Grosse Flüge und kleine Züge

02.04.2016

Helikoptergeld und Panama-Papers

Flugwetter für Geldpolitiker, so war ein Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 1. April 2016 überschrieben. April, April? Nein, mit dem Untertitel Die Idee des Helikoptergeldes untergräbt die Glaubwürdigkeit einer Notenbank schrieb das Wirtschaftsblatt: «Das Tabu von gestern ist die Normalität von heute. Diesem Leitspruch folgt die geldpolitische Debatte nun schon seit geraumer Zeit. Die jüngste Phantasterei, über die zusehends prominenter diskutiert· wird, ist die Idee von Heliktopergeld. Zwar hat bisher noch keine Notenbank zu dieser extremen Form monetärer Lockerung gegriffen. Doch nachdem Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), die Idee unlängst als ein <sehr interessantes Konzept> bezeichnet hatte, ist mancher Beobachter hellhörig geworden. Bald neun Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise, in deren Verlauf bereits über 600 Zinssenkungen und Kaufprogramme im Umfang von rund 12 Bio. $ stattfanden, stellt selbst die Vorstellung, Geld vom Himmel regnen zu lassen, keine Unverfrorenheit mehr dar.»

Witzigerweise erschien in der Süddeutschen Zeitung, ebenfalls am 1. April, ein ähnlich gerichteter Artikel Geld für das Volk: «Um die Wirtschaft zu fördern, könnten Notenbanken Scheine und Münzen direkt an die Bürger verteilen. (...) Der Weg zum monatlichen EZB-Zuschuss für jedermann wäre geebnet - mit unabsehbaren Folgen: Wer möchte noch arbeiten, wenn das Grundgehalt von der EZB kommt?»

Wir sehen: die grosse Finanzpolitik (Milton Friedman) kommt allen Ernstes mit solchen Ideen, die noch vor kurzem als verrückt gegolten hätten. Geld soll die Wirtschaft retten. - Und die Politik von unten kommt mit einer progressiv erscheinenden Idee, welche die meisten Menschen bisher als illusorisch angeschaut haben: einem bedingungslosen Grundeinkommen. Geld soll in dieser Sicht die menschliche Autonomie retten.

Verblüffend, diese gegenseitige Annäherung ...

Wie sehr unsere heutige Welt Geld-gesteuert ist - wie die Reichen ihre Steuervermeidungs-Konstrukte bauen (Panama-Papers), wie die Staaten in Schuldenknechtschaft schmoren, wie die Finanzwirtschaft, die sogenannten Märkte, den Tarif durchgeben -, das steht in jeder Zeitung. Aber diese Herrschaft reicht tief in Bereiche, wo viele es noch nicht vermutet haben: bis ins Silicon Valley - nicht umsonst sind viele der Milliardäre da Mitschöpfer einer digitalen Welt.

In diese Finanz-getriebene, Geld-gläubige, virtuell werdende Welt passt die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens bestens. In gewisser Weise auch zum Finanzplatz Schweiz.

Sie tritt dagegen an, als Antithese, klar. Auf ihrer Flagge stehen die höchsten Verheissungen: die Würde des Menschen, die Autonomie des Individuums, die Ermächtigung des Einzelnen, soziale Gerechtigkeit für alle. Sie biete den Generalschlüssel für unsere sozialen Probleme. (Vgl. S. 27 in diesem Heft)

Ein soziales Phänomen lesen

Etwas taucht auf als soziales Phänomen. Es ist mir sympathisch oder nicht, es stösst mich ab oder zieht mich an. Ich merke das und versuche doch, das Phänomen anzuschauen. Die Zuneigung oder die Abneigung verhindert den unbefangenen Blick - jene sagt mir nur, wie ich dazu stehe. Aber das Phänomen selber, kann es sich aussprechen? Ohne dass meine Emotion reinfunkt? Bei einer Blume, einem Naturphänomen ist das leichter (obwohl auch da manch Persönliches mitschwingen mag). Im Sozialen, wo jeder selber drinsteht, Mitbeteiligter ist, fällt das schwerer: ein Phänomen zu lesen. Nicht schon zu beurteilen, bewerten, verurteilen. Es zu charakterisieren.

