Die verschleierte Macht des Geldes

16.02.2018

„Die Geldschöpfung wurde von bisherigen Kritikern des heutigen Systems vernachlässigt, obwohl hierin ‚des Pudels Kern‘ liegt. Alle Änderungsvorschläge, die nicht auf die Basis der Geldschöpfung abzielen, sind für das heutige System völlig harmlos, irrelevant, ausser dass sie zu immer brutal-aristokratischeren gesellschaftlichen Verhältnissen führen, zu immer mehr Gesetzen, Reglementierungen, Kontrollen, Überwachungen etc. Erst wenn der Hebel an der Basis der Geldschöpfung angesetzt wird, wird es kritisch für das etablierte System.“ Weiterlesen

 

Alexander Caspar - Die verschleierte Macht des Geldes (PDF)

 

Inzwischen gibt es zwar eine Initiative von Joseph Huber, die „auf die Basis der Geldschöpfung“ abzielt. Mit dem von ihm angestrebten Vollgeld wird die heutige Geldschöpfung aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Joseph Huber geht es nicht darum zu vermeiden, dass bei der Geldschöpfung Gewinne überhaupt entstehen. Er wendet sich bloss gegen die Privatisierung dieser Gewinne und gibt sich damit zufrieden, sie mithilfe der Zentralbanken zu verstaatlichen. Alexander Caspar legt dagegen dar, dass jede Erweiterung der Geldmenge eine Verschleierung darstellt, weil dadurch die Industrie gegenüber der Landwirtschaft bevorzugt wird. Von einer zeitgemässen Geldschöpfung würde man erst sprechen können, wenn sie dem Ziel eines Interessenausgleichs zwischen Landwirschaft und Industrie nicht zuwiderlaufen würde.

Sylvain Coiplet

Alexander Caspar
Die verschleierte Macht des Geldes

In dieser Zeitschrift wurde schon verschiedentlich angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und damit auch gesellschaftlichen Probleme auf die Dringlichkeit hingewiesen, zunächst in der breiten Öffentlichkeit den Gedanken der Dreigliederung des sozialen Organismus (heute ersetzt durch den Einheitsstaat), zu thematisieren, um dadurch seine Verwirklichung in die Wege zu leiten. Bisher ist es den das herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem mit allen Mitteln verteidigenden Kräften gelungen, den von Rudolf Steiner 1917 veröffentlichten Dreigliederungsgedanken weitgehend ignoriert zu halten und Rudolf Steiner als Gedankenträger mittels gängiger Etikettierung zu diffamieren. Zugleich ist es gelungen, Kritiken am heutigen sozialen System an den zwei entscheidenden, weil einander bestimmenden Ansatzpunkten vorbei zu führen, nämlich dem Problem der Geldschöpfung und der Frage nach dem wirtschaftlichen Wert der Arbeitsleistungen beziehungsweise der Frage nach deren Wertbildung. Erst die Einsicht dessen, was unter dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen zu verstehen ist, ermöglicht es, den Einheitsstaat in seiner Funktion als Steuereintreiber und -verteiler durch eine vernunftgemäss transparente Finanzierung der einzelnen gesellschaftlichen Bereiche zu ersetzen.

Dass eine Kritik am heutigen System in erster Linie beim Geld anzusetzen hat, sollte eigentlich jedem einleuchten, der sich überhaupt ernsthafter mit den Gründen des Verfalls unserer Gesellschaft nicht zuletzt als Folge des bestehenden Geldsystems auseinandersetzt. Nun ist bei der Betrachtung des Geldes gerade die Basis der Geldschöpfung in Betracht zu ziehen. Denn aus ihr leitet sich die Funktionalität, die Rolle des zirkulierenden Geldes ab. Dieser Aspekt wurde von bisherigen Kritikern des heutigen Systems vernachlässigt, obwohl hierin „des Pudels Kern“ liegt, und alle Änderungsvorschläge, die nicht auf die Basis der Geldschöpfung abzielen, sind für das heutige System völlig harmlos, irrelevant, ausser dass sie zu immer brutal-aristokratischeren gesellschaftlichen Verhältnissen führen, zu immer mehr Gesetzen, Reglementierungen, Kontrollen, Überwachungen etc. Erst wenn der Hebel an der Basis der Geldschöpfung angesetzt wird, wird es kritisch für das etablierte System. Worum geht es dabei?

