Grüner Atomstrom - das Geschäft mit den angeblichen Ökostromtarifen

01.10.2007

Die Atomstromkonzerne führen den umweltbewußten Kunden an der Nase herum. Dem Kunden wird suggeriert, er könne durch die Wahl eines Ökostromtarifs bei einem der großen Energiekonzerne „umweltfreundlichen“ Strom kaufen. Tatsächlich leistet er aber mit einem Ökostromtarif nur einen etwas höheren Beitrag zum Atomgeschäft – erhält dafür aber eine Grafik, in der sein Strom eine grüne Farbe hat. Der angebliche Boom im Ökostromgeschäft ist in Wahrheit ein Boom im Atomstromgeschäft.

Bereits 40 bis 50 % der deutschen Haushalte haben den Stromanbieter oder den Stromtarif gewechselt (Quelle: Verivox), viele davon zu einem Ökostromproduzenten oder zu einem Ökostrom-Tarif eines Atomstromproduzenten. Im ersten Quartal 2007 stieg die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien um 70%, womit der Anteil von Ökostrom bezogen auf den Bruttostromverbrauch gegenwärtig angeblich bei rund 15% liegt - die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien von Atomstromanbietern mitgerechnet (Quelle: Hamburger Abendblatt).

Genau da liegt aber der Hase im Pfeffer. Die statistischen Erhebungen machen keinen Unterschied zwischen den Ökostromtarifen der großen Anbieter, die mit Ökostrom nur den Namen gemeinsam haben, und den Angeboten der echten Öko-Stromanbieter. Immerhin: Die EWS Schönau, ein echter Anbieter von Ökostrom, konnte laut eigenen Angaben allein im letzten Monat einen Kundenzuwachs von 50% verzeichnen. Bevor man hier aber das Gewissen in den Schlaf wiegt, sollte man sich vor Augen halten, daß die EWS Schönau insgesamt 49 Tausend Kunden hat, die RWE als mittelgroßer Energiekonzern aber stolze 45 Millionen.

Wer verdient am Ökoboom?

Den Löwenanteil am Geschäft mit dem Ökoboom sichern sich die vier großen Atomstrom - Anbieter E.on, RWE, EnBW und Vattenfall. Man kann sich die Relationen ungefähr vorstellen, wenn man den gesamten Jahresumsatz von Ökostrom in Deutschland mit dem Jahresumsatz der vier Ökostrom - Anbieter vergleicht. 2006 wurden in Deutschland insgesamt 22,9 Milliarden Euro mit erneuerbaren Energien umgesetzt; abzüglich des Umsatzes aus der Errichtung von Anlagen bleibt ein Umsatz von 11,3 Milliarden Euro aus der Stromversorgung ( Quelle: BMU). Die vier Ökostrom - Anbieter in Deutschland, Lichtblick, EWS Schönau, Naturstrom und Greenpeace Energy haben 2006 zusammen knapp 0,27 Milliarden Euro umgesetzt - inklusive des Umsatzes aus der Errichtung von Neuanlagen.

39 Millionen Haushalte in Deutschland werden mit Strom versorgt, knapp 400.000 davon mit Ökostrom von einem der vier Ökostrom-Anbieter. Daraus errechnet sich keineswegs ein Marktanteil von 15%, sondern eher von 1%. Immerhin. Vielleicht hätte man in der Vergangenheit die Einfachheit eines Wechsels nicht ganz so sehr betonen sollen. Es ist in der Tat ein leichtes, zu einem anderen Anbieter, z.B. zu einem der vier Echten, zu wechseln. Ein paar Klicks, Antrag ausfüllen, fertig. Aber es ist eben auch kein Kinderspiel. Die meisten derjenigen, die der Umwelt zuliebe den Stromtarif wechseln wollten, haben doch wieder einen Vertrag bei einem Atomstromkonzern unterzeichnet. Sie haben entweder den Zusammenhang zwischen Ökotarif und Atomstromproduktion nicht sehen können, oder sie wurden absichtlich getäuscht.