Bildgestaltung

Daniel Häni war es, der in der Schweiz vor rund zweieinhalb Jahrzehnten schwanger ging mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (siehe S. 17). Die Idee hatte natürlich eine lange Vorgeschichte (vgl. S. 29). Daniel Häni mischte im Basler Kulturkuchen mit und machte sich in der einschlägigen Szene einen Namen mit originell-erfinderischen Sozialprojekten. Mit der Erwerbung des Gebäudes der ehemaligen Schweizerischen Volksbank in der Innenstadt gelang ihm und seinen Mitstreitern ein Coup: das Unternehmen Mitte mit seinem bekannten Kaffeehaus entstand. Und gewiss ist dieses Gebäude mit noch intaktem Tresorraum im Sous-Sol kein abwegiger Ort, einen Stützpunkt der Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zu beherbergen.

Götz Werner, der erfolgreiche Gründer und Leiter der dm-Drogeriekette war es in Deutschland, der «dem Diskurs zum BGE einen Namen und eine Konkretheit jenseits gerechtigkeitsethischer Debatten verliehen» hat (siehe S. 30 und 11ff.).

Nun sind Daniel Häni und Götz Werner zwei sehr unterschiedliche Menschen: der charismatisch-innovative Elite-Unternehmer, der es zu einem Milliarden-Vermögen gebracht hat, und der Kulturtäter Daniel Häni, der sich in der exzentrischen Basler Kulturszene durchgesetzt hat. Jedoch: beide haben einen anthroposophischen Hintergrund.

Der Deutsche machte die Idee allgemeinverständlich und verbreitete sie. Der Schweizer verbündete sich mit anderen, half mit, sie ins politisch-rechtliche Leben herunter zu holen und in eine Volksinitiative zu schmelzen. Ob und inwiefern die beiden einander beeinflusst haben, weiss ich nicht.

Zwei Menschen haben also massgeblich dazu beigetragen, mit ihrem an der Anthroposophie geschulten Blick auf das Ganze, diese Idee gesellschaftlich zu verbreiten und ein Stück weit akzeptabel zu machen. Das ist ein neues Phänomen. Ein äusserst bemerkenswertes Phänomen.

Niemand hängt es an die grosse Glocke. Die Journalisten verschweigen es nicht, dass die beiden einen entsprechenden Hintergrund haben, auch diese selber stehen dazu. (Sie sagen meines Wissens nicht, dass bedingungslose Grundeinkommen sei eine Idee aus der Anthroposophie. Aber gewiss sind sie auch nicht der Meinung, sie widerspreche Rudolf Steiners Sozialimpuls.) Weil das BGE bei den Journalisten (und vielleicht noch mehr bei den Journalistinnen) oft gut ankommt (bei den Fachredakteuren weniger) als progressive Idee, wird das offenbar mitakzeptiert - irgendwie passt dieses idealistische Konzept mit den Vorstellungen zusammen, die man von Anthroposophie hat, so scheint es.

Nun ist es so, dass seit Rudolf Steiners Kampf, mit seiner Idee von der Dreigliederung des sozialen Organismus eine Volksbewegung zu entfachen, das Thema Anthroposophie und Politik beinahe zu einem Stillstand gekommen ist. Historisch folgte in Deutschland der zu einer sozialen Dreigliederung absolut entgegengesetzte Kollektivismus und Nationalismus von Hitlers Nationalsozialismus. Danach eine Form des wirtschaftlichen Aufschwungs, welcher in den Finanz-Kapitalismus unserer Tage mündete.

Politisch aktive Anthroposophen gab es seit den Zeiten Steiners nur wenige. Die sogenannten Dreigliederer waren und sind eine verschwindende Minderheit im anthroposophischen Raum. Peter Schilinski, Wilfried Heidt waren die vielleicht bekanntesten (kürzlich wurde ein Achberg-Jubiläum gefeiert). Gerald Häfner als ehemaliger Bundestags-Abgeordneter u.a. ist eine grosse Ausnahme. So auch das soziale Wirken von Udo Herrmannstorfer (u.a. Schweiz im Gespräch, Wege zur Qualität). Eine öffentliche Wirksamkeit für die soziale Dreigliederung gelang nur in kleinen Ansätzen. (Natürlich ist das ungebührlich verkürzt. Es gibt die Initiative Netzwerk Dreigliederung mit Christoph Strawe und manch andere Initiative.) Auf ein Manko, ein Nicht-Erscheinen soll hier ohne Anklage hingewiesen werden. Denn das gehört zum Bild.

