Kapital und Postmaterialismus

01.03.2006

Die materialistische Kapitalauffassung bei Karl Marx und in der neoliberalen Wirtschaftskultur der Gegenwart im Vergleich mit der postmaterialistischen Kapitaltheorie Rudolf Steiners

Die Kapitaltheorie Karl Marx versteht sich selbst als „materialistisch“. Im Gegensatz zu anderen materialistischen Wirtschaftstheorien zeichnet sich diese jedoch dadurch aus, dass Marx sie aus einem an Hegel geschulten dialektischen Denken entwickelt hat. Das Denken Rudolf Steiners ist ebenfalls an Hegel geschult. Im Gegensatz zu Marx, der den Hegelschen Denkansatz „auf die Füße stellen“ wollte, in dem er statt des Geistes die Materie zum Ausgangspunkt der dialektischen Bewegung erklärte, zieht Steiner eine ganz andere Konsequenz aus Hegels Philosophie. Die Hegelsche Logik ist für ihn ein Höhepunkt der menschlichen Denkentwicklung. Dennoch müsse sie aus ihrer eigenen Konsequenz in den Materialismus umschlagen, wenn der Mensch nicht einen neuen Entwicklungsschritt vollzieht. [1] So genial das Hegelsche Denksystem auf der einen Seite auch sei, so wenig könne in ihm der wirkliche Geist gefunden werden. Allerdings, so Steiners Auffassung, können diese Begriffe dazu dienen, dass durch sie hindurch der reale Geist geschaut werden kann. [2] Erst wenn dieses von Menschen geleistet wird, d.h. wenn Menschen beginnen, die geistige Realität ebenso anzuschauen wie die physische, entstehen Freiräume für wirkliches individuelles Handeln. Anderenfalls wird das menschliche Handeln in der Tat nur ein Ausdruck dessen, was die sozioökonomische Struktur ihm aufprägt, so wie Marx es in letzter Konsequenz behauptet.

Gerade das macht Steiner als „postmaterialistischen“ Denker interessant. „Postmaterialismus“ verstehen wir hier in dem Sinne, dass bei Steiner „die Schwelle zu einer ontologischen Phänomenologie der inneren Phänomene als den eigentlich „postmaterialistischen Realitäten“, deren philosophische Untersuchung allein eine Antwort auf das „Warum“ (gibt)“, souverän überschritten wurde. [3] Der Materialismus ist für ihn keine „falsche Theorie“, selbst wenn ihm an vielen Punkten gravierende Inkonsequenzen nachgewiesen werden können. Diese Fehler und Inkonsequenzen sind jedoch nur die Folge der Behauptung, dass bloß von der Materie her die gesamte menschliche Entwicklung verstanden werden kann. Der Materialismus hat eine Wahrheit, die es zu achten gilt und die insbesondere bei der Betrachtung der Gesetzmäßigkeiten des Wirtschaftslebens von entscheidender Bedeutung ist. Allerdings existieren neben dieser Wahrheit andere Wahrheiten, die es zu erfassen gilt und die durch den Menschen „ins Spiel zu bringen“ sind. Gelingt dieses nicht, so wirkt die Wahrheit der materialistischen Theorien. Die gesellschaftliche Entwicklung wird dann in ihren Grundzügen voraussagbar; wozu die Marxschen Grundgedanken – wenn auch nur in grober Weise - geeignet sind. Gelingt es jedoch, die geistigen Wahrheiten ins Spiel zu bringen, dann wird die Eigendynamik der materialistischen Entwicklungswahrheit zurückgedrängt und es entsteht etwas prinzipiell Neues. 

Steiner geht es somit nicht darum, dass die Menschen „bessere“ Werte annehmen als die materialistischen. Ihm geht es darum, aufzuzeigen, dass der „Geist“ ein Realprinzip ist, welches berücksichtigt werden kann, wenn man einen Zugang dazu findet. Allerdings sieht er es als eine Entwicklungsnotwendigkeit an, dass der Mensch diesen Zugang finde. Denn, wirkt nur das Realprinzip der Materie, dann geht der Mensch als Mensch darin unter. Diese Anschauung hat Konsequenzen, die sich bis in seine Kapitaltheorie niederschlägt. Es soll dieses im Weiteren aufzuzeigen versucht werden.

Der "Nationalökonomischen Kurs" – ein Gegenentwurf zu Marxens „Das Kapital“

Die ökonomische Anschauung Rudolf Steiner muss aus verschiedenen Schriften, Aufsätzen und vor allem Vorträgen zusammengetragen werden. Ein systematisches ökonomisches Werk liegt nicht vor. Seine sozialwissenschaftliche Hauptschrift, die "Kernpunkte der sozialen Frage", in der die Idee der "Dreigliederung des sozialen Organismus" entwickelt wird, ist 1919 innerhalb weniger Wochen auf der Grundlage einer Vortragsreihe zum gleichen Thema, also unter starkem Zeitdruck, als Antwort auf die Situation Mitteleuropas nach dem 1. Weltkrieg niedergeschrieben worden. Allerdings lag den Ausführungen eine 30jährige Beobachtung der Entwicklung der sozialen Verhältnisse zugrunde. Insbesondere sind auch die Erfahrungen seiner sechsjährigen Tätigkeit (1899-1905) an der von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht geführten Arbeiterbildungsschule in Berlin darin eingeflossen. Drei Jahre nach dieser Veröffentlichung, im Sommer 1922, wird er von Studenten der Nationalökonomie gebeten, seine Ideen zur Nationalökonomie zu entwickeln. Diese Vorträge, der sog. "Nationalökonomischen Kurs" sind neben den „Kernpunkten der sozialen Frage“ die systematischsten vorliegenden Ausführungen insbesondere zum Kapitalbegriff.

Steiner trat in seinen sozialwissenschaftlichen Schriften und Vorträgen immer als scharfer Kritiker der Marxschen Denkweise auf. [4] Denn er sah keine Möglichkeit, dass mit diesem methodischen Ansatz in irgendeiner Weise eine positive Gestaltung der sozialen Verhältnisse möglich wird. Dennoch baut er, was oft übersehen wird, inhaltlich im "Nationalökonomischen Kurs" in starkem Maße auf Marx auf. „Die wichtigsten Behauptungen von Karl Marx sind nicht zu widerlegen, sind ganz unmöglich zu widerlegen“, behauptet Steiner dann auch an anderer Stelle. [5] Allerdings denkt er Marx von seinem methodischen Standpunkt aus um, in dem er die vom materialistischen Standpunkt aus gedachten Begriffe mit Begriffen konfrontiert, die den Geist als wirksames Realprinzip mitberücksichtigen. Die Berücksichtung des Geistes als Realprinzip wirkt sich am stärksten auf die Bildung des Kapitalbegriffs aus. Denn die Entstehung des Kapitals ist für ihn maßgeblich auf die Wirksamkeit des Geistes zurückzuführen. Ebenso stellt Steiner dem Gedanken der Mehrwerttheorie eine Auffassung entgegen, die den berechtigten Anteil der geistigen Leistung am Zustandekommen eines Gebrauchswertes aufzeigt. In dem Steiner den arbeitswerttheoretischen Ansatz durch einen geisttheoretischen ergänzt, versucht er aufzuzeigen, wie die Eigendynamik des materiellen Prozesses wieder in die bewusste menschliche Gestaltbarkeit gebracht werden kann.

Es soll zunächst ein Blick auf die grundlegende Gedankenbildung der marxschen Werttheorie geblickt werden, um dadurch eine geeignete Vergleichsgrundlage zu dem Steinerschen Ansatz zu schaffen.

Die Gedankenbildung bei Karl Marx

Das Wertgesetz von Karl Marx

Marx Ziel ist es, die treibenden Gesetze der ökonomischen Struktur der Gesellschaft aufzudecken. Diese Struktur, in welche die Menschen ohne ihren Willen hineingeboren werden, bildet  die reale Basis, auf der sich der gesamte Überbau der politischen und juristischen, ja auch der religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz »ideologischen« Formen erhebt. »Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.« Dies gesellschaftliche Sein aber ist kein starres, sondern, wie schon Hegel gezeigt, in beständigem Flusse begriffen. Seine Entwicklungsgesetze gilt es in naturwissenschaftlicher Methode zu erforschen und so die Geschichte der Menschheit wissenschaftlich zu begreifen. [6]

Die treibende Kraft im ökonomischen Leben ist das, was Marx auch als „Wertgesetz“ bezeichnet. Dieses ist ein Gesetz wie ein Naturgesetz, welches sich, ohne dass es den Akteuren im ökonomischen Prozess bewusst werden muss, gewaltsam durchsetzt, „wie etwa das Gesetz der Schwere, wenn einem das Haus über dem Kopf zusammenpurzelt.“ [7]  Das Wertgesetz wirkt wie ein Wesen, das die Ausgestaltung seiner besonderen Erscheinungen bestimmt. Seine Substanz bildet es aus der menschlichen Arbeit, insofern diese sich in einen gesellschaftlichen Zusammenhang hineinstellt, d.h. Gebrauchswerte erzeugt. Um Wert zu werden muss die menschliche Arbeit aus ihrem „flüssigen Zustand“ in die „geronnene Form“ übergehen, [8] d.h. für die Schaffung von Gebrauchswerten verausgabt worden sein. Aus der menschlichen Arbeitskraft wird jedoch nur in dem Maße Wert gebildet, wie viel Arbeitsaufwand für die Erzeugung eines Gebrauchswertes in einem gegebenen Zeitpunkt im Durchschnitt gesellschaftlich notwendig ist. Marx will damit zum einen den jeweiligen Stand der Produktivkräfte berücksichtigen, zum anderen die Tatsache, dass nicht alle Menschen gleich effizient arbeiten. Hat somit in einem bestimmten Zeitpunkt eine Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen ein bestimmtes Quantum gesellschaftlich notwendige Arbeit verausgabt, ist damit ein bestimmter Gesamtwert gebildet, welcher im Austauschprozess verteilt wird. Der Tauschwert einer Sache ist eine besondere Erscheinungsform dieses Wertes. Die Produzenten können im jeweiligen Austauschprozess nicht wissen, welchen konkreten Tauschwert ihr Erzeugnis besitzt. Der Preis des Erzeugnisses wird sich aus den jeweiligen konkreten Bedingungen ergeben. Allerdings wirkt der Tauschwert „hinter dem Rücken der Produzenten“ insofern, dass er die gesamte Produktion reguliert. Die Konkurrenz ist dabei sein Durchsetzungsmechanismus. Der Wert wird zum Gravitationszentrum der Preise; unterschreiten diese in einer Branche den Wert, wird überschüssige Arbeit durch Ruinierung bzw. Abwanderung von Produzenten abgeleitet, überschreiten sie ihn, fließen der Branche zusätzliche Arbeitskräfte zu. Das Wertgesetz bewirkt somit eine Differenzierung der Produzenten: die Verlierer werden zu besitzlosen Proletariern, die Gewinner zu Kapitalisten, die nunmehr nicht allein auf eigene Arbeit angewiesen sind, sondern fremde Arbeit ausnutzen können. [9]

Die Verwandlung von Geld in Kapital

Den „stofflichen Inhalt“ der Warenzirkulation bildet bei Marx der Austausch der verschiedensten Gebrauchswerte. Dieser findet in einem Prozess sich verwandelnder ökonomischer Formen statt. In seiner letzten Entwicklung bringt dieser Prozess das Geld hervor. Geld ist die „allgemeine Äquivalentform“ d. h. eine Ware, deren spezifischer Gebrauchswert bloß noch in der Vermittlung des Tausches besteht. Gold, später Papiergeld, dessen Wert aber vom Goldwert abhängt, kann, Marx zufolge, diese Rolle am besten übernehmen. Geld als das letzte Produkt der Warenzirkulation, ist die erste Erscheinungsform des Kapitals.