Ökostromtarif ist nicht Ökostrom

Daß der Zusammenhang nicht ganz leicht einzusehen ist, daran hat zu einem Teil der Staat schuld, weil er hier mit dem EEG Gesetz die Beziehung zwischen Angebot und Nachfrage unterbricht. Auf der anderen Seite wird von den Konzernen ganz bewußt eine Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse betrieben. Deshalb entsteht beim Verbraucher dann der Glaube, daß man mit einem solchen Ökotarif bei einem der großen Anbieter zu einem Umschwung beitragen könne, dadurch nämlich, daß die Nachfrage hier eine Veränderung des Angebots bewirke. Das ist aber nicht der Fall. Die Zahlungen für einen Öko-Stromtarif stehen in keiner Beziehung zu irgendeiner Mehrleistung für den Umstieg von Atomstrom auf umweltfreundlichere Energiequellen, also zu Öko-Strom. Im Gegenteil. Jede Zahlung an einen Atomstromkonzern ist nicht nur nicht förderlich für einen Umschwung auf dem Energiemarkt, sondern verhindert ihn unmittelbar.

Wer das verstehen will, sollte zunächst wissen, daß man grundsätzlch keinen Öko-Strom als solchen kaufen kann, denn im Netz fließt immer der gleiche Strom. Man bezahlt immer nur den Produzenten, entscheidet also durch seinen Beitrag lediglich, wer Einspeisen darf und wer nicht. Wenn also die Rede davon ist, den Ökostrom "durchzuleiten", dann beginnt hier bereits die bewußte Täuschung. Die Aufmerksamkeit muß also dann zum einen der unmittelbaren Wirkung des Geldes gelten. Was wird konkret mit dem Mehrwert finanziert, der durch das Geld entsteht, das ich über einen Ökostromtarif einem Atomstromkonzern zukommen lasse?

Das, was die großen Energiekonzerne als Ökostrom verkaufen, ist zu einem Teil der Strom, den sie per Erneuerbare - Energien - Gesetz einspeisen müssen. D.h., dieser Strom wird in der gesetzlich festgelegten Größenordnung eingespeist, egal ob der Kunde nun für einen Ökostromtarif mehr bezahlt oder nicht. Der Glaube, daß die Nachfrage hier das Angebot bestimmt, muß also an dieser Stelle schon enttäuscht werden. Der Zusammenhang besteht nicht. Deshalb ist es auch nur konsequent, daß die Rechtfertigung für den vergleichsweise höheren Tarif für vermeintlichen Ökostrom identisch ist mit der Rechtfertigung für die allgemeine Erhöhung der Strompreise. Es steht den Atomstromproduzenten frei, die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien mal so und mal so auszulegen, d.h. dem Umweltbewußten gegenüber als Leistung, und dem Normalverbraucher gegenüber als unliebsame Pflicht.

Der andere Teil stammt aus Stromerzeugungsanlagen, die nicht im Sinne des EEG vergütet werden müssen, bzw. dürfen, so zum Beispiel Wasserkraftwerke, die eine gewisse Größe überschreiten. Diese Anlagen gehören ohnehin zum ganz normalen Bestand der Atomstromkonzerne und werden einfach deshalb betrieben, weil sie entsprechend hohe Gewinne abwerfen, bzw. weil man sich mit Ihnen bei den Stadtwerken eingekauft hat, d.h. aus marktstrategischen Gründen. Dieser Strom war vor dem Ökoboom Teil der Grundversorgung und ist es auch weiterhin, eine direkte Beziehung zu dem Geld, das für den Öko-Tarif jetzt mehr gezahlt wird, besteht also auch hier nicht. Man kann sich das am Beispiel Vattenfall ganz gut verbildlichen: der Name Vattenfall steht für Wasserfall und erklärt sich daraus, daß das Unternehmen seit seiner Gründung 1909 vor allem Strom aus Wasserkraftwerken verkaufte. Noch heute macht diese regenerative Energiequelle einen großen Teil der Stromproduktion bei Vattenfall aus. Diese Tatsache steht aber in keiner Beziehung zur Atomstrom - Problematik, die sich ganz unabhängig entwickelt hat.

Zum anderen muß man sich fragen, ob die Struktur eines Atomstromkonzerns überhaupt einen Umschwung erlaubt. Wie auch immer die Zahlungen für den Ökotarif intern verrechnet werden mögen, der Konzern wird insgesamt gestärkt. Angenommen nun, ein solcher Atomstromkonzern will tatsächlich auf regenerative Energiequellen umsteigen, wäre das überhaupt möglich, könnte er als solcher wirtschaftlich bestehen?