Nun kommt diese Idee, massgeblich gefördert von Menschen mit anthroposophischen Hintergrund, und dringt in die allgemeine Öffentlichkeit. Was ist passiert? Da sind Menschen hartnäckig dran geblieben, haben ihren Einsatz geleistet. Haben sich verbunden mit anderen. Sind in den politischen Bereich vorgestossen. Das ist eine Leistung, die es anzuerkennen gilt.

Sie haben auch, in einer von politischen Eliten geförderten Stimmung der Alternativlosigkeit, vielen Menschen Hoffnungen gemacht, haben sie in Bewegung gesetzt: doch, eine Alternative ist möglich! So ist vielleicht Boden gelockert worden. Einige der in Bewegung Gesetzten werden sich weiter bewegen, werden ihre Lehren ziehen.

Andererseits: viele Junge, gerade die Veränderungs-Willigen, wurden in diese Bewegung gesogen. Denn da werden die höchsten sozialen Ideale angesprochen: Autonomie, Gerechtigkeit, Solidarität (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), nach denen sich die Menschen im Tieferen so sehnen. Und sie erscheinen zum Greifen nah!

Konnte diese Bewegung deshalb so (relativ) erfolgreich sein? Und traf sie dadurch, dass sie beim Geld ansetzte, einen Nerv der Zeit? Gelang gerade hier ein gewisser Durchbruch, weil Ideale und Geld auf diese Weise kombiniert sind? Und weil hier, in einer gesamtgesellschaftlich schwierigen Lage, ein Auf- und Durchbruch möglich erscheint: ein Befreiungsschlag? Weil hier eine Abkürzung zu einer menschlichen Gesellschaft verheissen wird?

Was für Bilder werden von der Bewegung für ein bedingungsloses Grundeinkommen, der Generation Grundeinkommen, wie sie sich nennt, geboten? «Das Geld liegt auf der Strasse. Es ist ja da. Wir verteilen es gratis. Alles ist da.» Dazu eine Roboter-Demo (30. April in Zürich). Dazu: «die grösste Frage, das grösste Plakat der Welt» ...

Wir stehen vor einer Mischung der mächtigsten Gewalten unserer Zeit: den zeitgemässen Menschheitsidealen - der Geldmacht - der technisch-virtuellen Welt (welche uns die Arbeit abnehme und das Grundeinkommen ermögliche, ja erzwinge). Starke Lockrufe ertönen.

Was ist das für eine Idee?

Schauen wir uns diese Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens näher an. Ein Grundeinkommen wird in unserer Gesellschaft längst gewährleistet. Nur ist es an Bedingungen geknüpft. Bedingungen, wie sie die Beteiligten im sozialen Prozess über Jahrzehnte und Jahrhunderte ausgehandelt und erkämpft haben. Die sollen nun - ziemlich auf einen Schlag - beiseite geräumt, abgeschafft werden. Waren unsere Vorfahren blöd?

Nein, sagen die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens: aber die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt. Jetzt kommen wir mit etwas Neuern. Es ist ein toller Wurf, der uns befreit.

Ihr meint, wenn euer Einkommen gesichert sei, wäret ihr frei?

Ja, frei zu tun, was unser Herz begehrt. «Was würdest du tun, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre», lautet ja die Standardfrage, die Daniel Häni nicht müde wird auszustreuen. Damit wird der Mensch angesprochen, der gerne tätig sein will, die eigene Biographie auch. Die Selbstverständlichkeit der Lohnarbeit wird in Frage gestellt. So wohnt dieser Frage eine erhebende Dynamik inne.

Nur ist es so, dass nicht nur das Herz im Leibe seine Begehren hat.

Wohin führt diese BGE-Standardfrage: Sie führt mich zu mir, zu dem, was ich gerne tun würde, zu meinen Träumen, meinen Hobbies vielleicht. Gut. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Vor allem nicht in einer Arbeitsgesellschaft, die vielfach Berufslaufbahnen mit finanziellen Mitteln zu ködern sucht, welche die Leute so einspannt, dass sie die Besinnung verlieren. Andererseits: Haben nicht viele eine 40-Stunden-Woche mit viel Ferien (ich spreche nicht von Eltern mit kleinen Kindern)?