Geld als Geld und Geld als Kapital unterscheiden sich zunächst nur durch ihre verschiedene „Zirkulationsform“.  Die unmittelbare Form der Warenzirkulation ist die Verwandlung von Ware in Geld und die anschließende Rückverwandlung von Geld in Ware (W – G – W). Dieser Prozess endet damit, dass ein Produzent, der sein Erzeugnis, die Ware, gegen Geld ausgetauscht hat, durch die Rückverwandlung des Geldes in Ware  zu dem Gebrauchswert gelangt ist, der seinem konkreten Bedarf entspricht. Diese Form hat somit einen endlichen Zweck: die Beschaffung eines für das Leben notwendige Gut. Neben dieser unmittelbaren Form wird aber durch das Geld eine zweite möglich: die Verwandlung von Geld in Ware zu dem Zwecke, die Ware wieder in Geld zu verwandeln (G – W – G). Kapital – im Sinne von Marx – ist das Geld, welches in diese Zirkulationsform überführt worden ist. Das eigentümliche dieser zweiten Form, G – W – G, sei, dass sie im Gegensatz zur ersten, W – G – W, unendlich ist. Ihr Zweck ist durch diesen Geldverwandlungsprozess ein Mehr zu erzielen.  Hat sie ihr Ziel erreicht, so steht sie am Anfang eines neuen Kreislaufes. Aber auch dieser endet, insofern sie den Erwartungen entsprechend verläuft, wieder mit einer gewinnbringenden Rückverwandlung von Ware in Geld in der Hand des „Kapitalisten“. Dessen unmittelbarer Zweck ist weder der einzelne Gewinn noch gar der Gebrauchswert einer Sache, sondern vielmehr die rastlose Bewegung des Gewinnens. [10]

Die Bestimmung, die Marx hier dem Kapital gibt, ist ganz auf die Erfassung des Ausbeutungsverhältnisses hin angelegt, welches gerade durch die zweite Zirkulationsform hervorgebracht wird. Von dieser Bestimmung her betrachtet muss jeder Kapitaleinsatz ein Ausbeutungsverhältnis hervorbringen, denn es wird dadurch der ersten Zirkulationsform w-g-w und damit dem unmittelbaren Wertetausch der Produzenten Tauschwerte entzogen. D.h. nur noch ein Teil des in einer Periode geschaffenen Gesamtwertes steht für den im Konsum endenden Warenaustausch zur Verfügung; der andere Teil geht in den Aufbau des Produktionspotentials, da der Kapitalist sein Geld ja gerade dazu verwendet um Produktionsmittel und Arbeitskraft aufzukaufen, um damit Waren herstellen zu können, die er dann wieder gewinnbringend verkaufen kann.

Warum, so kann man sich fragen, wird auf diesem Wege immer ein Ausbeutungsverhältnis geschaffen? Steht doch durch den Kapitaleinsatz zwar in der ersten Periode für den unmittelbaren Konsum weniger zur Verfügung, so werden dann doch in der nächsten Periode wesentlich mehr Gebrauchswerte geschaffen, insbesondere, wenn durch den Kapitaleinsatz bewirkt wird, dass das Produktionspotential immer effizienter ausgestaltet wird. Allerdings wird durch eine solche Entwicklung der Produktivkräfte nicht mehr (Tausch-)Wert gebildet. Dieses wäre im Sinne der Marxschen Werttheorie nur durch die Vermehrung der Arbeitskräfte möglich. Werden in zwei Produktionsperioden gleichviel Arbeitskräfte eingesetzt, so wird auch der gleiche Gesamtwert gebildet, unabhängig davon, dass durch die weiter entwickelten Produktivkräfte in der zweite Periode mehr Gebrauchswerte geschaffen werden. Die Löhne der Arbeitnehmer (nach Marx der Preis für die als Ware gehandelte Arbeitskraft) werden durch die Konkurrenz in der Regel auf die Reproduktionskosten der Arbeitskraft heruntergedrückt. D.h. obwohl sie unter Umständen gleich viele Gebrauchswerte für Ihren Lohn erhalten, sinkt der Arbeitnehmeranteil am Gesamtwert stetig. Durch die gestiegene Produktivität gelingt es dem Unternehmer den „relativen Mehrwert“ zu erhöhen. Selbst wenn die geschaffenen Gebrauchswerte durch die steigende Produktivität so stark vermehrt wurden, dass der Gesamtheit der Arbeitnehmerschaft dadurch ein relativ höherer Konsum möglich wird, würde ihr Anteil am Gesamtwert durch die dem Kapital eigene Tendenz stetig sinken. Marx will zeigen, dass die Dynamik der zweiten Zirkulationsform bewirkt, dass eine immer kleinere Gruppe von Kapitalisten über einen immer größeren Teil des gesellschaftlich geschaffenen Wertes verfügen kann.

Die Gedankenbildung bei Rudolf Steiner

Die Entstehung des Kapitals als realer Abstraktionsprozess

Auch Rudolf Steiner vertritt in gewisser Weise einen arbeitswerttheoretischen Ansatz. Allerdings sieht Steiner, wie schon angedeutet, die Arbeitswertlehre nicht als ausreichend an, um die entscheidenden Phänomene der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft zu erfassen. Er ergänzt die Arbeitswertlehre daher durch eine „Geistwertlehre“. Bei Marx wird „Wert“, wie oben gezeigt, eine Art imaginatives Wesen, welches man hinter den Erscheinungen wirksam denken muss, niemals aber konkret in Erscheinung tritt. Steiner hingegen verzichtet vollkommen auf die Konstruktion solcher Wertbegriffe. Die Begriffe, die er einführt, haben das Ziel, die Phänomene zu charakterisieren, d.h. den Blick systematisch auf sie zu lenken. Deshalb spricht Steiner zumeist auch nicht von „Wert“ sondern lediglich von wertbildenden Faktoren. Wertbildend ist für Steiner die Arbeit dann, wenn Sie ein Naturprodukt so umwandelt, dass sie ausgetauscht und konsumiert werden kann (also im Sinne von Marx einen Gebrauchswert darstellt). Kapital entsteht hingegen dadurch, dass der menschliche Geist auf die Organisation der menschlichen Arbeit angewendet wird. D. h. der menschliche Geist gliedert, strukturiert die Arbeit und schafft durch seine Organisationskraft die Möglichkeit, dass ganze Arbeitsschritte entfallen können. Ein simples Beispiel kann dieses verdeutlichen: Ein Landwirt, der seine Ernte nur mit seiner eigenen Arbeitskraft und der seiner Helfer einbringen wollte, hätte unendlich mehr zu tun, als der, der einen Wagen, geschweige denn die modernen Landmaschinen, einsetzt. Die geistige Leistung der Erfindung des Wagens erspart dem Landwirt eine Menge Arbeit, die er anderweitig fruchtbar einsetzen kann.

Weil durch die geistige Leistung Arbeit real erspart wird, kann Steiner auch nicht der Marxschen Auffassung folgen, das Kapital lediglich „aufgespeicherte Arbeitskraft“ sei. Die eigenständige Bedeutung der geistigen Leistung wird bei einer solchen Definition nicht erfasst. Der Wert, der dadurch geschaffen wird, dass Natur durch menschliche Arbeit zu einem konsumierbaren Gut umgewandelt wird, ist zwar die Grundlage aller Kapitalbildung, er geht aber nicht als positive Substanz in das Kapital ein. Vielmehr macht sich im Kapital ein anderer wertbildender Faktor geltend, den Steiner als „Geist angewendet auf menschliche Arbeit“ charakterisiert. Der Wert einer Ware setzt sich von der wertbildenden Seite her gesehen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft immer aus den beiden Faktoren „Arbeit, angewendet auf Natur“ und „Geist auf Arbeit“ zusammen. Daneben berücksichtigt Steiner noch eine Wertbildung, die durch die besonderen Bedürfnisse der Menschen und der Knappheit eines Gutes hervorgerufen wird. Diese bezeichnet er als „wertbildende Spannung“. In dem Preis einer Ware, der auf dem Markt realisiert wird, wirken zusammen die wertbildenden Faktoren und die wertbildende Spannung.

Steiner geht es vor allem darum, den Anteil der geistigen Arbeit als qualitativ andersartigen wertbildenden Faktor zu Bewusstsein zu bringen. Im Gegensatz zur körperlichen Arbeit weist sie nämlich einen fundamentalen Unterschied auf: Ihre Ergebnisse werden nicht wirklich verbraucht. Hat jemand eine Idee gefunden, wie etwas sinnvoll zu organisieren ist oder hat er gar eine wissenschaftliche Entdeckung gemacht, die sich wirtschaftlich anwenden lässt, so kann diese Idee von jedem, der sie versteht, übernommen und angewendet werden. Selbstverständlich kann eine solche Idee verbessert oder gar durch eine andere ersetzt werden. Verbraucht wird sie dadurch nicht. Leibniz, der Erfinder der Differentialrechnung, baut so gesehen noch heute an jeder Brücke mit. [11] In jeder unserer individuellen geistigen Leistungen steckt ein großer Anteil der Leistung unserer ganzen Kultur, der nur zu leicht übersehen wird. Steiners Kapitaltheorie will zeigen, dass eine richtige Wertschätzung dieser gesellschaftlichen Kulturleistung für eine gedeihliche Entwicklung des Wirtschaftslebens notwendig ist.

Kapital entsteht da, wo Ideen im wirtschaftlichen Leben sinnvoll zur Anwendung gebracht werden. Dabei ist zu unterscheiden die Leistung der Hervorbringung der Idee selbst und die Leistung ihrer Anwendung. Diese Leistungen werden in der Entwicklung des arbeitsteiligen Wirtschaftslebens mehr und mehr von verschiedenen Menschen erstellt werden. Für die gesunde Entwicklung des Wirtschaftslebens wird es darauf ankommen, dass sie in richtiger Weise sich geltend machen können. Es wird sich zeigen, dass aus Sicht der Steinerschen Kapitaltheorie die Gestaltung des gegenwärtigen Eigentumsrechtes hierfür ein immer größeres Hemmnis darstellt. Zunächst aber untersucht Steiner ganz unabhängig von eigentumsrechtlichen Fragen die Wirksamkeit des Geistes bei der Kapitalbildung anhand des Beispieles eines Wagenerfinders. Dabei will er die dem Kapital eigene Tendenz aufzeigen, sich von den konkreten Arbeitszusammenhängen abzulösen und dadurch das Wirtschaftsleben auf eine neue Stufe zu heben.