Die vier Ökostromanbieter entwickeln sich auch deshalb so gut, weil sie als noch kleine Unternehmen eine ausgesuchte Kundschaft bedienen können. Das Wachstum eines internationalen Konzerns dagegen hängt von ganz anderen Bedingungen ab, es richtet sich eben nicht nach der Nachfrage für ein einzelnes Produkt. Vielmehr wird über den Aktienmarkt das Wachstum des Konzernes selbst nachgefragt, das Vermögen des Konzerns hängt also unmittelbar ab von der Erwartung in Bezug auf das Wachstum. Das heißt aber, es ist für den Konzern von existentieller Bedeutung, über das durch die Nachfrage gesetzte Maß für ein Nischenprodukt wie Ökostrom hinaus zu wachsen. Solange Atomstrom kostengünstiger zu produzieren ist als Strom aus erneuerbaren Energiequellen, so lange werden die Atomstromkonzerne die Atomstromproduktion steigern, ob sie nebenbei auch die Ökostromkunden melken oder nicht. Solange der Atomstrom nicht auf EU - Ebene verteuert wird, z.B. durch eine Versicherungspflicht, so daß Strom aus erneuerbaren Energien auch hinsichtlich der Gewinnmaximierung die bessere Alternative ist, so lange bleibt nur, den Strom grundsätzlich nicht bei einer AG zu kaufen.

Aber nicht allein die Unternehmensform eines großen Konzerns, sondern auch die mit der Größe verbundene zentralistische Struktur stellt ein Hindernis für den Wandel dar. Denn die erneuerbaren Energiequellen befinden sich in Entwicklung, d.h. sie müssen dort gefördert werden, wo sie entstehen, und können nicht von oben herab geplant werden. Das betrifft sowohl die wissenschaftliche Arbeit als auch die Erprobung in der Praxis, d.h. die tatsächliche Einspeisung. Ein Großkonzern wie Vattenfall muß bei der Planung auf bestehende Technik zurückgreifen können, und er muß diese für große Erzeugungskapazitäten bauen können. Diese Anforderungen vertragen sich nicht mit den Bedingungen, unter denen die Energieerzeugung weiterentwickelt werden kann.

Ebenfalls aus einem zentralistischen Machtstreben heraus erklärt sich die Beziehung der Konzerne zu den eigentlichen Stromerzeugern, d.h. Aufgabe und Selbstverständnis der Konzerne. Diese sind Betreiber und Besitzer der Kraftwerke, und nicht, wie es für eine Entwicklung auf dem Gebiet der Energieversorgung notwendig wäre, bloße Vertriebsgesellschaften für die Produkte der Stromproduzenten. Je größer der Konzern, desto mehr wird diese innerkapitalistische Planwirtschaft zum Problem, desto mehr hemmt sie die Entwicklung der Stromwirtschaft, und um so mehr Geld wird von der Stromproduktion abgezogen und in die Verwaltung gesteckt. Entwicklung bedarf eben auch auf diesem Gebiet der Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Produzenten.

Das Geld für einen Ökostromtarif ist dann auch Geld für Öko, wenn es den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen finanziert. Das bloße Zuordnen der Zahlungen zu bestehenden Energiequellen macht noch keinen Ökostrom. Daß Wasserkraft und Windenergie ins Netz eingespeist werden, das ist gut, das war schon immer gut. Die Frage war aber einmal eine ganz andere gewesen: Wie können wir die Atomenergie ersetzen? Insofern also die vier großen Atomstromkonzerne tatsächlich umweltfreundliche Erzeugungsanlagen errichten sollten, ist damit noch nichts beantwortet, denn diese Tatsache muß erst noch im Hinblick auf den Atomausstieg bewertet werden. Falls die Atomstromkonzerne im selben Zug die Produktion von Atomenergie steigern, die Produktion von Strom aus regenerativen Energiequellen also nur Teil der allgemeinen Steigerung der Erzeugungsmenge ist, dann ist damit nichts gutes für die Umwelt getan. Mehr noch: Man kann dann die Zahlungen für einen Ökostromtarif an einen Atomstromkonzern auch so bewerten: sie helfen, die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energiequellen an die Produktion von Atomstrom zu binden.

Was tun die Atomstromkonzerne für den Atomausstieg?