Was würde geschehen, wenn wir die Frage anders stellen: Was würdest du tun, wenn du einen möglichst grossen Beitrag für eine bessere Welt leisten möchtest? Oder: Was würdest du tun, wenn es nicht auf deine Vorlieben ankäme, sondern auf deine Fähigkeiten, darauf, wo du am meisten gebraucht wirst? Wo wirst du am meisten gebraucht? Das kann nicht ich für mich sagen, das sagen mir die anderen. Mein Blick wird auf die anderen, weg von mir, gerichtet.

Beides ist einseitig: im Leben geht es hin und her. Ich mache eine Ausbildung, vielleicht nach meiner Vorliebe (oder gerade nicht: nach der meines Vaters), nehme einen Beruf an. Da zeigt sich, dass da etwas Bestimmtes gebraucht wird und ich gut darin bin - und ich finde meine Befriedigung darin -, worauf ich selber nie gekommen wäre. Oder ich folge dem Geld. Oder ich begleite einen Lebenspartner und fange etwas Neues an. Ob ich etwas verdiene dabei, zeigt sich daran, ob ein gesellschaftliches Bedürfnis nach meinem Geleisteten vorhanden ist. Die Dinge haben ihren Preis. Dieser gibt mir die gesellschaftliche Orientierung.

Dass dieser Preisbildungsprozess heute durch Subventionen und manch anderes vielfach verfälscht ist, heisst nicht, dass er nicht richtiggestellt werden sollte. Jedem wird wohl die von Rudolf Steiner gefundene Preisformel einleuchten: «Ein richtiger Preis ist dann vorhanden, wenn jemand für ein Erzeugnis, das er verfertigt hat, so viel als Gegenwert bekommt, dass er seine Bedürfnisse, die Summe seiner Bedürfnisse, worin natürlich eingeschlossen sind die Bedürfnisse derjenigen, die zu ihm gehören, befriedigen kann so lange, bis er wiederum ein gleiches Produkt verfertigt haben wird.» (Nationalökonomischer Kurs, 6. Vortrag).

Löhne sind gegenseitige Ertrags-Zuteilungen. Würden diese Prozesse bewusster gehandhabt, würde sich daraus ein vertieftes Interesse für die Mitarbeiter und das jeweilige Unternehmen ergeben. (Siehe dazu Michael Birnthaler, S. 21ff.)

Durch ein Grundeinkommen nun wird dieser Gegenseitigkeitsprozess tiefgehend gestört. Die Wirtschaftsprozesse werden nicht nach menschlichem Mass umgestaltet, sondern wie eine Sphäre behandelt, in die ich mich hineinbegeben kann oder nicht. Der existentielle Ernst wird daraus genommen, da meine Existenz schon gesichert sei. (Aber wer sichert sie?) Das ganze Preisgefüge wird dadurch verzerrt. Denn darum geht es: die ganze Wirtschaft allmächlich so umzugestalten, dass die Preise die obige Bedingung erfüllen. Die Wirtschaft ist in der modernen Welt der Raum, wo die Menschlichkeit in einem zähen Kampf hineingearbeitet wird.

Dagegen kennen wir doch die Welt rsp. die Bereiche darin, wo jeder nur nach seinen Vorlieben lebt: Das ergibt dann die Tausenden von Kunststudenten, deren Erzeugnisse niemand will.

Alles soziale Leben beruht auf Gegenseitigkeit. Was ist das für eine Welt, wo ich selber beurteile, ob mein Buch das wichtigste der Welt ist, wo ich es an alle Welt gratis verteile?

In einer gesunden Welt entscheidet die Nachfrage nach meinem Buch, meiner Zeitschrift, ob sie und in welcher Auflage sie existiert. Das ist der Massstab. Die Dinge sind nicht bedingungslos: die andern geben mir die Bedingungen. Natürlich ist vieles ungerecht. Kostbares kann untergehen. Nichts ist garantiert. Es kommt auf uns an. Es ist so, wie «wir» es eingerichtet haben. Aber wir können konkret um Verbesserungen kämpfen.