Das Geld in der Funktion Tauschmittel und Wertübertragung

Es geht darum, dass die heutige Geldschöpfung keinen inneren Zusammenhang mit der Schaffung von wirtschaftlichen Werten in Form von Konsumgütern hat. Diese sind Werte, weil ihnen einerseits das Bedürfnis der Konsumenten, andererseits ihr Hersteller ihnen zur Deckung seiner Bedürfnisse einen Wert beimisst. In einer wirtschaftlichen Selbstversorgung, wie sie die ursprüngliche Naturalwirtschaft darstellt, fallen Bedürfniswert und Herstellungswert zusammen, decken sich. Erst mit der Arbeitsteilung driften sie auseinander, und es kommt das Geld, die Geldwirtschaft auf. So löst die Geldwirtschaft die Naturalwirtschaft, die auf dem blossen Tausch der Konsumgüter beruhte, ab. Das Geld, welches unter Umständen zunächst selbst noch Stoffwert besass, wird Repräsentant, Tausch- und Wertübertragungsmittel für das Wertgut des Konsums. Eigentlich sollte ihm bloss Funktionswert zukommen, in dessen Rolle es Zahlenverhältnisse repräsentiert, wobei die Zahlen auf einem Träger, der zirkulieren kann oder eine buchhalterische Eigentumsübertragung erlaubt, fixiert werden. Aber es zirkuliert heute wegen seiner mit dem Wert der Leistungen zwar zusammenhanglosen Schaffung, aber als Zahl doch an ein „Etwas“ gebunden, aus einer instinktiv dinglichen Handhabung heraus als Ware neben anderen Waren. In seinen heutigen Funktionen ist es allgemeines Tauschmittel, also Zeit seines Bestehens allgemein absetzbar und annehmbar, Mittel der Wertübertragung, aber auch der Wertaufbewahrung, das entgegen Konsumgütern in Zirkulation verbleibt. Dieser letztere Funktionswert des heutigen Geldes hat sich auch auf das, was heute als Geldkapital bezeichnet wird, in Form der Hortung übertragen. In dieser spiegelt sich immer noch der vorherrschende Selbstversorgerstandpunkt des bestehenden wirtschaftlichen Denkens, dessen Inhalte eben von einer überholten Kulturepoche geprägt sind.

Arbeitsteiliges Wirtschaften heisst, die Leistungen (Arbeitsergebnisse) zum Austausch zu bringen, der im Preis als dem Ergebnis von – nennen wir es – Geldangebot gegen Warenangebot oder Warennachfrage gegen Geldnachfrage oder Warennachfrage gegen Warenangebot seinen Niederschlag findet. Nun müsste eigentlich, wenn man statt in der Erzielung von Kapitalgewinn im heutigen Verständnis in der Bedürfnisbefriedigung durch Leistungserbringung den Sinn des Wirtschaftens sieht – wovon wir hier ausgehen – , der Preis ein Erkenntnismittel dafür sein, dass sich die arbeitsteilig erwirtschafteten Leistungen im Preis gegenseitig einen solchen Wert beimessen, dass jeder Leistungserbringer aus dem Erlös seiner Leistung seine Bedürfnisse aus den Leistungen der anderen in der Zeit decken kann, die er für die Herstellung einer gleichen oder gleichwertigen Leistung benötigt. Dieser Wert muss sich als eine Menge (geld-)zahlenmässig erfassen lassen. Als Zahl drückt er ein Verhältnis aus: dasjenige der Erlöse der arbeitsteilig von der Menschengemeinschaft erarbeiteten individuellen Leistungen zueinander sowie der individuellen Leistungserlöse zu den individuellen Einkommen. Den Bedürfnissen stehen die zu ihrer Deckung arbeitsteilig erarbeiteten Leistungen gegenüber und gefordert ist, dass die Einkommen und die Preise für die Leistungen geldzahlenmässig ineinander aufgehen, dass der Wert der Leistungen trotz laufender Veränderung durch Kapitalbildung (jetzt aber in neu verstandenem, noch zu erläuterndem wirklichkeitsgemässem Sinn) und die Einkommen als Bedürfnisträger sich entsprechen. Ein solchermassen postulierter und mittels Geld repräsentierter Wert von Leistungen und Einkommen kann in seiner Entstehung nur im Zusammenhang mit der dinglichen Entstehung der Leistungen erfasst werden und dies wiederum nur in deren Entstehungsmoment, wo sich der ihnen vom Bedürfnis beigemessene und von der Herstellung geforderte Wert decken, ineinander aufgehen. Daher ist dieser Wert, der sich so definiert, dass bedürfnisbedingte Nachfrage und Leistungserbringung sich laufend geldlich-zahlenmässig in Form von Einkommen und Leistungserlösen kompensieren, nur mittels Identität von Dinglichem (Konsumgüter, Waren) und Nominellem (Geldmenge) zu verwirklichen, dass heisst, wenn Warenwertbildung und Geldschöpfung zusammenhängen. Wenn nicht mehr Ware und Geld nebeneinander gedacht werden, sondern: da ist der Wert (in Form der Ware) und der hat zwei Seiten: eine dingliche und eine zahlenmässige. Es ist der Wert beziehungsweise Wertbegriff, der demjenigen zugrunde liegt, was von Rudolf Steiner als die „wirtschaftliche Urzelle“ und von mir in meinen Schriften als „Sozialquote“ bezeichnet wurde. Wie er als Faktor des Ausgleiches zwischen Bedürfnis und dem Wert der Leistungen entsteht und wie er trotz Veränderungen in den Bedürfnissen sowie in den Leistungserbringungen als Massstab bestehen bleibt, wird im Text weiter unten genauer erläutert.