Übertragen wir Steiners Beispiel auf unseren Landwirten, so kann man sagen: Der Landwirt kann durch die Erfindung des Wagens seine Ernte viel schneller bewältigen als die Landwirte in seiner Nachbarschaft. Er gewinnt sogar Zeit, seinen Kollegen mit dem Wagen auszuhelfen. Diese werden ihm dafür seine Leistung mit einem Teil ihres Ertrages entgelten. Denken wir uns nun, dass er sich entschließt, den Gewinn in den Bau weiterer Wagen zu investieren. Diese kann er nun verleihen. Bald ist für ihn dieses Geschäft wesentlich ertragreicher als seine Landwirtschaft. Er ist also Kapitalist geworden.

Kapital bildet sich in dem Maße, wie eine Idee auf einen Arbeitszusammenhang angewendet wird. Es ist der Ausdruck dafür, dass der Geist in die Arbeitsorganisation strukturierend eingegriffen hat. Für Steiner ist dieses der entscheidende Gesichtspunkt zur Kapitalbildung. Ohne dass man diesen zugrunde legt, könne man die Funktion des Kapitals im volkswirtschaftlichen Prozess nicht verstehen. Kapital ist daher zugleich immer eine notwendige Begleiterscheinung der Arbeitsteilung.

Der Landwirt stand mit seiner Arbeit zunächst im unmittelbaren Verkehr mit der Natur. In dem Maße, wie er beginnt, durch den Geist die Arbeit zu organisieren, Ideen auf sie anzuwenden, löst sich etwas von diesem unmittelbaren Verkehr los. Denn in dem er durch seinen Wagen Kapital schafft, kann ihm gleichgültig werden zu welchem Zweck er dieses einsetzt, das heißt was er transportiert. Solange der Landwirt nur sein Land bearbeitet hat, kann man rein im Sinne der Arbeitswerttheorie die Sache auffassen. Man hat es dann bei den Erzeugnissen mit Naturprodukten zu tun, die durch die menschliche Arbeit verändert worden sind und dadurch ihren Wert bekommen haben. In dem Maße aber, wie der Geist als wertbildender Faktor eine Rolle spielt, kommt etwas in den volkswirtschaftlichen Prozess herein, das sich nicht mehr ohne weiteres durch die Arbeitswerttheorie fassen lässt.

Am Beispiel des Wagenerfinders lässt sich zeigen, dass solange die Erfindung noch in unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzeugung an der Natur steht, man das Kapital, das sich durch den Einsatz bildet, in gewisser Weise als „aufgespeicherte Arbeitskraft“ auffassen könnte. Denn es kann unmittelbar eingesehen werden, wie viel konkrete Arbeit durch den Einsatz des Wagens erspart wurde. Doch die Erfindung ist ja völlig unabhängig von dem Arbeitszusammenhang, in dem sie erstmals zur Anwendung kam. Man könnte nun im Sinne von Marx sagen: In dem nun die Erfindung zu immer neuen Zwecken eingesetzt wird, bewirkt dieses, dass man nicht mehr von konkreter Arbeit sprechen kann, die in dem Kapital aufgespeichert ist, sondern nur noch von abstrakt allgemeiner Arbeit. Steiner entwickelt die Sache jedoch an dem Beispiel nach einer anderen Richtung:

„Nehmen Sie an, Sie haben eine Zeit lang kapitalisiert und haben sich dadurch Kapital erworben, das nun wirklich volkswirtschaftlich arbeitet. Einer, der erst einen Wagen hat, kann volkswirtschaftlich weiterarbeiten, indem er zwei Wagen erwirbt und so weiter. Sein Kapital arbeitet volkswirtschaftlich. Aber im Grunde ist von der Natur der Arbeit da nichts mehr darinnen. Wenn Sie einen Bergarbeiter ansehen, da ist von ihr sehr viel darinnen; aber in dem Kapital sehen Sie immer weniger von der Arbeit darinnen; und wenn Sie gar annehmen, der Mann überlässt nun einem anderen die ganze Sache, dann wird es durch den Übergang unter Umständen dem zweiten eben nur darauf ankommen, dass sich dasjenige, was da durch den Geist geschehen ist, fruktifiziert; aber höchst gleichgültig wird ihm die Natur der Arbeit sein, die da organisiert wird. Es soll überhaupt nur organisiert werden.

Mit anderen Worten: Wir haben da einen realen Abstraktionsprozess. Es ist ganz dasselbe, was man sonst im logischen Denken in der Abstraktion innerlich vollzieht. Das vollzieht man da äußerlich. Die Besonderheit verschwindet, die Besonderheit der Natursubstanz und die Besonderheit der Arbeitsarten, in den Kapitalmassen nach und nach. Wenn wir den volkswirtschaftlichen Prozess dann weiter verfolgen, dann werden Sie sehen, dass schon gar nichts mehr da ist von dem, was ursprünglich da an Arbeit organisiert worden ist. Denn nehmen Sie den Fortschritt des volkswirtschaftlichen Prozesses, dann wird er sich etwa so darstellen: Der Mann, der den Wagen gebaut hat, der hat noch seinen Geist wenigstens dieser ganzen Erfindung aufgeprägt; aber nun verdient er, er verdient mehr an Wert, als er nur irgendwie selbst bewältigen kann. Ja, sollen das jetzt für die Volkswirtschaft unbenützte Werte bleiben? Das sollen sie nicht bleiben. Es muss ein anderer kommen, der diese Werte mit einer anderen Art von Geistigkeit bewältigen kann, der diese Werte in einer ganz anderen Weise nun verwertet.

So können Sie sich vorstellen: Dasjenige, was da an Werten geschaffen worden ist durch den Wagenerfinder, das ginge über nach einiger Zeit - also dasjenige, was als Fruktifizierung herausgekommen ist -, ginge über an einen Kunstschmied. Der Kunstschmied hat den Geist, eine Kunstschmiede aufzuführen; aber mit dem Geist kann er zunächst nichts anfangen. Aber der andere hat schon wirtschaftliche Werte geschaffen. Die muss er übertragen auf diesen. Da haben Sie schon den vollständigsten Abstraktionsprozess in der Realität draußen.

Daher ist es auch notwendig, damit die Sache überhaupt weitergehen kann - sie könnte sonst nicht weitergehen, denn wie soll der Wagenbauer dem Kunstschmied seine Werte übertragen? -, dass etwas da ist, was sich zu dem Besonderen, das da in der Volkswirtschaft lebt, wie ein Abstraktes verhält. Und das ist zunächst das Geld. Das Geld ist nichts anderes als der äußerlich ausgedrückte Wert, der durch Arbeitsteilung erwirtschaftet ist und der von einem auf den anderen übertragen wird.“ [12]

Der „reale Abstraktionsprozess“, den Steiner hier beschreibt, bewirkt nun, dass sich in der arbeitsteiligen Wirtschaft, die durch die Wirksamkeit des menschlichen Geistes entsteht, ein allgemeines Organisationsmittel für diesen Geist – das Geld ‑ herausbildet. Im Gegensatz zu Marx, der das Geld zunächst als eine Ware beschreibt, deren spezifischer Gebrauchswert nur noch in der Vermittlung des Tausches besteht, und die dann durch den Kapitalist eigentlich in einen zweckentfremdete Zirkulationsform gebracht wird (statt Ware – Geld – Ware, Geld – Ware –Geld; siehe oben), entwickelt Steiner hier als den wesentlichen Charakter des Geldes die Form des Leihgeldes. Es kann dieses zwar auch als Kaufgeld verwendet werden – und quantitativ betrachtet hat diese Verwendungsweise auch den wesentlich größeren Anteil -, doch liegt seine eigentliche Bestimmung darin, dass es dem Geist dazu dient, organisierend ins Wirtschaftsleben einzugreifen. Dass Steiner hier den Charakter des Geldes aus dem Leihprozess entwickelt, heißt nicht, dass er den Marxschen Ansatz damit negieren will. Vielmehr greift er diesen an späterer Stelle ebenfalls als berechtigt auf. Geld lässt sich selbstverständlich als allgemeines Tauschäquivalent denken. Allerdings erfasst man dadurch nur eine Seite des Geldes. Steiner will aber zunächst die andere, bei Marx nicht berücksichtigte Seite ins Bewusstsein rücken. Später wird er sie mit der ersten Seite konfrontieren und dem Leser zumuten, beide Seiten ineinander zu denken.

Es wird noch zu zeigen sein, dass Steiner auf diesem Wege zu einer ganz andersartigen Bestimmung des Geldwertes gelangt, als dieses in den gängigen Geldtheorien üblich ist. Zunächst sollen aber auf einige methodische Unterschiede insbesondere zu dem Ansatz von Marx aufgezeigt werden. Denn die Hervorhebung des „realen Abstraktionsprozesses“ dient auch dazu, gegenüber dem Vorgehen der theoretischen Abstraktion, wie sie dem Marxschen Denken eigen ist, einen anderen Weg aufzuzeigen.

Das „Wertgesetz“, welches nach Marx das ökonomische Geschehen bestimmt, wird ja in der Art eines wesenhaften Naturgesetzes gedacht, welches die besonderen Erscheinungen – hinter dem Rücken der Kapitalisten - bewirkt. Seine Substanz wird, wie schon oben gezeigt, gebildet aus der gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeit. Doch betrachtet man das Abstraktionsverfahren, durch das dieser Begriff gebildet wird, so wird man einen grundlegenden Unterschied zu dem eben beschriebenen „realen Abstraktionsprozess“ feststellen. Marx konstruiert sein Wertgesetz in der Weise, wie die moderne Naturwissenschaft ein Naturgesetz konstruiert. Um den Wert aus der Arbeit zu bestimmen, muss er von allen möglichen Erscheinungsformen der Arbeit absehen. Insbesondere findet die geistige Leistung keine adäquate Berücksichtung, sondern geht einfach als multiplizierte einfache Arbeit in die Wertsubstanz ein. Diese Wertsubstanz kommt auch an keinem Ort wirklich zur Erscheinung, sondern wird immer nur als die in der ökonomischen Erscheinungswelt verborgene, jedoch eigentlich treibende Kraft behauptet. Das Bestechende an der Marxschen Konstruktion ist, dass sie in großen Zügen recht gut die ökonomische Entwicklung abbildet und insbesondere den abhängigen Lohnarbeiter eine recht schlüssige Auffassung ihrer Situation gibt. Allerdings hat diese Konstruktion zugleich etwas Unbefriedigendes, weil sie suggeriert, dass der Mensch sich in einen ihm übergeordneten Gesetzeszusammenhang einzuordnen hat, der letztendlich seine Handlungsweisen determiniert.   

Steiners Weg ist ein anderer. Er verzichtet darauf, einen begrifflichen Zusammenhang in der Art eines Naturgesetzes zu konstruieren, den er dann in der Erscheinungswelt nachweisen will. Eine solche Vorgehensweise hält er nur für die anorganische Natur für berechtigt. [13] Seine Begriffe sind so gewählt, dass sie die Erscheinungen ordnen. Sie sollen den Blick auf den Punkt lenken, wo sich in den Erscheinungen das Wesenhafte selbst offenbart. [14] Die Begriffe „Arbeit, angewendet auf Natur“ und „Geist, angewendet auf Arbeit“ sind solche blicklenkende Begriffe. Anhand des Wagenerfinder-Beispiels wird dann verdeutlicht, was sich real in vielfältigen Formen vollzieht. Steiners methodisches Vorgehen kann man sich besonders gut zu Bewusstsein bringen, wenn man das, was er hier als „realen Abstraktionsprozess“ beschreibt, mit dem vergleicht, was er als Abstraktionsprozess des logischen Denkens versteht.