Was passiert nun, wenn das Grundeinkommen durch den Staat garantiert wird? Mein Einsatz im Wirtschaftsleben wird eitel Spiel. (Solange die Arbeitenden es aufrechterhalten.)

Wir kommen wie die Jungfrau zum Kind. Das bedeutet ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wir bleiben Kind, versorgt von Vater Staat. Und weil Geld eine abstrakte Potenz ist, kann jeder sich nun vorstellen, was daraus werden würde. Das ist ja nicht falsch. Es sind einfach Möglichkeiten. Was aber feststeht: ich richte mit dem BGE einen Prozess ein, der mich nicht in das soziale Wesen hineinführt, wie es jeder normale Einkommensprozess tut, sondern der mich daraus hinaus führt. Auf meine Insel.

Ein persönliches Beispiel dafür: Als ich 1992 die Redaktion der Gegenwart übernommen habe mit Kollegen zusammen, war klar, dass die Zeitschrift mich nicht würde finanziell tragen können. Also suchte ich eine zusätzliche bezahlte Beschäftigung und wurde fündig in einem Heim für seelenpflegebedürftige Menschen. Diesen Schritt - dem ich soviel verdanke - hätte ich sonst nicht gemacht.

Das Leben bietet einem Widerstände. Diese müssen überwunden werden. Das schenkt Kräfte. Eröffnet Möglichkeiten. Das BGE räumt viele dieser Widerstände aus dem Weg. Was tut es da?

Gewiss, Selbstverwirklichung wird heute so verstanden, dass ich mich verwirkliche nach meinen Vorstellungen. Wenn aber Freiheit darin bestünde, seine Aufgabe zu erfüllen? Wer sagt mir, was meine Aufgabe ist? Ich kann diese nur bei den anderen entdecken. Das BGE behindert diese Gegenseitigkeitsprozesse. Der andere kann mir ... Ich bin ja versorgt.

Heutige Stadtkinder sagen: die Milch kommt vom Migros, die BGE-Kinder dann: das Geld kommt vom Staat.

Gerade, weil heute alles in Auflösung begriffen ist - am Drastischsten zu sehen an der Errichtung einer digitalen Parallelwelt, am Intimsten in den nächsten Beziehungen -, müssen wir alles tun, um die lebendige Welt zu <befestigen>, zu kräftigen, müssen wir die gegenseitigen Abhängigkeiten in den Beziehungen verlässlich machen. Kann ich mich auf dich verlassen? Kann ich auf dich bauen?

Uns geht ja aber die Arbeit aus! Wie können wir unter diesen Umständen weiterhin die Einkommensprozesse mit der Arbeit koppeln? - Das ist eine Gestaltungsfrage. Was wollen wir: menschliche Pfleger oder Roboter? Lehrer oder Programme? Wo unser Geld hinfliesst, bestimmen wir selber -auch wenn das Geld knapp ist. Jeder Kauf ist zugleich die Bestellung: bitte dasselbe nochmal produzieren! Wir errichten mit unseren Konsum-Entscheidungen die Wirtschaftswelt, die Arbeitsplätze selber.

«Das bedingungslose Grundeinkommen macht jeden zum Unternehmer.» Es gibt ja Gründe, weshalb eben nicht jeder Unternehmer ist. Dies können wir verändern durch Bildung und Schulung. - Jeder ein Unternehmer - aber das Geld vom Staat: das nenn ich Dialektik!

«Arbeit und Einkommen trennen»: wieso denn? Damit ich meine Arbeit erledigen kann, ohne auf das Geld zu schielen dabei. Ich leiste die geforderte Arbeit möglichst gut. Die andern sprechen mir ein Einkommen zu. Es sind zwar zwei Prozesse - insofern zu trennen. Aber zwei zusammengehörende Prozesse. Reisse ich sie auseinander, wird die soziale Gegenseitigkeit gestört. Wird das gesamte Preisgefüge (noch weiter) gestört. Wird das soziale Labor in den Unternehmen torpediert. Aber da ist es, wo Zug um Zug vorgegangen werden kann - einen grossen Flug gibt es da nicht -, um Mitmenschlichkeit in die Wirtschaft einzubauen.


Quelle: GEGENWART Nr. 2/2016

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