Folgen der heutigen Geldwirtschaft

Aus der ursprünglichen Tauschwirtschaft, aus dem Tausch fertiger Waren in Form von Angebot und Nachfrage leitet sich die im heutigen marktwirtschaftlich orientierten Denken übliche, normative Gleichsetzung von Warenpreis und Warenwert ab. Diese Gleichsetzung hat die bestehende Geldwirtschaft aufgrund der Zusammenhanglosigkeit von Geldschöpfung und eigentlicher Warenwertbildung übernommen. Daraus ergibt sich, dass Warenpreiserlös und Einkommen, das ja aus ersterem bezahlt wird, einander bedingen, in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen, was zu konjunkturellen Krisen führen kann und auch führt.

Die vermeintliche Lösung der gegenseitigen Warenbewertung zum Ausgleich zwischen Konsum und Produktion wird in das heute angenommene Gleichgewichtssystem der Marktwirtschaft verlegt in der Vorstellung, Angebot und Nachfrage pendelten sich preislich gleichgewichtig ein. Wären im Preis Angebot und Nachfrage tatsächlich im Gleichgewicht, müssten sie nach logischem Verständnis der Identität gleich sein in Bezug auf eine übergeordnete Mess-Grösse, eben den wirtschaftlichen Wert als den übergeordneten Wertemassstab für Leistungen und für Einkommen. Der Preis wäre dann Vergleichsgrösse zum wirtschaftlichen Wert und ihr Zusammenfallen wäre anzustreben. Das verunmöglicht aber die „zusammenhanglose“ Geldschöpfung: der Preis bleibt gegenüber dem oben skizzierten wirtschaftlichen Wert der Leistungen in einem Unbestimmten. Aufgrund des römischen Rechtes verfügt der Eigentümer von Produktiveigentum über den daraus erwirtschafteten Ertrag, aus dem die ihn mit ihrer Arbeit Leistenden bezahlt werden. Der Überschuss rechnet sich zum Kapital; es ist die Kapitalrendite. Die Arbeit erhält einen Preis als Kostenfaktor, dessen Minimierung zu Arbeitslosigkeit führt; sie ist aber auch die Gelegenheit, zu Einkommen zu gelangen, woraus sich die heutige Verschleisswirtschaft ableitet. Aus der Vermengung von Rechtlichem und Wirtschaftlichem leitet sich der Warenwert der Arbeit ab. Und somit ist im heutigen System alle Preisbildung eingezwängt in die Auseinandersetzung zwischen Arbeitspreis und Kapitalgewinn. Der Kampf zwischen Profitrate und Lohnrate, wie Marx es nannte, war ein Kampf um die Geldmenge, solange diese, gebunden an Gold, in ihrer Erhöhung eingeschränkt war. Seit Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts können Zentralbanken die Geldmenge ohne Rücksicht auf Goldreserven erhöhen. So kann das Geldkapital wachsen, ohne dass das Arbeitseinkommen sinkt, aber Wachstum des Sozialproduktes wird für die Erzielung von Geldkapitalgewinn zwingend.