An dem Ausgangspunkt des realen Abstraktionsprozess steht der Geist, der organisierend in den Wirtschaftsprozess eingreift. Am Endpunkt steht das Geld, gedacht als ein allgemeines Mittel, durch das der Geist in den Wirtschaftsprozess eingreifen kann. Man könnte auch sagen, die Organisationskraft des Geistes tritt in dem Geld in allgemeiner Form in Erscheinung. Der Geist musste somit schon eine Zeit im Wirtschaftsleben organisierend tätig gewesen sein, eher er seine allgemeine Organisationsform ausbilden konnte. Es ist wichtig hier zu bemerken, dass das Allgemeine schon von Anfang an als wirksame Realität vorhanden ist.

Beim Bilden der Allgemeinbegriffe vollzieht sich beim menschlichen Denken ein entsprechender Prozess. Das menschliche Bewusstsein richtet sich zunächst auf die Sinneswahrnehmung. Um diese bewusst zu durchdringen, muss es sie zu einem gewissen Grade organisieren. Ohne dass die Sinneswahrnehmung durch den menschlichen Geist in ihren inneren Zusammenhang gebracht würde, wäre sie lediglich ein chaotisches Zusammenspiel von Sinneseindrücken. [15] D.h. in dem der menschliche Geist die Sinneswahrnehmung organisiert, trägt er etwas an sie heran, was ohne diese Tätigkeit nicht zur Erscheinung kommen könnte. Dieser Prozess vollzieht sich zunächst völlig instinktiv und unbewusst. Der Mensch einer früheren Entwicklungsstufe etwa hatte noch eine ganz andere Wahrnehmung der Sinneswelt. Denn die organisierende Kraft des Geistes in ihm war eine ganz andere. Diese Kraft wurde damals ganz unpersönlich als lebendiger, zugleich in der Sinneswelt wirkender Geist erlebt. Das eigene Bewusstsein war lediglich der Ort, wo dieser Geist zur Erscheinung kam. Es fehlte das Vermögen, diesen Geist in abstrakten Begriffen zu fassen. Mit der Entwicklung des menschlichen Denkens wird dieser Prozess mehr und mehr zu einer Fähigkeit, die selbsttätig geführt und damit als eigene Geisteskraft erlebt wird. Damit verbunden entsteht das Vermögen, über das bloße Wahrnehmen hinauszugehen. Im Sinne der aristotelischen Lehre kann man sagen, das neben den nous pathetikos, dem erleidenden Verstand, ein aktives Vermögen sich in der menschlichen Seele entwickelt: der nous poiêtikos, der selbsttätige Verstand. Allerdings wurde dieser selbstätige Verstand bei Aristoteles noch nicht als ein Selbsterzeugen der Gedanken erlebt, sondern lediglich als ein Erzeugen des Lichtes, welches die Gedanken beleuchtet. [16] Erst in der weiteren Entwicklung des Denkens tritt das Erlebnis auf, dass die Gedanken vom Menschen selbst erzeugt seien. Gleichzeitig erstirbt aber die Fähigkeit, die lebendige, organisierende Kraft des Geistes wahrzunehmen. Diese Kraft ist aber vorhanden, auch wenn sie nicht zu Bewusstsein kommt und wirkt überall da, wo durch das Denken ein gesetzmäßiger Zusammenhang hergestellt wird. Es kann dieses ein rein geistig erfassbarer Zusammenhang sein, z.B. die Entdeckung einer mathematischen Formel; es kann dieses ebenso ein gesetzmäßiger Zusammenhang sein, der in der Sinneswelt vorhanden. Durch unser aktives Denken können wir diesen gesetzmäßigen Zusammenhang in unserem Bewusstsein zur Erscheinung bringen. [17]

Die Erscheinung eines gesetzmäßigen Zusammenhangs in unserem Bewusstsein stellt für Steiner die abstrakte, d.h. ertötete Form des lebendigen Geistes dar. [18] Man hat hier ein doppeltes Verhältnis zu berücksichtigen. Gegenüber der Sinneswelt stellt die Abstraktion das Allgemeine dar, das den gesetzmäßigen Zusammenhang der besonderen Erscheinungen offen legt. Gegenüber der geistigen Welt stellt es hingegen lediglich eine Erscheinungsform eines geistigen Wesens dar. Der Geist, der seinem Wesen nach ein Lebendiges ist, wird durch unser Denken in eine tote Form überführt. Dadurch kann er in unser waches, selbstbewusstes Erleben eintreten. Für Steiner ist es eine Bedingung der menschlichen Freiheit, dass der Geist nur durch unser selbsttätiges Denken in unser Bewusstsein eintritt. Dieses erfordert aber, dass er uns zunächst in der Form des Toten erscheint. Allerdings gibt es die Möglichkeit, das selbsttätige Denken so weiter zu entwickeln, dass es bei vollem individuellem und freiem Bewusstsein den lebendigen, d.h. wirkenden Geist erleben kann. Steiner sieht diese Entwicklung als notwendig an, weil nur dadurch ein freier und wirklich schöpferischer Umgang mit den Sinneserscheinungen möglich wird. Eine Kultur, die bei den abstrakten Verstandesbegriffen stehen bleibt, schafft sich hingegen lediglich die Möglichkeit der technischen Beherrschung der Welt. Diese nimmt dann allerdings immer mehr die Form der Begriffe an, aus der sie geschaffen sind. Das heißt die Todes- und Abbauprozesse beginnen die Welt zu dominieren.

Steiner vergleicht, den abstrakten Begriff, den wir auf die Sinneswelt anwenden, mit einem Weizenkorn. Dieses könne man sehr sinnvoll dazu verwenden, um Brot zu backen. Es sei dieses aber nicht die eigentliche Bestimmung des Weizenkorns. Seine Wesen entspreche, von der Erde aufgenommen zu werden, um sich dort zu einer neuen Weizenpflanze zu entwickeln. Ebenso verhalte es sich mit den abstrakten Begriffen. Es sei sinnvoll, sie auf die Sinneswelt anzuwenden, um diese damit zu ordnen und zu erkennen. Ihre eigentliche Bestimmung sei aber, dass sie in der menschlichen Seele so umgewandelt werden, dass sie in dieser Organe entwickeln, die zur Wahrnehmung der geistigen Kräfte dienen und damit den Menschen auf eine höhere Stufe seiner Entwicklung bringen. [19]

Die Bedeutung des Leihgeldes im volkswirtschaftlichen Prozess

Es wurde oben gezeigt, dass Steiner das Geld primär als Leihgeld versteht und das Kaufen von Waren lediglich eine sekundäre Funktion desselben sei. In gewisser Weise kann man daher das Weizenkornbeispiel auch auf das Geld anwenden. Es ist selbstverständlich sinnvoll das Geld als Kaufgeld zu verwenden, so wie es sinnvoll ist, aus dem Weizenkorn Brot zu backen. Seine eigentliche Bestimmung ist aber, dem Geist zu dienen, um im Wirtschaftsleben eine neue Entwicklung hervorzubringen, d.h. Leihgeld zu sein. Doch ebenso wie der Landwirt nur einen kleinen Teil seines Weizenertrags zurückbehält, um ihn im nächsten Jahr neu auszusäen, ist es für das Wirtschaftsleben sinnvoll, dass nur ein kleiner Teil wieder als Leihgeld ins Wirtschaftsleben zurückfließt und der größte Teil zum rein konsumtiven Kauf verwendet wird.

Genau an diesem Punkt entsteht aber im modernen arbeitsteiligen, privatwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsleben ein zentrales Problem. Kapital wird behandelt wie ein Ware, d.h. an Märkt gehandelt, weil man glaubt nur dadurch eine effiziente Allokation zu erreichen. In der Tat hat sich die Zentralverwaltungswirtschaft bisher als die ineffizienteste Methode der Steuerung des Kapitaleinsatzes erwiesen und Marktwirtschaftler werden nicht müde, dieses Schreckgespenst des Wirtschaftslebens an die Wand zu malen. Ebenso weist Steiner auf die verheerende Wirkung hin, die eintreten müsste, wenn nicht das Individuum, sondern die Gemeinschaft bzw. ihre Zentralorgane über den Einsatz des Kapitals entscheiden sollen. Allerdings will er durch seine Analyse zeigen, an welchem Punkt der individuelle Einsatz von Kapital in eine unberechtigte Ausübung von Macht umschlagen muss und welche Möglichkeiten es gibt, dieses Umschlagen zu verhindern ohne dabei die individuelle Entscheidung des Einzelnen zu strangulieren.

Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass Marx im 1. Bd. des „Kapitals“ die Entwicklung so beschreibt, dass sich erst das Geld als allgemeines Tauschmittel herausbildet und das dann, bedingt durch das Gewinnstreben des Kapitalisten, die Zirkulationsform „Ware – Geld – Ware“ in die Zirkulationsform „Geld – Ware – Geld“ umschlägt. Der Einsatz von Kapital bekommt dadurch von vorneherein einen etwas anrüchigen Charakter, selbst wenn Marx im weiteren Verlauf seiner Analyse selbstverständlich auch die Notwendigkeit des Kapitaleinsatzes beschreibt. Es liegt dieses daran, dass Marx primär den Ausbeutungs- und Aneignungsaspekt betont, der durch die Gestaltung der Eigentumsverhältnisse hervorgerufen wird. Steiner abstrahiert in seiner Analyse zunächst völlig von den Eigentumsverhältnissen. Ihm geht es darum, die Qualität des Leihvorganges im Wirtschaftsleben herauszuarbeiten. Wenn Kapital im Wirtschaftsleben eingesetzt wird, dann stellt dieses für ihn prinzipiell einen Leihvorgang dar. Das gilt im Prinzip sogar dann, wenn bedingt durch die Gestaltung des Eigentumsrechtes, Gläubiger und Schuldner identisch sind, also ein Kapitalbesitzer sein Kapital in ein Unternehmen steckt, welches er durch Kauf erworben hat: „Gewiss, es wird Kapital gehandelt. Man kauft Kapital. Aber jeder Kapitalkauf ist wiederum nur ein kaschiertes Verhältnis. In Wirklichkeit kaufen wir nicht Kapital, sondern in Wirklichkeit wird Kapital nur geliehen; auch dann, wenn scheinbar ein anderes Verhältnis stattfindet, werden Sie immer herausfinden können den Leihcharakter des Unternehmerkapitals.“ [20]

Der Einsatz von Kapital begründet immer auch ein gesellschaftliches Schuldverhältnis. Deshalb kann Steiner im Nationalökonomischen Kurs sagen: „Es ist durchaus sogar vielleicht eines der gesündesten Verhältnisse, wir müssen das besonders berücksichtigen in der sozialen Frage, wenn ein geistiger Arbeiter für die Allgemeinheit dadurch arbeitet, dass ihm die Allgemeinheit auch - denn für ihn ist es die Allgemeinheit - das Geld dazu gibt. Wie da hinein Besitz und Eigentum und so weiter spielen, das werden wir noch sehen.” [21]