E.on baut einen riesigen Windpark in Großbritannien, der jährlich 550 Millionen kwh Strom produzieren soll. Vielleicht ist das gut. 2006 setzte der Konzern 400,4 Milliarden kwh Strom ab (Quelle: E.on). Bis 2010 will er seine Erzeugungskapazitäten um 50% steigern. Zu diesem Zweck wird E.on allein in Europa 18 neue Kraftwerke bauen. Weil E.on den CO2 – Ausstoß verringern will, werden das vor allem Kernkraftwerke sein, so Johannes Teyssen, Leiter des operativen Geschäfts bei E.On. „Da der Bau von neuen Kernkraftwerken in Deutschland verboten ist, wird E.on diese Anlagen im europäischen Ausland bauen“, so Teyssen weiter. Damit dieser Strom auch in Deutschland kostengünstig zur Verfügung stehe, werde außerdem das Stromleitungsnetz ausgebaut. Teyssen konnte es sich nicht verkneifen, zudem noch darauf hinzuweisen, daß die hohen Strompreise die Folge der Ökosteuer seien (Quelle: Hersfelder Zeitung).

Die Aussagen des Leiters des operativen Geschäfts bezeichnen nicht nur die Leitlinie von E.on, sondern geben Grundmotiv und Tätigkeitsziel aller großen Stromkonzerne wieder. Mag sein, daß der eine in irgendeiner Hinsicht besser ist als der andere, gemeinsam haben sie alle, daß sie massiven Druck auf die Politik ausüben, um den geplanten Atomausstieg doch noch zu verhindern, daß sie außerdem die Atomstromproduktion unaufhörlich erweitern, entweder in Deutschland oder, wo dieses nicht möglich ist, eben im Ausland, und schließlich, daß sie für eine negative Berichterstattung in Bezug auf den Ökostrom sorgen. Die Tagesschau beispielsweise ist sich nicht zu schade für die Meldung, daß die Strompreise aufgrund des EEG Gesetzes weiter erhöht werden müßten. Dabei beruft sie sich auf die VDEW, das ist der Verband der Elektrizitätswirtschaft, mit anderen Worten: die vier großen Atomstromkonzerne.

Die Stromkonzerne beschränken sich in ihrer Propaganda - Arbeit aber nicht darauf, Fehlinformationen über den Ökostrom zu streuen. Vielmehr nutzen sie gegenwärtig die Angst vor dem sogenannten Klimawandel dazu, den Begriff Öko neu zu besetzen, und zwar mit einer Pro-Atomstrom Bedeutung. Es empfiehlt sich, in diesem Zusammenhang mal einen Blick auf die Internetseite www.klimaschuetzer.de zu werfen. Das ist derart unverschämt, daß es schon wieder beeindruckt.

Auch Teyssons Worte sind als Teil dieser Propaganda zu verstehen, aber nicht nur. Ganz offensichtlich sind sie auch für die Politik bestimmt: das Vorhaben, den Wirtschaftsstandort Deutschland mit der Verlagerung der Stromproduktion ins Ausland zu schwächen und gleichzeitig durch den Ausbau der Netze für Mehrkosten zu sorgen, wird Angela Merkel schon ganz richtig als Drohung aufgefasst haben - auch wenn unsere Kanzlerin wohl mehr noch von der Angst vor dem Russen zu ihren jüngsten Kommentaren zur Energiepolitik getrieben wurde.

Die Vorstellung, daß die Atomstromkonzerne irgendwie an dem Atomausstieg arbeiten, ist absurd. Vielleicht ist es tatsächlich möglich, die Atomkraftwerke durch staatliche Zwangsmaßnahmen hinter die Landesgrenze zu verschieben. Wer hier nationalistisch denken muß, der sei daran erinnert, daß wir nach dem Tschernobyl - Unglück in der Ukraine auch unsere deutschen Wiesen nicht mehr betreten konnten. Wenn man in diesem Punkt aber schon weiter ist und die Verantwortung auch jenseits eines möglichen persönlichen Risikos sehen kann, dann fällt auch der folgende Gedanke nicht schwer: Ein Konzern kennt keine Nationalität, und fällt auch nicht mit einer Landesgrenze zusammen. Es ist für den wirtschaftlichen, für den ökologischen und für den technischen Gesichtspunkt vollkommen irrelevant, wo E.on den Atomstrom produziert, den wir kaufen. Die Frage im Hinblick auf den Atomausstieg ist auf der wirtschaftlichen Seite bloß die, ob wir die Atomstromproduktion finanzieren oder nicht. Wo das Kernkraftwerk steht, dessen Betreiber wir finanzieren, das ist doch in diesem Zusammenhang ganz gleichgültig. Es ist auch gleichgültig, wo das Atomkraftwerk steht, das uns mit Atomstrom versorgt, das wir also unmittelbar finanzieren, denn der Strom kennt ebenfalls keine Landesgrenzen.