Geldwirtschaft wird zur Kreditwirtschaft

Mit dem Aufkommen von Naturwissenschaft und Technik hat sich der Industrialismus entwickelt. Mit ihm hat sich eine Vorstellung über Kapitalentstehung und Kapitalgewinn in Form von Geld eingeschlichen, die auf die Agrarwirtschaft zurückgeht. Sie konfundiert die Grundrente im Sinne des Ertrages aus der Bodenbearbeitung unter der Berücksichtigung der Produktivität mit Geldkapitalgewinn als in heutigem Verständnis des Ertragsüberschusses aus dem Verkauf industrieller Leistungen. In der Bodenbearbeitung findet immer eine gewisse Rentenbildung statt, ohne die die Menschheit gar nicht existieren könnte. Von ihr leben die Kinder, die Mütter, die Kranken und die Alten. Aufgrund der mengenmässigen Zunahme und grösseren Differenzierung rationell erzeugter industrieller Leistungen müssten deren Preise gegenüber den Preisen agrarisch erzeugter Leistungen sinken. Eine permanente Ausweitung der Geldmenge über die Kreditfinanzierung industrieller Erweiterungsinvestitionen monetarisiert stattdessen den Rationalisierungsgewinn in der Industrie – bläht die Industriepreise auf – und führt dort dadurch zu Geldkapitalgewinnen, während die Agrarwirtschaft preislich ruiniert wird. Rationalisierung bedeutet ja: mehr Leistungen mit gleichviel Arbeit oder gleichviel Leistungen mit weniger Arbeit erzeugen. Das heisst, immer mehr industrielle Leistungen können, preislich „aufgebläht“, aufgrund immer mehr Geldes mit Geldkapitalgewinn verkauft werden, indem immer mehr Menschen pro Kopf gleichviel konsumieren oder gleichviel Menschen pro Kopf immer mehr „verschleissen“. Man darf es nicht einzelbetrieblich, sondern muss es für die Industrie insgesamt sehen, dass die Gewinne aus der Differenz zwischen Einnahmen aus preislich aufgeblähten Leistungserlösen und den Kosten für deren rationellere Herstellung stammen.

Das ist der nicht leicht zu durchschauende Effekt, eigentlich der „geniale“ Trick der „zusammenhanglosen“ Geldschöpfung, dass sie durch Monetarisierung von Rationalisierungsgewinnen u. a. mittels Krediten der Geschäftsbanken zu geldlich ausscheidbaren Kapitalgewinnen, über wachsende Schulden zu wachsenden Vermögen führt. Die Industrie kann aufgrund von Arbeitseinsparungen und Arbeitsteilung Menschen für weitere industrielle Produktion freistellen. Die Landwirtschaft aus Gründen der Selbstversorgung kann nur für nicht-landwirtschaftliche Tätigkeiten freistellen. Sie tut dies mit Hilfe industrieller Leistungen, die dem Kapital zu verdanken sind, das die Landwirtschaft als Gegenwert der in ihr ersparten körperlichen Arbeit bildet.

Die bisherigen und folgenden Ausführungen verweisen darauf, dass ein Umdenken dringend erforderlich ist, dass nicht mehr an Denkgewohnheiten festgehalten werden darf, wenn immer schwerwiegendere wirtschaftliche und gesellschaftliche Krisen und Konflikte vermieden werden sollen.