Die Entstehung von Kapital in einer entwickelten arbeitsteiligen Wirtschaft ist niemals bloß eine individuelle geistige Leistung, sondern, wir haben oben schon darauf aufmerksam gemacht, zugleich eine geistige Leistung der gesamten Kultur, innerhalb der sich die einzelne Individualität entfaltet. In dem ein fähiger Mensch Kapital einsetzt um für die Gesamtheit etwas zu leisten, eignet er sich zunächst auch den Anteil an, der eigentlich durch die geistige Leistung der gesamten Kultur hervorgebracht wird. Das hat eine Notwendigkeit, denn dieser geistige Anteil ist zunächst überhaupt nicht bestimmbar. Steiners Auffassung ist die, dass es besser ist, wenn das Kapital, das durch einen produktiven Menschen vermehrt wurde, zunächst auch als Ganzes in dessen Händen verbleibt, das also nicht etwa ein irgendwie bestimmter Anteil an irgendeine Instanz weitergeleitet wird, die es dann möglicherweise gar nicht sinnvoll zu verwenden versteht. Denn Repräsentant für den Geist kann ihm nur die einzelne menschliche Individualität sein und nicht die von der Individualität abgelösten Einrichtungen, die mehr oder weniger zufällig mit irgendwelchen Menschen besetzt sind. Wenn ein produktiver Mensch mehr Kapital geschaffen hat, als er selbst verwerten kann, ist es wirtschaftlich sinnvoll, dass er andere Menschen sucht, die nun neue produktive Ideen auf dieses Kapital anwenden und diesen das Kapital leihweise zur Verfügung stellt. Denn als Gläubiger hat er eigentlich das Interesse, dass das Kapital auch wirklich produktiv, d.h. für die Allgemeinheit, verwendet wird. Nur das gegenwärtig das Problem besteht, dass ertragreiche Kapitalverwendungsmöglichkeiten angeboten werden, die in Wirklichkeit nicht produktiv sind. 

In dem Kapital an jemanden weitergegeben wird, der damit etwas für die Allgemeinheit zu unternehmen versteht, kommt sein produktiver Einsatz dieser auch wieder zu Gute. Kommt es hingegen in die Hände eines Menschen, der damit nichts anzufangen weiß, der also keinen Geist auf es anwenden kann, wird es entwertet, ohne das die Allgemeinheit davon etwas hat. In dem Kapital in Leihkapital umschlägt, Leihgeld wird, ist sein Wert daher einzig davon abhängig, was nach der Zukunft hin damit unternommen wird. Völlig irrelevant hingegen ist der Wert geworden, der aus der vergangenen Anwendung des Geistes, d.h. aus der vergangenen Arbeitsersparnis herrührt.

„Wir sehen also zuletzt einen Teil des volkswirtschaftlichen Prozesses, wo herausgearbeitet wird bloß noch aus dem, was geistig errungen ist, was sich schon emanzipiert hat. Aber diese geistige Errungenschaft ist vorher aus der Organisation der Arbeit entstanden. Aber wir sind jetzt auf der zweiten Etappe. Wenn Sie auf dieser zweiten Etappe, wo ein geistiger Arbeiter als Schuldner arbeitet, noch sagen wollten, dasjenige, was er bekommt als Schuldkapital, das sei etwa kristallisierte Arbeit, so würden Sie volkswirtschaftlich einen ungeheuren Unsinn sagen, denn es hat keine Bedeutung für den volkswirtschaftlichen Prozess, wie das Kapital entstanden ist, das er schuldet, sondern das hat Bedeutung, wie dessen Geist beschaffen ist, der das Geld jetzt hat, wie er es überführen kann in fruchtbare volkswirtschaftliche Prozesse. Die erste Arbeit, durch die das Kapital entstanden ist, hat jetzt keinen volkswirtschaftlichen Wert mehr; volkswirtschaftlichen Wert hat lediglich das, was er als Geist aufbringt, um das Geld zu verwerten. Denken Sie sich, es ist noch so viel Arbeit aufgespeichert im Kapital: Es kommt ein Dummkopf darüber, der alles verpulvert; dann haben Sie einen anderen Prozess, als wenn ein gescheiter Mensch dazu kommt, der einen fruchtbaren Prozess einleitet.

Also auf dieser zweiten Etappe, wo wir es zu tun haben mit Leiher und Schuldner, müssen wir sagen: Wir haben es zu tun mit dem Kapital, aus dem die Arbeit bereits verschwunden ist.“ [22]

Folgt man dem Gedankengang Steiners, so stellt der Leihvorgang in der Entwicklung des volkswirtschaftlichen Prozesses eine qualitativ neue Stufe dar. Diese Stufe ist ein objektives Erfordernis dieses Prozesses. Wenn die Entwicklung voranschreiten soll, dann ist es notwendig, das auf der einen Seite Leihkapital aufgebracht werden und auf der anderen Seite dieses Kapital vom menschlichen Geist ergriffen werden kann. Denn dadurch besteht die Möglichkeit, dass jemand der nichts hat außer einer fruchtbaren Idee ‑ d.h. den Geist etwas zu gestalten, das der Allgemeinheit dient ‑ diese in das soziale Leben einbringen kann.

Die zweite, notwendige  Metamorphose des volkswirtschaftlichen Prozesses

Nun gilt allerdings den Punkt zu erkennen, wo das ökonomisch Sinnvolle dieses Vorganges in ein ökonomisch Unsinniges umschlägt. In dem Marx herausarbeitete, dass die Geldmetamorphose Geld – Ware - Geld im Gegensatz zu Ware – Geld - Ware kein Ende hat, hatte er ein zentrales Problem der moderne Ökonomie erfasst. Allerdings gelang ihm nicht, den Punkt klar zu unterscheiden, an dem das Produktive des Leihvorganges in ein Unproduktives umschlägt. In Steiners Begrifflichkeit stellt sich die Metamorphose etwas anders da. Ihren Ausgangspunkt nimmt sie bei der Natur, die durch die menschliche Arbeit verwandelt wird. Dann greift der Geist ein, der die Arbeit organisiert. Dieses hat zur Folge, dass sich Kapital herausbildet und von seinem Ursprung emanzipiert. In dem sich für den Geist in dem Kapital ein allgemeines Mittel zur Organisation des volkswirtschaftlichen Prozesses herausgebildet hat, ist die Metamorphose des volkswirtschaftlichen Prozesses allerdings noch nicht vollendet. Bisher, so Steiner, sind nämlich nur die Faktoren der wertbildenden Bewegung berücksichtigt worden. Es müssten aber ebenso die Faktoren der Entwertung, d.h. des Verbrauchs berücksichtigt werden.

Steiner führt an dieser Stelle den Begriff der „wertbildenden Spannung“ ein. Wir verzichten hier darauf diesen Begriff ausführlicher zu erläutern und belassen es bei dem Hinweis, dass dieser Begriff in Steiners Gesamtanschauung des volkswirtschaftlichen Prozesses eine zentrale Stellung hat. Insbesondere ist er von Bedeutung, um das Verhältnis der geistigen und materiellen Leistungen zueinander – man könnte auch sagen, dass Ineinanderspielen von Arbeitswertlehre und Geistwertlehre - zu klären. Dieser Aufsatz würde aber zu komplex und umfangreich, wenn dieser Aspekt mitbearbeitet würde. Beschränken wir uns hier auf den Aspekt, dass an dem Punkt, wo die Waren ihrem Verbrauch zugeführt werden eine Spannung durch die Nachfrage entsteht, die bewirkt das der Preis die Tendenz hat, von dem eigentlichen Wert des Produktes abzuweichen. Steiner überträgt den Begriff der wertbildenden Spannung dann auch auf den Vorgang des Leihens. Man könnte dabei zunächst meinen, dass Steiner das Leihen und Zinsnehmen ganz konventionell auffasst: nämlich in der Weise, dass die Kapitalanbieter sich nach der Kapitalnachfrage richten und der Zins sich dann als der Marktpreis für das Kapital ergibt. Dennoch besteht ein erheblicher Unterschied zwischen dem Leihvorgang und dem auf eine Ware, bzw. auf ein für den Konsum produziertes Gut gerichteten Kaufvorgang. Die Ware geht beim Kauf in die Entwertung über. Das Kapital wird zwar nach dem Leihvorgang auch durch den Unternehmer verbraucht; es ist aber für den Leiher selbstverständlich, dass es ihm wieder durch den Wertschöpfungsprozess des Unternehmers ersetzt wird, dass sogar am Ende möglichst mehr zurückfließt, als er am Anfang hineingesteckt hat. Es scheint, als werde das Kapital durch diesen Prozess nicht wirklich entwertet. Es soll, wie es Marx durchaus richtig beschreibt, immer wieder neu investiert werden, d.h. ein nahezu unendliches Leben haben.

Marx entwickelt – in dem er die Eigendynamik der Sache weiterdenkt – auf Grund dieser Beobachtung sein Gesetz der abnehmenden Profitraten. Steiner, der auch diesen Gedanken in verwandelter Form aufgreift, charakterisiert zunächst, was geschieht, wenn zu wenig Nachfrage nach Kapital von produktiven Unternehmern da ist, Grund und Boden aber wie Waren gehandelt werden können. Ist der Zinssatz niedrig, d.h. wird zu wenig Kapital nachgefragt, wird es für die Kapitalanbieter unrentabel, Kapital in produktive Investitionen zu stecken. Sie werden stattdessen ihr Kapital in Grund und Boden hineinkreditieren. Nimmt jemand Kapital auf, um Grund und Boden zu kaufen, so scheint dieses eine wesentlich sicherer Anlage zu sein, da die Bodenpreise unter diesen Umständen steigen werden und der verkäufliche Besitztitel im Falle des Scheiterns einer solchen „Unternehmung“ als Sicherheit dienen kann. Das Kapital, so Steiner, beginnt sich in Grund und Boden zu stauen.