Falsche Ökostromanbieter: Vorsicht vor Betrügern!

Es müssen die hier gemachten Argumente gegen den Abschluß eines Ökostrom - Vertrags bei RWE, EnBW, E.on oder Vattenfall nicht zwingend überzeugen. Es ist ja immerhin denkbar, daß ein Kunde unter Kenntnis der Tatsachen ganz bewußt einen Ökostromtarif wählt, weil er zum Beispiel die Tatsache, daß sein Atomstromkonzern dieses oder jenes Wasserkraftwerk betreibt, honorieren will. Das ist denkbar, aber leider nicht möglich. Der Kunde erhält nämlich überhaupt keine Einsicht in die Leistungen der Konzerne, im Gegenteil, er wird gezielt über die Tatsachen getäuscht. Daß dem Kunden mit Hilfe von werbetechnischen Manipulationen ein falsches Bild von der Natur des Produktes suggeriert wird, daß ist noch ein harmloserer Fall. Es grenzt dagegen schon an den Tatbestand des Betruges, wenn der Kunde über die Identität des Vertragspartners getäuscht wird.

Vattenfall muß man zugute halten, daß der Kunde nicht im Unklaren gelassen wird darüber, daß er eben Kunde von Vattenfall werden soll. Hier ist eher die fehlende Information über den Ursprung des Stromes zu beanstanden. Den in dem Ökostrom-Tarif berechneten Strom bezieht Vattenfall (Sinn oder Unsinn solcher Zuordnungen einmal dahingestellt) laut eigenen Angaben aus Wasserkraft in der Campocologne. Das ist dann aber auch schon die ganze Information gewesen. Nur - um welche Wasserkraftwerke handelt es sich da? Im WWW findet sich genau ein Satz, der Campocologne und Wasserkraft in einen Zusammenhang bringt, und das ist der Werbespruch auf der Seite von Vattenfall. Vattenfall kann nun zwar nichts dafür, daß die Wasserkraft aus der Campocologne keine Erwähnung auf irgendeiner Internetseite findet, wohl aber hätte Vattenfall selbst über den Ursprung seines Ökostromes informieren müssen. Eine Täuschung liegt überdies deshalb vor, weil der Schein erzeugt wird, als werde eben diese Information gegeben.

Auf meine Nachfrage hin entschuldigte sich Vattenfall bei mir für den Schreibfehler und versprach, ihn bald zu korrigieren: "aus der Campocologne" sollte wohl tatsächlich eigentlich "aus dem Wassserkraftwerk Namens Campocologno" heißen. Das Wasserkraftwerk Campocologno wurde 1906 errichtet und war seinerzeit das größte Wasserkraftwerk Europas. Die Vermutung liegt also nahe, daß Kaiser Willhelm bereits einen Ökostromtarif hatte.

An Betrug grenzt es dagegen schon, wenn man auch mit dem Kunden, der nicht bei einem Atomstromkonzern unterzeichnen will, ohne dessen Wissen dennoch ein Geschäft abschließt. Wer sich z.B. bewußt gegen einen Ökostromtarif entscheidet und deshalb nach einem selbständigen Ökostromanbieter sucht, der stößt bald auf die Naturenergie AG. Dieses Unternehmen ist mit 300.000 Kunden genauso erfolgreich wie der größte echte Ökostromanbieter "Lichtblick", aber erheblich teurer. Es findet seine zahlungskräftige Kundschaft vorallem bei Werbeaktionen vor Bioläden, aber auch über Ökostrom-suchmaschinen oder positve Ökotests im Internet. Es ist für die Interessenten dabei zu keinem Zeitpunkt ersichtlich, wer sich hinter Naturenergie verbirgt, und so wird auch kaum einer der 300.000 Kunden wissen, daß er der EnBW auf den Leim gegangen ist. Wer gezielt danach sucht, findet auf der Webseite lediglich einen Hinweis darauf, daß die Naturenergie eine Tochter der Energiedienst Holding AG ist. Wer sich dann noch die Mühe macht, per Google nach der Energiedienst Holding AG zu suchen, kann auf deren Webseite die Information finden, daß die Energiedienst Holding AG zu 76% eine Tochter der EnBW ist.

