Andere Herangehensweise der Grundrente : Adolf Damaschke, Henry George.

Quelle: GA 337a, S. 361-363, . Ausgabe 1999, 0000

195 16. Juni 1920: Am gleichen Tag fand in Dornach in Abwesenheit von Rudolf Steiner — er ließ sich durch Roman Boos vertreten — die endgültige Gründung der Futurum A.G. statt. In der anschließenden Sitzung des Futurum-Verwaltungsrates wurde Rudolf Steiner zum Präsidenten gewählt.

196 ein sehr bekannter Bodenreformer: Vermutlich meint Rudolf Steiner Adolf Damaschke. Siehe Hinweis zu S. 197.

in grundlegenden Vorträgen folgendes vor Augen geführt hat: Damaschke ging davon aus, daß die Grundrente, die sich aus der Nutzung und dem Gebrauch des Bodens ergibt, durch das Leben der Gesamtheit der Bevölkerung entsteht. Je höher durch die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens der Vorteil gewertet werden kann, der sich aus der Nutzung von Grund und Boden ergibt, umso höher die Grundrente und damit der Preis für den Boden. Der Besitzer von Grund und Boden erhält auf diese Weise — zum Beispiel im Ausbreitungsbereich der Städte — einen nicht durch eigene Leistung bewirkten Einkommenszuwachs. Damaschke wollte daher denselben abschöpfen (durch Besteuerung) und der Allgemeinheit zuführen.

197 Henry George, 1839-1897, amerikanischer Publizist und radikaler Sozialreformer. Von Beruf ursprünglich Buchdrucker, zeigte er als anonymer Verfasser von Zeitungsbeiträgen journalistisches Talent und stieg bald zum Redakteur auf. Als seine Zeitung an eine Kapitalistengruppe überging und er ihren Interessen dienlich sein sollte, zog er sich zurück und übernahm eine kleine Beamtenstelle. 1887 begründete er wieder eine eigene Wochenschrift. 1897 bewarb sich er um das Amt eines Bürgermeisters von New York mit großer Aussicht auf Erfolg, starb aber, noch bevor der Wahlgang stattfinden konnte. Henry George trat für eine radikale Sozialreform ein; er verfaßte auch eine Reihe von Schriften zur Beseitigung des sozialen Elends.

Die Ursache dafür sah er im herrschenden Bodenunrecht. In seiner «Untersuchung über die Ursache der industriellen Krisen und die Zunahme der Armut bei zunehmendem Reichtum» — so der Untertitel seines berühmtesten Buches, «Progress and Poverty», erschienen 1880 in New York — sah er im Monopolcharakter von Grund und Boden. Da jede Beschäftigung der Arbeit und des Kapitals die Benutzung von Grund und Boden erfordere und dieser unvermehrbar sei, verleihe dieser die Macht, sich einen Teil des Ertrags dieser beiden Produktionsfaktoren anzueignen. So ließe sich die Armut nie überwinden, denn mit dem Ansteigen der Arbeitsproduktivität steige auch das an die Grundbesitzer zu entrichtende Entgelt und damit würde die Erhöhung der Löhne verhindert. Das Bodenmonopol sei durch nichts gerechtfertigt; das Recht aller Menschen auf Boden sei so klar wie das Recht, die Luft zu atmen. Nur durch eine steuerliche Abschöpfung der Grundrente sei eine Beseitigung des herrschenden Bodenunrechts möglich. Im «Magazin für Litteratur» vom 6. November 1897 (66. Jg. Nr. 44) schrieb Rudolf Steiner über die Bedeutung von Henry George (in GA 31): «Am 29. Oktober ist in New York Henry George, der berühmte Bodenreformer, gestorben. Ich glaube recht zu haben, wenn ich sage, daß Männer meines Alters den Schriften dieser energischen, gedankenreichen Persönlichkeit außerordentlich viel verdanken. Sein eindringlich geschriebenes, wenn auch etwas breitangelegtes Buch hat uns zu gründlichem Nachdenken über die Bedeutung von Grund und Boden innerhalb des staatlichen Organismus angeregt.»

Adolf Damaschke, 1865-1935, deutscher Sozialreformer. Damaschke stammte aus einer Handwerkerfamilie und hatte als Volksschullehrer die sozialen Mißstände in den Berliner Arbeitervierteln kennengelernt. Wie Henry George sah er die Gründe für die soziale Not in dem herrschenden Bodenunrecht. 1896 schied Damaschke aus dem Schuldienst aus und widmete sich seitdem ganz der Bodenreformbewegung. 1898 übernahm er den Vorsitz des neu begründeten und die verschiedenen Strömungen zusammenfassenden «Bundes Deutscher Bodenreformer». Dieser verfolgte eine gemäßigte, auf die Erreichung realpolitischerZiele ausgerichtete Politik und konnte verschiedene Erfolge — vor allem imBereich der Bodenvorratspolitik der Gemeinden und der Entstehung von Bauspargenossenschaften — verbuchen. Adolf Damaschke veröffentlichte verschiedene Schriften zur Frage der Bodenreform.

197 daß der Grund und Boden mehr oder weniger etwas sein müsse, was gewissermaßen der Allgemeinheit gehöre. Nicht, als ob alle Bodenreformer etwa eine unmittelbare Verstaatlichung des Grund und Bodens wollten: Die meisten Bodenreformer sahen das Bodenunrecht weniger in der Institution des Privateigentums als in der privaten Aneignung der gesamten Grundrente. Henry George(1839-1897) zum Beispiel strebte nicht die Enteignung der bisherigen Grundbesitzer an, sondern forderte, daß die Grundrente durch den Staat mit Hilfe einerGrundsteuer — einer einzigen Steuer, die alle andern Steuern ersetzen könnte — vollständig abgeschöpft werden müsse. Der deutsche Bodenreformer Michael Flürscheim (1844-1912) dagegen vertrat die Auffassung, daß der Staat den Boden nach dem gegenwärtigen Preisstand aufkaufen und dann in der Art weiterverpachten solle, daß dem Pächter einzig eine Vergütung für die geleistete Arbeitübrigbliebe. Etwas weniger radikale Auffassungen vertrat Adolf Damaschke(1865-1935). Obwohl grundsätzlicher Befürworter einer zunehmenden Kommunalisierung des Bodens, wollte er das Privateigentum nicht eigentlich abschaffen. Worauf er das Hauptgewicht legte, war die steuerliche Abschöpfungder zusätzlichen Grundrente auf unbebautem Boden in städtischen Gebieten, dienicht auf eigenen Leistungen beruhten, sondern durch Leistungen der Allgemeinheit zustandekamen. Die Steuer sollte auf der Grundlage einer Selbsteinschätzung des Grundstückswertes erhoben werden, wobei der Gemeinde jederzeit die Ubernahme dieses Grundstückes zu dem von den einzelnen Grundbesitzern selber festgelegten Wert möglich sein sollte.