele solcher Persönlichkeiten könnten wir anführen, die so ihre ureigensten Kräfte damals einsetzen mußten.