Es geht aber noch raffinierter. Die Naturpur AG hat ihre Herkunft über ein kompliziertes System von Verschachtelungen derart gut verwischen können, daß sich ein Grünen - Politiker dazu hinreißen läßt, auf der Webseite dieser Naturpur AG zu gestehen, er habe sich für Naturpur - Premium entschieden, um seine "Forderungen als energiepolitischer Sprecher der GRÜNEN Stadtverordnetenfraktion in Darmstadt praktisch umzusetzen". Man muß dem Mann seine Äußerungen nachsehen, denn es ist wirklich eine aufwendige Recherche - Arbeit notwendig, um den zugehörigen Atomstromkonzern zu identifizieren. Auf der Webseite der Naturpur AG findet sich eine Historie, aus der nicht ganz leicht zu entnehmen ist, daß die Naturpur AG durch eine Namensänderung entstanden ist, und zwar aus HEAG Naturpur AG, also durch Weglassen des Hinweises auf die Muttergesellschaft. Die HEAG Naturpur AG wiederum ist einmal als Tochter der Hessischen Elektrizitäts-AG (51%) und HEAG Versorgungs-AG (49%) gegründet worden, also aus HEAG und HEAG. Außerdem wird darauf hingewiesen, daß der Vertrieb der Naturpur - Ökostromprodukte ab sofort über die Schwestergesellschaft Entega erfolge. Die Schwestergesellschaft wiederum verrät dann immerhin soviel, daß sie eine Vertriebsgesellschaft der HEAG Südhessischen Energie AG (HSE) sowie der Stadtwerke Mainz AG sei. Von der Naturpur Ag ist überhaupt nicht mehr die Rede, stattdessen aber von einem Tarif Namens Entega Clever Natur Pur Tarif.

Auf der Webseite der HEAG findet sich dann, daß die HEAG zu 94,99% der Stadt Darmstadt gehört. Wenn überhaupt irgendein Naturpur - Kunde so mißtrauisch sein sollte, so weit zurückzufragen, spätestens an dieser Stelle wird er es zufrieden sein. Er täte aber gut daran, noch einmal hinzusehen. Die HEAG bündelt mehrere Sparten, die Spartenobergesellschaften sind dann wieder selbständige Unternehmen. Die Energiesparte nun liegt bei der HEAG Südhessische Energie AG (HSE). An dieser wiederum hält die HEAG 52,9 % und eine gewisse Thüga AG 40%. Auf der Webseite der Thüga AG ist die HSE nur ein Punkt in einer Liste von 120 Beteiligungen, vorallem an Stadtwerken. Unter Pressearchiv und Bilanzpressebericht 2001 ist dann die entscheidende Information zu finden: Hauptaktionär der Thüga ist mit 60% E.on.

Eine interessante Variante des Spiels hat sich die RWE ausgedacht. Über Tochtergesellschaften wie die enviaM vertreibt auch dieser Konzern ein angebliches Ökoprodukt. Das Besondere ist hier ein Extra - Gimmick: Ganze 5 Euro des monatlichen Grundpreises gehen an die Stiftung "Wald in Not". Die Ökostromproduktion bei RWE muß billig sein, wenn man ganze 5 Euro für den Wald übrig hat! Trotzdem nett. Geht das Geld aber wirklich in den Wald, und wenn, wie und mit wem? Laut eigenen Angaben fördert die Stiftung "Wald in Not" in ganz Deutschland die Neuanpflanzung, die Wiederaufforstung und den ökologischen Umbau von Waldflächen. Der Verein setzt sich wie folgt zusammen:

Vorsitzende Dr. Hedda von Wedel (CDU), ehemalige Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bundesrechnungshofes, seit 2002 Mitglied des europäischen Rechnungshofes, Berichterstatterin in der Prüfungsgruppe I "Agrarpolitische Bereiche", stellv. Mitglied Verwaltungsausschusses des Hofes und Mitglied der gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol; Bundesminister a.D. Jochen Borchert MdB (CDU), Mitglied im Haushaltsausschuss, stellv. Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, stellv. Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; Staatssekretär Dr. Christian Eberl (FDP), ehem. Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, heute Staatssekretär im Niedersächsischen Umweltministerium, Vorsitzender des Aufsichtrates der Niedersächsischen Gesellschaft zur Endablagerung von Sonderabfall GmbH (NGS); Georg Schirmbeck, MdB (CDU), ehem. umweltpolitischer Sprecher und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Verkehr, heute Mitglied im Haushaltsausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss, außerdem stellv. Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz; Staatsminister Dr. Volker Sklenar, Thür. Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt; Hans-Martin Stübler, ehem. MdL Baden - Württemberg und Forstpräsident des Landes, Staatssekretär a.D. Dr. Martin Wille, Mitglied im Europäischen Wirtschafts - und Sozialausschuss...und ein Jörg Wipf, keine pol. Ämter bekannt.