In der herkömmlichen Auffassung entsteht das Kapital aus dem Gewinn der Unternehmungen, das heisst, aus der Differenz zwischen Produktionsertrag und Produktionskosten, welch letztere gesamthaft die Kosten für die Arbeit bilden. Sachkapital und Arbeit sind nach dieser Auffassung käufliche Waren, sie bedingen einander als solche. Nun sind mit Kapital zwei gegensätzliche Qualitäten verbunden, die zwei im gesellschaftlichen Leben zu trennenden Bereichen zuzuordnen sind. Einerseits ist Kapital in produktiver Handhabung abhängig von Fähigkeiten und Begabungen, die den geistig-kulturellen Lebensbereich der Gesellschaft ausmachen, in welchem individuelle Verschiedenheit, „Ungleichheit“ der Menschen herrscht. Wirtschaft und Gesellschaft sind in ihrer Lebensfähigkeit angewiesen auf individuelle Fähigkeiten und Begabungen sowie auf deren freie Entfaltungsmöglichkeit. Andererseits steht Kapital im Eigentum, einem Rechtsverhältnis zwischen Menschen, was Drittpersonen von der Verfügung über das Objekt des Eigentums ausschliesst, und als solches hat es Macht über die Arbeit von Menschen, kann Menschen nach seinen Intentionen arbeiten lassen oder mangels Kapitalrendite im heutigen Verständnis, mangels Unternehmungsgewinn im obigen Sinn auch nicht arbeiten lassen, wodurch aus Einkommensverlust Konjunktureinbruch und Arbeitslosigkeit resultieren. Und um derartiges zu verhindern, besteht der Zwang des wirtschaftlichen Wachstums, weil eben Kapital im heutigen Verständnis nur aufgrund ständiger Erweiterung der materiellen Produktion bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldmenge entstehen und wachsen kann. Mit Sachkapital (Produktionsmittel) und Arbeit als Waren wird Rechtliches mit Wirtschaftlichem vermengt, was durch die heutige, „zusammenhanglose“ Geldschöpfung ermöglicht wird. Die Arbeitsverhältnisse zwischen den Menschen sind aber allein innerhalb des Rechtslebens der Gesellschaft zu regeln, in welchem zwischen den Menschen das Prinzip der „Gleichheit“ gilt, so dass die Arbeit ihres Warencharakters enthoben wird. Und das Recht des Eigentums am Kapital ist an die Zeit des befähigten Umgangs mit ihm zu binden, womit der Übergang an einen folgenden befähigten Eigentümer zu einem reinen Rechtsakt wird.

Der mit Naturwissenschaft und Technik aufgekommene Industrialismus und die Arbeitsteilung erfordern unumgänglich die Bildung neuer Begriffe von Geld, Geldschöpfung und Kapital, die sich in den wirtschaftlichen Gegebenheiten ohne Umschweife niederschlagen müssen. Es geht ja keineswegs darum die Kapitalvermehrung abzulehnen, sondern darum einzusehen, dass sie nicht in ihrem heutigen Verständnis die Macht sein kann, unter welche die Produktionszweige der Wirtschaft gezwungen werden, sondern darum zu erkennen, wie sie aus einem Verständnis der tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten heraus zu einer Gestaltung des Wirtschaftslebens führen kann, die allen leiblichen und geistigen Bedürfnissen der Menschen Rechnung trägt. Und dazu muss der herkömmliche Kapitalbegriff und der daraus resultierende Wachstumszwang überwunden werden und zwar mit Hilfe der Erkenntnis des im Folgenden erklärten „zweiten“ Wertbildungsfaktors, nämlich der intelligenten Lenkung der körperlichen Arbeit an der Naturgrundlage und deren geldlich-zahlenmässig erfassbaren Einsparung, was den neuen Kapitalbegriff definiert: Kapital ist der Gegenwert des Ergebnisses eingesparter körperlicher Arbeit unmittelbar am Boden, Freistellung von Menschen von der existentiell bedingten unmittelbar am Boden zu leistenden Arbeit.

Die Geldschöpfung als Schaffung des Wertemassstabes für Preise und Einkommen

Der Mensch als Bedürfnisträger und Leistungserbringer ist eingeklemmt zwischen zwei Polen der Wertbildung, zwischen Stoff in der Erscheinung der Natur, ihrer Ergiebigkeit, und Geist, in der Erscheinung der menschlichen Intelligenz, individueller Begabungen und Einfälle. Aus dem Geistigen kommen die Bedürfnisse, aus der Natur die Güter. Die Arbeit ist das Vermittelnde. Sie verbindet sich mit dem Stoff, das ist der eine Pol der Wertbildung. Für sich hat die Arbeit keinen wirtschaftlichen Wert; sie bildet Werte. Sie bearbeitet den Stoff, indem sie von der geistigen Seite her, dem anderen Pol der Wertbildung, durch Einfälle und Begabungen gelenkt wird; es ist der Pol der „intelligenten Organisation der Arbeit“, von dem die Kapitalbildung sowie die Differenzierung der Leistungen ausgeht. Weil alle Arbeit, die geleistet werden kann, von der Bevölkerungszahl abhängt und alles, wovon der Mensch lebt, aus der Natur stammt, beruht die Wertbildung auf dem Ergebnis der körperlichen Arbeit der Bevölkerung auf der von ihr existentiell benötigten Bodenfläche, vorzustellen als blosse Naturalwirtschaft. Wenn dieses Arbeitsergebnis, in dem, weil Existenzminimum, Bedürfniswert und Herstellungswert zusammenfallen, mit einer Zahl, der Geldschöpfung, verbunden wird, ist jeder mit der auf ihn entfallenden Quote (der „Sozialquote“), dem Quotienten aus der Division des Gesamtwertes der Leistungen durch die Bevölkerungszahl, an der Quote eines jeden anderen im Verhältnis zur Bevölkerungszahl beteiligt. Der Wert der Sozialquote ist nun dinglich nicht etwas Fixes, er ist dinglich in ständiger Veränderung, Bewegung vorzustellen, denn er unterliegt den Schwankungen in der Ergiebigkeit der Natur sowie in der Kapitalbildung durch wechselnde Begabungen und Einfälle der Menschen; ausserdem unterliegt er den vom Recht festgelegten Arbeitsbedingungen. Mittels assoziativ vereinbarter Arbeits- und mengenmässiger Produktionsverlagerung wird ein Ausgleich zwischen schwankenden Bedürfnissen und sich verändernder Wertbildung der Leistungen durch Ausrichtung auf die zu erwirtschaftenden monetär fixierten Sozialquoten erreicht. Der bisherige geldschöpfungsbedingte Zufall des Marktes fällt mit diesem Ausgleich weg.