Steiner sieht das Problem, dass der Unternehmer, der wirklich etwas zu leisten vermag, in Konkurrenz zu solchen Anlagemöglichkeiten treten muss, die im ökonomischen Sinne nichts hervorbringen. Der produktive Unternehmer wird so genötigt, einen wesentlich höheren Zins zu erwirtschaften, als wenn nur wirtschaftlich produktive Initiativen in Konkurrenz zueinander treten. Er muss daher für seine Erzeugnisse einen wesentlich höheren Preis kalkulieren, als in einer Situation, in der es nicht möglich ist das Kapital sich in Grund und Boden staut. Kredite, die auf Grund und Boden gewährt werden, würden daher verteuernd wirken. [23]

Es ist aber durchaus auch möglich, dass Kapital in immer neue wirtschaftliche Initiativen hineinkreditiert werden kann. Dieses hat dann – zumindest theoretisch - ein nahezu exponentielles Wachstum der materiellen Produktion zur Folge. Solange für nationale Volkswirtschaften die Möglichkeit besteht, sich über ihre Grenzen auszudehnen, d.h. insofern es gelingt sowohl ausländische Absatzmärkte, als auch die Rohstoffmärkte zu sichern, wird die Unmöglichkeit dieses Prozesses kaschiert. In dem Maße aber, wie die Wirtschaft sich weltweit vernetzt, stößt dieses Vorgehen an eine Grenze. Es besteht die Notwendigkeit, die Weltwirtschaft als ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet zu denken, dass keine Möglichkeit hat, Überschussproduktion nach außen abzugeben. [24]

Das Kapital muss daher, wenn es eine Zeit als Leihgeld gewirkt hat, tatsächlich entwertet werden. Geschieht dies nicht, so beginnt das fortwirkende Kapital den ökonomischen Prozess zu schädigen. Es sei hier angemerkt, dass es sich ja nicht nur in Grund und Boden staut, sondern in allen möglichen Besitztiteln, wie z.B. in dem Eigentum an Produktionsmitteln in Form von Aktien! Steiner rekurriert deshalb auf Grund und Boden, weil dieses bildhaft macht, dass die Metamorphose danach strebt, zum Naturpol zurückzukehren. Dieses könne nur nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen richtig geschehen. Er sieht daher die Notwendigkeit, dass neben der wertschöpfenden Spannung auf der Stufe des Kaufens und der auf der Stufe des Leihens eine weitere eintritt, die bewirkt, dass das Kapital, man könnte sagen, wenn es seine wirtschaftliche Organisationskraft erschöpft hat, sinnvoll verbraucht werden kann. Diese wertschöpfende Spannung muss vom reinen Geistesleben erzeugt werden.

Das reine Geistesleben hat im sozialen Leben die Aufgabe, dass Fähigkeiten sich ausbilden können. Solche Fähigkeiten können im Wirtschaftsleben angewendet, nicht aber wirklich entwickelt werden. Es ist auf den Zustrom aus dem Geistesleben angewiesen, wenn es auf einer hohen Produktivität arbeiten können soll. Das Geistesleben verhält hingegen gegenüber dem Wirtschaftsleben sich so, wie ein reiner Konsument. Es bringt keine Waren hervor – denn Fähigkeiten sind keine Waren -, ist aber auf den Verbrauch von Waren angewiesen. Es ist daher auf den Zustrom von Geld angewiesen, wenn es fruchtbar arbeiten soll. Dennoch sieht Steiner den primären Grund, warum das Kapital im Geistesleben verbraucht werden soll, nicht in dieser zuletzt erwähnten Tatsache. Primär ist für ihn die Tatsache, dass der ökonomische Prozess geschädigt wird, wenn das Kapital nicht an einem bestimmten Punkt entwertet wird. [25]

Selbstverständlich könnte es  genauso gut dadurch entwertet werden, dass man sehr viel Energie und Kraft zum Beispiel in die Konstruktion von Autos steckt, die nur dazu da sind, dass einige Leute damit möglichst schnell im Kreis herumsausen können. In der Tat finden sich heute viele solche Einrichtungen, in der auf diese Weise für die Entwertung von Kapital gesorgt wird. Heilsamer ist es allerdings für den sozialen Organismus, wenn das Kapital seinem Endverbrauch an der Stelle zugeführt wird, der es eigentlich seiner Entstehung verdankt. Steiner sieht da allerdings das Geistesleben in der Pflicht. Es muss selbst dafür sorgen, dass bei den Menschen eine Empfindung für die Bedeutung der geistigen Leistungen entsteht, d.h. dass bei den Menschen eine freie Empfänglichkeit für die geistigen Leistungen vorhanden ist. [26]

Gerade diese freie Empfänglichkeit der Menschen sah Rudolf Steiner immer mehr schwinden. Die Ursache sah zum einen in der Art, wie sich das bürgerliche Geistesleben darstellte, zum anderen aber in der seiner Meinung nach sehr suggestiv wirkenden marxschen Lehre, dass das geistige Leben lediglich Überbau sei. Das ganze erste Kapitel der "Kernpunkte der sozialen Frage" hat die Aufgabe, die Problematik dieser Auffassung darzulegen und ein Verständnis für die eigenständige Bedeutung eines eigentlich erst zu entwickelnden neuen Geisteslebens zu schaffen. Denn das bürgerliche Geistesleben stellte für ihn einen Endpunkt einer Entwicklung dar; es war an den Punkt angelangt, wo es die Welt nur noch in abstrakten – d.h. in dem Sinne, wie wir es oben ausgeführt haben, toten – Gedanken erfassen konnte. Diese können aber keine Stoßkraft für das soziale Leben entwickeln. Die alten Religionen hingegen hätten eine solche Stoßkraft gehabt. Die bürgerlichen führenden Schichten würden in ihrem religiösen Leben noch von vergangenen Traditionen zehren, während sie ihre Gedanken ganz im Sinne der Neuzeit bilden. Der Proletarier erlebe hingegen in seinem Alltag sowohl die Konsequenzen dieses Gedankenlebens als auch die Abwesenheit einer wirklichen sozialen Stoßkraft des religiösen Lebens. Es könne deshalb gerade das religiöse Leben nur als Überbau empfinden.

Auf diesem Hintergrund ist es zu sehen, wenn Steiner in den "Kernpunkte der sozialen Frage" ausführt:

„Die neue Zeit macht nicht bloß notwendig, sich in ein neues Leben zu finden, sondern auch in neue Gedanken. Die wissenschaftliche Vorstellungsart wird erst zum lebentragenden Inhalt werden können, wenn sie auf ihre Art für die Bildung eines vollmenschlichen Lebensinhaltes eine solche Stoßkraft entwickelt, wie sie alte Lebensauffassungen in ihrer Weise entwickelt haben. Damit ist der Weg bezeichnet, der zum Auffinden der wahren Gestalt eines der Glieder innerhalb der neueren proletarischen Bewegung führt. Am Ende dieses Weges ertönt aus der proletarischen Seele die Überzeugung: Ich strebe nach dem geistigen Leben. Aber dieses geistige Leben ist Ideologie, ist nur, was sich im Menschen von den äußeren Weltvorgängen spiegelt, fließt nicht aus einer besonderen geistigen Welt her. Was im Übergange zur neuen Zeit aus dem alten Geistesleben geworden ist, empfindet die proletarische Lebensauffassung als Ideologie.“ (S. 34).

Und weiter unten:

„Dieses Proletariat ist von dem ideologischen Charakter des Geisteslebens überzeugt; aber es wird durch diese Überzeugung immer unglücklicher. Und die Wirkungen dieses seines Seelenunglückes, die es nicht bewusst kennt, aber intensiv erleidet, überwiegen weit in ihrer Bedeutung für die soziale Lage der Gegenwart alles, was nur die in ihrer Art auch berechtigte Forderung nach Verbesserung der äußeren Lebenslage ist.

Die herrschenden Klassen erkennen sich nicht als die Urheber derjenigen Lebensgesinnung, die ihnen gegenwärtig im Proletariertum kampfbereit entgegentritt. Und doch sind sie diese Urheber dadurch geworden, dass sie von ihrem Geistesleben diesem Proletariertum nur etwas haben vererben können, was von diesem als Ideologie empfunden werden muss.“ (S.35).

Es sei daher nicht verwunderlich, wenn bei dem Proletarier die Meinung entsteht: „Aus dem Gedanken heraus, aus dem bloßen Geistesleben heraus, (…), werde gewiss nichts beigetragen werden können zu den brennenden sozialen Fragen der Gegenwart.“ (S.36).

Es musste dieser Aspekt hier etwas deutlicher ausgeführt werden, damit nachvollzogen werden kann, was Steiner damit meint, dass an dem Punkt, an dem sich die Organisationskraft des Kapitals erschöpft hat, eine weitere „wertbildende Spannung“ - und zwar jetzt durch das freie Geistesleben - erzeugt werden muss. Denn, wird diese Spannung nicht erzeugt, dann muss das Kapital in Bereiche abfließen, die dem sozialen Organismus nicht zuträglich sind. Fehlt diese Spannung, so muss das Kapital notwendig fehl gelenkt werden. Es ist dieses dann ein Mangel, den das Geistesleben selbst betrifft.

Aus ökonomischer Sicht sieht es Steiner als notwendig an, dass das Kapital an einem bestimmten Zeitpunkt ins Geistesleben überführt wird. Er nennt diesen Vorgang eine Schenkung, insofern der Begriff der Schenkung beinhaltet, dass eine Leistung erbracht wird, ohne dass von dem Beschenkten eine – hier wirtschaftliche - Gegenleistung erwartet wird. Der Beschenkte bleibt frei, die Schenkung in dem Sinne zu verwenden, wie er es für richtig erachtet. Dieses ist aber für Steiner eine zentrale Bedingung für die freie Entwicklung des Geisteslebens. Ein Geistesleben etwa, das finanziell auf Zuwendungen z.B. vom Staat angewiesen ist, gerät dadurch in dessen Abhängigkeit. Schenkung ist hier allerdings eine volkswirtschaftliche und nicht moralische Kategorie gedacht, denn sie geht aus der Notwendigkeit des volkswirtschaftlichen Prozesses hervor und kann lediglich in sinnvolle oder schädliche Bahnen gelenkt werden.

Wir haben oben schon darauf hingewiesen, dass Steiner die Entstehung des Kapitals nicht bloß auf die individuelle Leistung des Einzelnen zurückführt, sondern dabei auch die kulturelle Leistung mitberücksichtigt. Zunächst sieht er es als Notwendigkeit an, dass der kulturelle Anteil an der Kapitalentstehung in der Verfügungsgewalt des Einzelnen bleibt. Es hängt dieses mit der Steiners Wertschätzung der einzelnen Individualität zusammen. Denn ebenso wie das freie Geistesleben über seine Mittel frei verfügen können muss, so muss es auch die Individualität, die in eine materielle Gestaltungsaufgabe eingebunden ist (Steiner nennt das im "Nationalökonomischen Kurs" das „halbfreie Geistesleben“, S. 93). In dem er nun den Punkt charakterisiert, wo das Kapital entwertet werden muss, macht er deutlich, wo der kulturelle Teil wieder dem freien Geistesleben zufließen müsste. Andernfalls würde das Kapital zu einem Mittel, um in ungerechtfertigter Weise Macht auszuüben.

In gleicher Weise denkt Rudolf Steiner auch den Besitz an Produktionsmittel, also des Realkapitals. Auch dieses sollte nur solange im Besitz dessen sein, der damit etwas für die Allgemeinheit unternimmt. Will dieser aus dieser Aufgabe ausscheiden, so sollte die Produktionsmittel gewissermaßen durch Schenkung an einen anderen befähigten Unternehmer überführt werden. [27] Steiner wendet sich gegen die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, weil er dadurch die Entfaltung der schöpferischen Gestaltungskraft der einzelnen Individualität bedroht sieht. Er wendet sich aber auch gegen die marktwirtschaftliche Vorstellung, die glaubt, dass die individuelle Verfügung über Produktionsmittel sich soweit erstrecken sollte, dass sie wie Waren gekauft und verkauft werden können. Schädigt die Vergesellschaftung der Produktionsmittel den volkswirtschaftlichen Prozess, weil die individuelle Gestaltungskraft behindert wird, so schädigt ihn die Inanspruchnahme der unbeschränkten Verfügung auch über den Zeitpunkt hinaus, in der dieses Realkapital für die Allgemeinheit genutzt wird, weil dadurch die oben beschriebene Stauproblematik mit ihren Umverteilungswirkungen hervorgerufen wird. [28]

Das Kapital zum richtigen Zeitpunkt durch die Schenkung entwertet wird, ist Steiners Antwort auf die Marxsche Krisentheorie. Denn in der Tat muss es zur Krise kommen, wenn man der Betrachtung des volkswirtschaftlichen Prozesses bloß materialistische Begriffe zugrunde legt. Erkennt man hingegen die reale Wirksamkeit des Geistes in diesem Prozess, dann sieht man, wie der Geist den materiellen Strom zurückdrängen und sich in dem so geschaffenen Freiraum entfalten kann. Man kann in diesem Sinne durchaus sagen, dass der materielle Strom durch das Wirtschaftsleben, der geistige Strom durch das Geistesleben repräsentiert wird. Dem einzelnen Menschen tritt der materielle Strom von außen als Umkreiskraft entgegen. Gelingt es ihm nicht, mit seiner Geistigkeit sowohl in die Gesetzmäßigkeit dieses materiellen Stromes einzutauchen, als auch aus freier Intuitionskraft geistige Gestaltungsimpulse zu entwickeln, so wird er in seinem Dasein von diesem materiellen Strom fremdbestimmt.