Vorsitzender des Stiftungsrats ist Ministerpräsident a.D. Dr. Bernhard Vogel (CDU), ehem. Ministerpräsident des Landes Rheinland - Pfalz, später Ministerpräsident von Thüringen, heute Vorsitzender der Konrad Adenauer Stiftung, jene Stiftung, in deren Haus Laurenz Meyer 2004 seine Finanzbeziehungen zur RWE rechtfertigte, kurz nachdem ein gewisser Herr Dr. Bernhard Vogel zur Überraschung Aller den Rauswurf von Meyer in letzter Minute verhindert hatte: "Als Bernhard Vogel (CDU), der frühere Ministerpräsident von Thüringen und Rheinland-Pfalz, gestern in aller Herrgottsfrühe im DeutschlandRadio den CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wegen dessen umstrittener Bezüge vom Energiekonzern RWE so demonstrativ in Schutz nahm, da stand der als absolut integer geltende Vogel mit seiner Meinung allein da...Um so größer war am Nachmittag dann die Überraschung, als die Kunde durchsickerte, Meyer dürfe doch bleiben. Im Konrad-Adenauer-Haus trat Meyer kurz vor die Presse, verlas eine knappe Erklärung zu seinen Finanzbeziehungen mit RWE und verschwand, ohne eine einzige Frage zu beantworten" (Hamburger Abendblatt vom 21. 12. 2004).

Da also geht das Geld hin. Wozu aber all diese Scharaden? Es scheint so, als ob die vier großen Stromkonzerne auch nicht daran glauben mögen, daß man sie mit Ökostrom in Verbindung bringen könne. Jedenfalls nicht aufgrund von freier Einsicht in die wahren Verhältnisse.

Billigstrom: Finger weg von eprimo und Co.

In jüngster Zeit drängen vermehrt Stromhändler mit angeblich billigem Ökostrom auf den Markt. Sie fungieren als eine Art Zwischenhändler, d.h. sie kaufen den Strom in großen Mengen bei den Stromkonzernen ein und geben ihn (angeblich) vergleichsweise günstig weiter. Nur kann das dann eben kein Öko-Strom sein, einerseits aus den genannten Gründen, die die Konzerne treffen, und andererseits deshalb, weil die Stromhändler selbst nichts leisten hinsichtlich der Produktion von Ökostrom. Oft sind die vermeintlichen Stromhändler identisch mit den Atomstromkonzernen. Eprimo etwa ist eine 100% RWE Tochter. Aber auch ungeachtet der Frage nach der Umweltverträglichkeit der Stromproduktion ist hier aus ganz anderen Gründen Vorsicht geboten: Teldafax zum Beispiel verlangt eine Vorauskasse, und Flexstrom ist eines der vielen Gesichter von Innoflex, dem berüchtigten Betrugsspezialisten.

Die Händler machen allerdings kein Geheimnis aus ihrer jeweiligen Konzernzugehörigkeit. Denn anders als bei den Pseudo-Ökostromanbietern ist es nicht ihr Geschäft, den Kunden in Sachen Ökostrom zu täuschen. Die wahre Funktion dieser vermeintlichen Händler ist wohl eher woanders zu suchen: Sie helfen mit, das Bestehen eines Strommarktes vorzutäuschen, um z.B. eine Marktvielfalt zu simulieren oder einen Marktpreis zu erfinden. Die Atomstromkonzerne manipulieren den Preis nicht bloß, wie es jüngst durch die Presse ging, sondern sie erfinden ihn. Der Nutzen für die Konzerne erklärt sich selbst. Der vorgetäuschte Marktpreis ist aber auch im Hinblick auf das Thema erneuerbare Energien interessant, weil er die Hauptrolle spielt in der Argumentation der Atomstromproduzenten gegen das EEG: Die staatlich verordnete Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen von durchschnittlich ca. 9 Cent pro Kwh liege weit über dem Marktpreis. Beides, die Preisdifferenz wie auch der gestiegene Marktpreis selber, machten die stetige Preiserhöhung der letzten Jahre angeblich unausweichlich. Mit EEG und virtuellem Markt haben die Atomstromkonzerne zwei echte Goldesel im Stall, und die Klagen in beide Richtungen sind wohl eher als Teil des Verkaufsgesprächs zu sehen.