Aus dem Verständnis des Zusammenwirkens beider Wertbildungspole ergibt sich, dass sich das Mehr an Leistungen durch die intelligente Lenkung der Arbeit mit dem Gegenwert des Weniger an körperlicher Arbeit kompensiert, so dass stets der Wert der Leistungen insgesamt bei gleicher Bevölkerungszahl gleich bleibt. Der Gesamtwert der wirtschaftlichen Leistungen eines im dargelegten Sinne prospektiven Wirtschafts- und Währungsraumes stellt also eine an die Bevölkerungszahl gebundene konstante Grösse, den wirtschaftlichen Wert dar, als Geldmenge gedacht, die Mass-Grösse für die Einkommen und die Preise der Leistungen. Die Geldmenge geht also in der Leistungsmenge auf, weshalb das Geld als Buchhaltung der Leistungen bezeichnet werden kann; Geld ist Anweisung auf produzierte Ware. Dieses Geld gibt in Verbindung mit dinglichen Leistungen deren wertmässigen Anteil an ihrem Gesamtwert innerhalb des Währungsraumes wider. Dank des Wertbildungsfaktors „intelligente Organisation der Arbeit“ entfallen auf jede Sozialquote immer mehr Leistungen, deren Gesamtwert gleich bleibt, aber der Wert der Einzelleistung geht zahlenmässig zurück, was sich kaufkraftmässig in einer Preisverbilligung der Leistungen niederschlägt. Kapitalgewinn, jetzt nicht mehr verstanden als individuell ausscheidbare Geldmenge aus der Differenz zwischen Warenpreiserlös und Arbeitskosten, sondern als Gegenwert am Bode dank intelligenter Organisation eingesparter körperlicher Arbeit – im weiteren auch an künstlichen Produktionsmitteln – geht in den Nutzen der Allgemeinheit über. Aufgrund des Verständnisses der mit der Güterproduktion kohärenten Geldschöpfung und des mit der menschlichen Intelligenz kohärenten Kapitals (Gegenwert der am Boden ersparten körperlichen Arbeit) definiert sich die Währung als die Summe der in Gebrauch befindlichen Produktionsmittel, an denen körperliche Arbeit geleistet wird, worunter in erster Linie Grund und Boden zu verstehen ist.

Aufgrund der Kohärenz von Geld und Gut scheidet in dem hier beschriebenen zukünftigen System das Geld mit dem Verkauf des Gutes aus der Zirkulation aus und erscheint auf dem Einnahmenkonto des Herstellers. Dieses wird zu Beginn des nächsten Jahres zum Ausgabenkonto, von dem das Geld über Einkommensvergütungen wieder in Zirkulation kommt. Die Einkommen beruhen auf der vertraglichen Verteilung des Produktionsertrages und sind nicht unbedingt gleich der Sozialquote; eine Gleichmacherei innerhalb der Einkommen ist insofern nicht gegeben. Der Wohlstand zusammenarbeitender Menschen ist umso grösser je mehr Sozialquoten die in der materiellen Produktion Tätigen über ihre eigenen erwirtschaften, zunächst in der Bodenbearbeitung, und je differenziertere Produkte auf die Sozialquoten entfallen.