Der Wert des Geldes

Steiners Ausführungen über die Geldmetamorphose haben in der Literatur häufig zu Missdeutungen geführt. Bestimmte seiner Darstellungen, insbesondere im 11. Vortrag des "Nationalökonomischen Kurses", in dem er das Geld als unreellen Konkurrenten zur Ware charakterisiert, scheinen nahe zu legen, dass seine Anschauung hier ähnlich der Freigeldlehre Sylvio Gesells seien. Dieses steht allerdings im Widerspruch dazu, dass sich Steiner im 5. Vortrag des gleichen Kurses scharf gegen diese Anschauung abgrenzt: „Was für Ansichten herrschen zuweilen heute, wo man überall die Tendenz hat, lieber mit Begriffen zu arbeiten als mit Realitäten, das zeigen Ihnen manche Freigeldleute. Die finden es ganz einfach: Wenn Preise, sagen wir, zu hoch sind irgendwo, also man zuviel Geld ausgeben muss für irgendeinen Artikel, so sorge man dafür, dass das Geld geringer wird, dann werden die Waren billiger, und umgekehrt. Wenn Sie aber gründlich nachdenken, so werden Sie finden, dass das ja gar nichts anderes in Wirklichkeit bedeutet für den volkswirtschaftlichen Prozess, als wenn Sie beim Thermometer so durch eine hinterlistige Vorrichtung, wenn es zu kalt wird, die Thermometersäule zum Steigen bringen. Sie kurieren da nur an den Symptomen herum. Dadurch, dass Sie dem Gelde einen anderen Wert geben, dadurch schaffen Sie nichts Reales.“ [29]

Steiner skizziert nun im Verfolge seiner Ausführungen selbst den Gedanken, dass das Geld altern müsse, d.h. dass es eigentlich als junges Geld einen hohen und als altes Geld einen geringen Wert habe. Da dieses nicht berücksichtigt werde, würde das Geld wie ein Wildling funktionieren. [30] Das Missverständnis in Bezug auf das Altwerden des Geldes entsteht dann, wenn nicht richtig zwischen Kaufgeld und Leihgeld unterschieden wird. Der Gedanke der Alterung bezieht sich bei Steiner eindeutig und erklärtermaßen auf das Leihgeld, also das Kapital, und ist in der Weise zu verstehen, dass verhindert werden muss, dass Kapital, weil sich die sinnvollen Anlagemöglichkeiten erschöpfen, in ökonomisch unsinnige Projekte oder gar Sachwerte investiert wird. Steiner knüpft somit – wie hier gezeigt - an Marx’ Gedanken der scheinbar unendlichen Geldmetamorphose „Geld – Ware – Geld“ an und zeigt, dass dieser vom menschlichen Bewusstsein her ein Ende gesetzt werden muss. D.h. er fordert, das Kapital nur eine gewisse Zeit in den Wirtschaftsprozess investiert werden darf und dann rein konsumtiv im Geistesleben verwendet werden sollte. Nicht das Kaufgeld, sondern das Leihgeld sollte ein Alter bekommen.

Das Kaufgeld sollte bis zuletzt seinen nominellen Wert behalten. Der reale Wert des Kaufgeldes wird selbstverständlich durch das bestimmt, was dafür erworben werden kann. Steigt die Produktivität der Wirtschaft, so kann der Einzelne, wenn nicht zugleich umgelagert wird, mehr für sein Geld erwerben. Der Wert des Kaufgeldes ist daher davon abhängig, was mit dem Leihgeld unternommen wird. „Es wäre viel wichtiger, auf die Banknote, die geliehen wird dem Mann, der etwas unternimmt, in dem Momente, wo er diese Banknote in Gebrauch überführt, darauf zu schreiben, ob der Mann ein Genie ist in wirtschaftlichen Dingen, oder ob er ein Idiot ist; denn von der Art und Weise, wie er sich damit verhält, hängt nun der Wert dieses Leihgeldes in der volkswirtschaftlichen Situation ab.“ [31] D.h. die jeweils gegenwärtige Produktivität des Wirtschaftslebens ist in hohem Maße an die Fähigkeiten derer gebunden, die in ihr unternehmerisch tätig sind. Inwieweit sich solche Fähigkeiten entwickeln konnten, ist von der Beschaffenheit des Geisteslebens abhängig. Insofern sollte schon aus ökonomischer Sicht höchstes Interesse daran bestehen, dass das Geistesleben genügend Mittel hat, um zu arbeiten. Steiner sieht daher die Notwendigkeit, dass sich eine dritte Kategorie von Geld - das Schenkungsgeld – herausbildet. [32]

Um besser zu verstehen, was Steiner mit diesen seiner Auffassung nach drei real wirkenden, jedoch heute nicht erkannten Geldgebieten meint, ist zunächst ein Blick auf das Verhältnis von Kaufgeld und Leihgeld zu werfen. Wir haben oben aufgezeigt, dass Steiner – und zwar im Gegensatz zu Marx - den Geldbegriff zunächst ganz von der Seite des Leihgeldes her entwickelt hat. Im 10. Vortrag des "Nationalökonomischen Kurses" finden wir hingegen eine Entwicklung des Geldbegriffes aus dem Kaufgeld heraus, die dem Marxschen Gedanken des Geldes als allgemeines Tauschäquivalent entspricht. Dieser Gedanke wird mit Blick auf die primitive Tauschwirtschaft entwickelt. In der Tat geht das Kaufgeld in seiner Entwicklung auch der des Leihgeldes voraus, so wie die einfache Tauschwirtschaft auch der entwickelten, arbeitsteiligen Wirtschaft vorausgeht. Die entwickelte, arbeitsteilige Wirtschaft ist aber der Ausdruck dafür, dass der menschliche Geist organisierend in das Wirtschaftsleben eingegriffen hat. Deshalb war es zuerst Steiner wichtig, diese Wirksamkeit des Geistes deutlich zu machen. Nun betrachtet Steiner das Wirtschaftsleben nicht bloß als eine Abfolge von Entwicklungsstufen, sondern zugleich auch als ein Zusammenwirken dieser Entwicklungsstufen im gegenwärtigen Wirtschaftsprozess. D.h. in der entwickelten arbeitsteiligen Wirtschaft finden sich berechtigt Verhältnisse, die der einfachen Tauschwirtschaft und solche, die der hoch entwickelten arbeitsteiligen Wirtschaftsweise entsprechen. Die Eigendynamik des modernen abstrakten Geistes, welches sich in der Wildheit der Geldprozesse spiegelt, führt nun dazu, dass die einfachen Tauschverhältnisse, da wo sie ihre Berechtigung im Wirtschaftsleben hätten, vollkommen verfälscht werden. Damit raubt sich aber das Wirtschaftsleben der Grundlage, auf der die komplizierten Verhältnisse durchschaut und in einer Weise geordnet werden können, die auch dem Rechtsempfinden der Menschen zugänglich ist.

Außer in Kriegszeiten oder bei Naturkatastrophen waren in einer einfachen Tauschwirtschaft die Preise für landwirtschaftliche Produkte über lange Zeit konstant. D.h. der Landwirt wusste genau, was er für seine Leistung, wenn er sie frei auf dem Markt anbieten konnte, bekommen wird. Auch im Handwerk war unter einfachen Bedingungen eine relative konstante Bewertung der Leistung möglich. Hier wachten im Mittelalter die Zünfte darüber, dass nicht, durch Handelsinteressen bedingt, andere, was den Leistungsaustausch betrifft, schwerer überschaubare Organisationsformen der Arbeit Fuß fassen konnten. Die moderne, arbeitsteilige Wirtschaftsweise hat die Überschaubarkeit der Austauschbedingungen - und zwar bis hin zur Landwirtschaft - völlig aufgelöst. Damit wird der Leistungstausch jedoch der Beurteilung durch das menschliche Rechtsempfinden völlig entzogen. Infolge dessen wurde auch die menschliche Arbeit selbst als etwas betrachtet, dass wie eine Ware gehandelt werden kann. Steiner charakterisiert nun den Wirtschaftsprozess so, dass deutlich wird, dass am Naturpol, d.h. im Wesentlichen bei der Landwirtschaft, die Verhältnisse der einfachen Tauschwirtschaft durchaus Berechtigung haben. Das Kaufgeld entstehe daher am Naturpol, d.h. es bekommt seinen Wert durch die Menschen, die am Naturpol „Arbeit auf Natur“ aufwenden. Er schließt hier an die Auffassung der Physiokraten an:

Diese „(…) - sie waren nämlich von allen Volkswirtschaftern noch die rationellsten -, … sind dazu gekommen, zu sagen von ihrem Standpunkt aus: Der volkswirtschaftliche innere Wert eines Wirtschaftsgebietes ruht eigentlich in der Kultur des Grund und Bodens, wenn wir unter Kultur des Grund und Bodens alles dasjenige zusammenfassen, was wir als Produktion solcher Güter aufzufassen haben, die im wesentlichen der Ernährung der Menschheit dienen. Solange wir innerhalb des Feldes der Ernährung stehen bleiben, haben wir in der Tat in Grund und Boden die Grundlage zu sehen, die mehr oder weniger feste Grundlage zu sehen für dasjenige, was den inneren Wert eines volkswirtschaftlichen Gebietes ausmacht. Denn denken Sie sich nur, dass ja diejenigen, die den Grund und Boden bearbeiten, also unmittelbar jene Naturprodukte mit Arbeit verbinden, die dann der Ernährung der Menschheit dienen, dass diese Arbeiter mit Bezug auf die Ernährung alle anderen miternähren; die anderen sind angewiesen auf sie; alle anderen werden miternährt von ihnen. Gewiss, die anderen können sich Mittel verschaffen, um das teuer zu bezahlen, aber im Wesentlichen können wir ganz primitiv diese Sache auffassen. Wir können uns einfach vorstellen: Es ist da eine gewisse Anzahl, A, von Essern. In dieser Anzahl A sind alle landwirtschaftlichen Arbeiter, Industriearbeiter, Geldleiher, Handelsleute, geistigen Arbeiter bis in das freieste Geistesleben hinauf enthalten: das sind diejenigen, die Ernährung suchen. Und es sind da diejenigen, die Ernährung bieten, B, die also wirklich etwas bieten mit ihrer Arbeit, was in die unmittelbare Ernährung, das heißt in denjenigen Teil des Konsums übergeht, der der Ernährungskonsum ist. Wenn A1 größer als A ist und B gleich bleibt, so muss einfach mehr geteilt werden, muss einfach dasjenige, was die B produzieren, mehr aufgeteilt werden. Und wenn tatsächlich B sich nicht durch irgendetwas auch in seinem Wert erhöhen lässt, dann müssen Leute einwandern und die Kulturfähigkeit des Grund und Bodens muss erhöht werden.

