Vorurteil gegen Juden erst im Spätmittelalter entstanden

Quelle: GA 051, S. 178-179, 1. Ausgabe 1983, 28.12.1904, Berlin

Neben diesen lichten Seiten des mittelalterlichen Lebens gab es natürlich auch manche dunkle. Vor allem die harte Behandlung aller derjenigen, die nicht zu einer festen Gemeinschaft gehörten. Sie waren ausgestoßen, etwas für das die Städte nicht aufkamen. Alle die nicht zur Zunft gehörten, mußten eine schlechte Behandlung erleiden. Vor allem die «fahrenden Leute». Der Name «unehrliche Leute» entstand damals, eine furchtbare Bezeichnung für die fahrenden Leute. Zu den unehrlichen Leuten wurden die verschiedensten Berufe gerechnet, Schauspieler, Gaukler, Schäfer und so weiter. Ihnen war der Zutritt zu den Zünften verschlossen, sie durften sich nirgends zeigen, ohne Gefahr zu laufen, gequält zu werden. Ebenso erging es den Juden. Das Vorurteil gegen diese ist nicht sehr alt. Im frühen Mittelalter finden wir viele Juden als Gelehrte anerkannt. In späterer Zeit kamen sie dem Geldbedürfnis der Fürsten und Ritter entgegen. Durch die eigentümlichen Verhältnisse des Mittelalters gelangten sie zu der Stellung des Geldverleihers, der zwischen Handel und Wucher stand und ihnen Haß eintrug. Doch verschaffte ihnen die Geldnot der Könige immer wieder gewisse Rechte; diese Tätigkeit trug ihnen den seltsamen Namen Königliche Kammerknechte ein.