Das Nebeneinander von Güterwirtschaft und Geldwirtschaft hat im Verlauf auftretender Schwierigkeiten in der Finanzierung sozialer Einrichtungen wie Altersrenten, Gesundheits- und Bildungskosten dazu geführt, wo und wie immer möglich Geldabgaben aus der Gesellschaftsordnung herauszupressen, ohne dem Zusammenhang zwischen solcher Fixierung und der sie wertmässig deckenden materiellen Produktion nachzugehen und zu prüfen, inwieweit solche Finanzierung erwirtschafteten Sozialquoten entspricht. Die Sozialquoten der in den Lehrberufen und im Gesundheitssektor Tätigen, wie auch der Alten, Kinder, Kranken, Mütter müssen von den in der materiellen Produktion Verbleibenden mit erwirtschaftet werden und von den erwähnten Ausgabenkonten der Produzenten an die Begünstigten vergütet werden. Anders gesagt: Die geistig Tätigen und Alten, die Mütter und Kinder erhalten ihre Existenzmittel aus dem Waren-Mehr, aus dem Waren-Überschuss der in der materiellen Produktion Tätigen, aus deren produziertem Mehr, welches seinerseits auf dem Arbeitsergebnis der geistig Tätigen beruht. Man muss also die Einkommen der geistig Tätigen, der Alten, Mütter und Kinder in Verbindung mit, auch in Abhängigkeit von dem Wertbildungsfaktor „intelligente Organisation (Lenkung) der Arbeit“ sehen. Die Einkommensbildung – man könnte auch sagen: die Existenzmittelbeschaffung – eines Lehrers oder Arztes ist nicht gleich derjenigen eines Landwirtes oder eines an industriellen Produktionsmitteln Tätigen. Das heutige System krankt eben daran, dass die Wirtschaftswissenschaften über keinen Wertemassstab für die wirtschaftlichen Leistungen und die Einkommen verfügen. Dem Geld liegt für die gegenseitige Bewertung von Leistungen und deren Kohärenz mit den Sozialquoten mangels Bindung an deren Bildung kein Mass zugrunde.

Gliederung der Gesellschaft

Im Abschnitt über die Wertbildung wiesen die drei Produktionsfaktoren Natur – Arbeit – menschlicher Geist auf die drei die Gesellschaft konstituierenden Bereiche Wirtschaftsleben, Rechtsleben und geistiges Leben hin, durch deren heutige Vermengung die wirtschaftlich-sozialen Verhältnisse in eine ausweglose Sackgasse gekommen sind. Der Staat kann nicht Wirtschafter und nicht Geldverwalter sein. Initiator des eigenständig zu verwaltenden Wirtschaftslebens ist das Bedürfnis, das im Kreislauf des Wirtschaftslebens durch Warenproduktion, durch Warenzirkulation und -konsumtion seine Befriedigung finden muss. In dem Wirtschaftsleben werden Assoziationen, die aus den Konsumenten und den Produzenten zusammen gebildet werden, sich zu befassen haben mit der Bedürfnisfeststellung, mit der Feststellung der Preise, in die nur Bedürfnisse einwirken, mit dem Warenwert, mit der Arbeitsleistung, die sich in der Ware niederschlägt. Die Arbeit als solche wird ihres Warencharakters enthoben, indem das Rechtsleben über das Aufbringen der Arbeitskraft entscheidet. Ein selbstverwaltetes Geistesleben wird in Koordination mit dem leitenden Organ der Wirtschaft, der Assoziation, die Menschen nach ihren Fähigkeiten, Begabungen und Interessen an die in der Wirtschaft erforderlichen Stellen vermitteln und entsprechend über Kapitalverfügung entscheiden.

Wir brauchen ein Wissenschaft und Bildung umfassendes Geistesleben, das fähig ist, die materielle Leistungserbringung vernünftig, menschwürdig zu gestalten, und eine materielle Leistungserbringung, ein Wirtschaftsleben, das fähig ist, dem Menschen die Freiheit zu einem freien Geistesleben zu geben, dessen Urteile nicht von der Lohnabhängigkeit abhängig sind. Und aus einem solchen heraus müssten die hier neu gefassten, einander bedingenden Begriffe von wirtschaftlichem Wert, Kapital, Geldschöpfung, Einkommen, Eigentum vom allgemeinen Bewusstsein aufgenommen und in einer, wie zitiert, gegliederten Gesellschaft verwirklicht werden, ehe es zu spät ist.

Alexander Caspar, Kilchberg