Echter Ökostrom von echten Ökostromanbietern

Mit Sicherheit werden in den nächsten Jahren noch weitere Unternehmen nach der oben beschriebenen Machart auf der Bildfläche erscheinen. Ganz bestimmt werden auch, begünstigt durch die neuen Medien, vermehrt "virtuelle" Stromanbieter um die Gunst des Verbrauchers buhlen. "Virtuell" deshalb, weil sie bloße Marken der Atomstromkonzerne sind, und sich von diesen nur im Design unterscheiden, so wie z.B. Yellow Strom, oder wie "E wie einfach" usw. Es wird also sicher noch schwieriger werden, die echten von den falschen zu unterscheiden.

In jedem Fall ist für die Beurteilung immer darauf zu achten, ob in der Selbstdarstellung des Unternehmens alle relevanten Informationen gegeben werden, d.h., wer sind gegebenenfalls die Anteilseigner und wer sind deren Anteilseigner, welches sind die Beteiligungsgesellschaften, liegen die Geschäftsberichte vor, sind die Kraftwerke eindeutig zu identifizieren usw. Nur wenn alle Daten vorhanden sind, und am besten im Kundenbereich, sollte das Unternehmen überhaupt zur Wahl stehen.

Es fragt sich aber außerdem, ob nicht grundsätzlich jede Aktiengesellschaft auszuschließen ist. Denn auch wenn nicht bereits ein Atomstromkonzern Anteile hält, so besteht doch die Möglichkeit, sogar die größte Wahrscheinlichkeit, daß ein solcher Konzern eines Tages Anteile erwerben wird. Gleichwohl kann natürlich nicht behauptet werden, daß eine AG per se nicht Öko ist. Das muß man eben abwägen.

Gegenwärtig kann der Verbraucher bundesweit zwischen vier echten Ökostrom - Unternehmen wählen: EWS Schönau GmbH, Greenpeace Energy eG, Naturstrom AG und Lichtblick GmbH. Alle vier vertreiben ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energiequellen, und an keinem der Vier ist gegenwärtig über irgendwelche Ecken rum ein Atomstromkonzern beteiligt. Außerdem investieren sie in die Entwicklung von erneuerbaren Energiequellen, und unterstützen dabei auch kleine und innovative Kraftwerke. Sie sind überdies funktionierende Wirtschaftskörper, d.h. sie tragen sich selbst und arbeiten gewinnorientiert.

Preisvergleich - echter Ökostrom ist billiger

Der Strom aus erneuerbaren Energien von den vier echten Ökostromanbietern ist ganz nebenbei noch viel billiger als die meisten Ökostrom-Abzock-Tarife der vier Atomstromproduzenten. Noch billiger scheinen auf den ersten Blick nur die Stromhändler zu sein. Diesen Schein erzeugen die vermeintlichen Billigstrom-Anbieter dadurch, daß sie ein Jahrespaket auf Kilowattstunden und Monate umlegen - de Facto kauft der Kunde aber ein Jahrespaket, muß also ein ganzes Jahr im voraus und auf einen Schlag bezahlen. Überdies darf er, falls er mehr verbraucht als die im Paketpreis veranschlagten Kilowattstunden, für jede weitere Kilowattstunde eine Nachzahlung leisten von bis zu 27 Cent pro Kwh.

Preis/Leistungs-Sieger, wenn es einen solchen zu wählen gebe, müßte wohl die EWS Schönau werden: das Unternehmen unterstützt zwar vor allem kleinere Kraftwerke, indem es Ihnen durch Bezuschussung zu dem Status eines vollwertigen Stromproduzenten verhilft, kauft sie aber nicht. Auf diese Weise hat die EWS Schönau bereits über 1000 sogenannten Rebellenkraftwerken zu einer selbständigen Existenz verholfen. Damit wendet die EWS bei sich selbst genau das an, was von den Stromkonzernen im Hinblick auf einen Wandel in der Energiewirtschaft zuallererst verlangt werden muß, was einem solchen Wandel notwendig vorangehen muß: die absolute "Trennung von Netzbetreiber und Stromproduzent". Nur eine dezentrale Struktur, wie sie die EWS Schönau gebildet hat, kann der Nährboden sein für eine Entwicklung neuer Formen der Energiegewinnung.

Preisvergleich - Stromanbieter

Stand: September 2007, Preise bezogen auf Berlin