Freiheits- und Gleichheitsbegriff inhaltvoll statt nebelig

Quelle: GA 032, S. 328-329, 2. Ausgabe 1971, 20.01.1900

Hegel hat die Ideen von Freiheit, Recht, Pflicht, Schönheit, Wahrheit usw. klar herauszuarbeiten gesucht, so, daß eine jede von ihnen plastisch, inhaltvoll vor uns steht. Er suchte sie vor unser geistiges Auge zu stellen, wie die Blumen und die Tiere vor unserem leiblieben Auge stehen. Und dann suchte er die ganze Mannigfaltigkeit der Ideen unseres Geistes in ein Ganzes zu bringen - die Gedanken zu gliedern, so daß sie uns wie eine große Harmonie erscheinen, in der jedes Einzelne auf seinem Platz seine volle Geltung hat. So stehen auch die einzelnen Blumen, die einzelnen Tiere der Wirklichkeit nebeneinander, sich selbst zur harmonischen Ganzheit und Allheit gliedernd. Was tut Julius Hart? Er erklärt von uns Menschen des neunzehnten Jahrhunderts: «Wie haben wir uns berauschen lassen vom Klange hoher Worte, wie Freiheit, Gleichheit, Schönheit, Wahrheit, von lauter Begriffen, die in Nebel und Rauch auseinanderfließen, wenn man sie fassen und greifen, in Sinnlichkeiten und Taten umsetzen und das Leben nach ihnen ordnen will?» Nein, Verehrtester, das liegt an Ihnen. Sie hätten es nicht nötig gehabt, sich vom Klange der hohen Worte berauschen zu lassen. Sie hätten sich lieber in den differenzierten Inhalt, den die Denker des neunzehnten Jahrhunderts diesen Worten gegeben haben, vertiefen sollen. Es tut einem weh, sehen zu müssen, wie jemand uns die Geistesgrößen des Jahrhunderts erst zu Miniaturbildchen seiner eigenen Phantasie macht und dann ein furchtbares Gericht abhält über dieses Jahrhundert.