Sie können also nicht in einer beliebigen Art innerhalb eines Wirtschaftsgebietes zum Beispiel die Geistesarbeiter vermehren, ohne dass Sie dasjenige, was auf der anderen Seite liegt, diejenigen, die im Wesentlichen die Produktion der Ernährung besorgen, auch vermehren. Oder es muss der andere Fall eintreten, dass die Kulturfähigkeit des Bodens erhöht wird. Das kann dann ausgehen von den geistigen Arbeitern. Da müssen aber die geistigen Arbeiter des Zeitalters, in dem die Kulturfähigkeit höher ist, gescheiter sein als die früheren, höhere Fähigkeiten haben als die früheren. Also in dieser Beziehung ist die Erhöhung der ländlichen Arbeit in gewissem Sinn äquivalent mit der Steigerung der Einsichten in die Bearbeitung desjenigen, was aus der Natur stammt.“ [33]

Im vierzehnten Vortrag greift er dieses Bild wieder auf:

„Denn denken Sie sich, wir haben in irgendeinem geschlossenen Wirtschaftsgebiet eine Bodenfläche: Fl. Wenn nun alle Leute auf dieser Bodenfläche die den Menschen möglichen Verrichtungen wirklich vornehmen, so entsteht etwas anderes zum Konsum, wenn auf dieser Bodenfläche, sagen wir, eine Bevölkerung von B Millionen ist, oder wenn auf dieser selben Fläche eine Bevölkerung von B1 Millionen ist.

Dasjenige, um was es sich handelt, hängt durchaus von dem Verhältnis der Bevölkerungsmenge zu der Bodenfläche ab, also auch davon, wie viel aus der Bodenfläche - aus der Bodenfläche kommt zuletzt alles - eine gewisse Bevölkerungszahl herausarbeiten kann. Setzen Sie jetzt den hypothetischen Fall, irgendein Wirtschaftsgebiet habe, sagen wir, fünfunddreißig Millionen Einwohner - es ist ja ganz gleichgültig, wie viel. Das, was hier von einem geschlossenen Wirtschaftsgebiet gilt, gilt auch von der Weltwirtschaft. Ein Wirtschaftsgebiet habe fünfunddreißig Millionen Einwohner in irgendeinem Zeitpunkt. Und setzen Sie die Hypothese, das sei so, dass diese fünfunddreißig Millionen Einwohner nun gebracht werden sollen in einen Zustand, der möglichst volkswirtschaftlich gerecht ist. Es ist das nicht ganz genau und deutlich ausgesprochen, aber Sie werden gleich sehen, was ich darunter verstehe. Was müsste man denn da tun, wenn man überhaupt wollte, dass auf diesem Gebiet unter den fünfunddreißig Millionen dasjenige herrscht, was mögliche Preise herbeiführt? Dann müssten Sie in dem Zeitpunkt, in dem Sie anfangen, das Wirtschaftsleben in ein gesundes überzuführen, jedem einzelnen Menschen so viel geben von der Bodenfläche - aber jetzt auf ein Durchschnittsmaß der Fruchtbarkeit und Bearbeitbarkeit berechnet -, als die gesamte, die Produktion möglich machende Bodenfläche durch fünfunddreißig Millionen dividiert, bedeutet. Denken Sie sich, jedes Kind würde einfach so viel Bodenfläche bei seiner Geburt mitbekommen zur fortwährenden Bearbeitung: wenn jeder Mensch bei seiner Geburt so und so viel mitbekäme, dann würden die Preise entstehen, die überhaupt auf einer solchen Fläche entstehen können; denn die Dinge haben dann ihren selbstverständlichen Austauschwert.

Aber was ich Ihnen da als eine Sie kurios berührende Hypothese anführe, das ist ja nämlich die Wirklichkeit. Der von dem Menschen unabhängige volkswirtschaftliche Prozess, der tut das nämlich in der Tat. Er tut es - nun, Sie werden ja nicht glauben, dass ich das, was ich jetzt sage, anders als bildhaft meine -, indem dieser volkswirtschaftliche Prozess tatsächlich, da ja die Bedingungen da sind, die ganze Bodenfläche auf so und so viel Menschen verteilt, wo dann die Menschen alles das, was sich vom Boden abhebt, entsprechend weiter bearbeiten müssen; Sie können sich denken die ganze Bodenfläche auf die Einwohnerzahl verteilt, und das als reale Tatsache gibt jedem einzelnen Ding seinen Tauschwert, und Sie können irgendwo die Tauschwerte aufschreiben und die Erfahrung kann sehr starke Annäherung an diese Werte geben. Aber wenn Sie das dann vergleichen mit unserer heutigen Wirklichkeit, so werden Sie finden, dass das eine einen Preis hat weit darunter, das andere weit darüber. Nun, Sie können ja, wenn Sie sich vorstellen, dass irgendwo irgendeine Utopia entsteht, in die Sie versetzen können lauter neugeborne Kinder, die von Engeln zunächst besorgt werden - aber Sie geben ihnen jedem sein Stück Land mit -, dann können Sie es dahinbringen, dass, wenn sie zu arbeiten anfangen können, die selbstverständlichen Tauschwerte entstehen. Wenn dann nach einiger Zeit andere Preise da sind, dann muss der eine dem anderen die Sache weggenommen haben. Und das ist dasjenige, was die verschiedenen Unzufriedenheiten eben gibt, dass das dunkel gefühlt wird, dass hier in den volkswirtschaftlichen Prozess etwas hineinspielen kann, was den realen Preisen gar nicht entspricht.“ [34]

Steiners Bild - er weist selbst darauf hin – ist „nicht ganz genau und nicht deutlich ausgesprochen.“ Es setzt natürlich voraus, dass alle Menschen auf dem ihnen zugewiesenem Stück Boden gleich viel leisten. Doch soll dieses Bild nur dazu dienen, zu zeigen, dass als Ausgangspunkt für die Preisbildung der Boden genommen werden muss, auf dem die zur Ernährung notwendigen Güter erzeugt werden und dass da heute eben verfälschende Rechts- und Machtverhältnisse hereinspielen. Man kann also sagen, dass Steiner hier versucht auf diesem Wege den Wert des Kaufgeldes in dem gewissermaßen zu „erden“, was an menschlicher Arbeit nötig ist, um die Grundnahrungsmittel herzustellen. Aus dieser Sicht macht er den Vorschlag, den Wert des Geldes in einer bestimmten Menge Weizen darzustellen. [35] Weizen gilt hier als Repräsentant der Warengattung, die die Grundnahrungsmittel umfasst. Der Grund für diese Art „Erdung“ des Kaufgeldwertes liegt darin, dass auf diese Warengattung alle Menschen angewiesen sind. D.h. letztendlich enden alle Leistungsaustausche im Wirtschaftsleben im Tausch gegen Grundnahrungsmittel, bzw. alle anderen Leistungsaustausche basieren darauf, dass genügend Arbeit auf Natur aufgewendet wird, um ausreichend Grundnahrungsmittel konsumfähig zu machen.

Betrachtet man die Sache nun vom Leihgeld her, dann bekommt das Geld hingegen seinen Wert daher, was jemand mit diesem Geld anzustellen versteht. Kapital entsteht, wie wir oben aufgezeigt haben, dadurch das der Geist die Arbeit organisiert und rationalisiert. Der Geist bewirkt, dass weniger Arbeit auf Natur aufgewendet werden muss, um eine entsprechende Menge an Grundnahrungsmitteln konsumfähig zu machen. Es entsteht dadurch die Möglichkeit, dass andere Aktivitäten innerhalb eines Wirtschaftsgebietes entfaltet werden können. Die Kapitalbildung ist lediglich der äußere Ausdruck dafür, dass solche andere Möglichkeiten entstehen. Je besser diese Möglichkeiten genutzt werden, desto mehr Warengattungen können neben den Grundnahrungsmitteln entstehen. Ebenso wachsen auch die Möglichkeiten der freien geistigen Betätigung. [36] Ist der Wert des Kaufgeldes nun in einer bestimmten Menge Weizen fixiert, so kann damit diese „symbolische Menge Weizen“ gegen eine immer größerer Menge anderer Warengattungen eingetauscht werden. D.h. der Wert dieses Weizengeldes wächst im beschriebenen Fall relativ zu der Anzahl aller anderen Warengattungen. Von dieser Seite her betrachtet fällt oder steigt somit der Wert des Kaufgeldes, in dem Maße wie der Geist sinnvoll über das Mittel des Leihgeldes in die Gestaltung des Wirtschaftsprozesses eingreifen kann.

Der Wert dieser Weizeneinheit darf selbstverständlich auch nicht als absolut konstant betrachtet werden. Er ist ja bedingt dadurch, wie viel Arbeit aufgewendet werden muss, um eine solche Menge Weizen konsumfähig zu machen. Wird durch die geistige Leistung die Kulturfähigkeit des Bodens erhöht, so sinkt der Wert dieser Menge Weizen. Denn es bedarf dadurch weniger Arbeit um die gleiche Menge Weizen zu erzeugen. Von der Seite des Geistes her betrachtet heißt dieses, dass dadurch mehr Möglichkeiten entweder für halbfreie – d.h. der Ausdehnung der Warengattungen im materiellen Bereich – oder freie geistige Tätigkeiten geschaffen wurden.

Schon im dritten Vortrag hatte Rudolf Steiner entwickelt, dass diese beiden wertbildenden Faktoren gegenläufige Tendenzen haben, [37] und dass dadurch es ausgesprochen schwierig ist, im volkswirtschaftlichen Prozess zu richtigen Preisen zu kommen. Dadurch, dass eben beide Wertarten (Arbeit auf Natur oder Wert 1 und Geist auf Arbeit oder Wert 2) schwankend bzw. fluktuierend sind, sei es ausgesprochen schwer, die Preise, die sich auf dem freien Markt bilden, zu beurteilen. Die Preisfrage sei aber die Kardinalfrage des Wirtschaftslebens. D.h. es besteht die Notwendigkeit, diesen freien Preisbildungsprozess – in den nicht eingegriffen werden darf! - in die menschliche Beurteilbarkeit hineinzubekommen. Nur dadurch könne eingesehen werden, an welcher Stelle die den Preisen zugrunde liegenden Bedingungen so geändert werden müssen, dass sozial akzeptierbare Verhältnisse herauskommen. Immer wieder vergleicht er die Preisbildung mit einem Raumthermometer. Wenn dieses unerwünscht steigt oder fällt, dürfe nicht am Thermometer manipuliert werden, sondern müsse in dem Raum die Heizung herauf- oder herabgestellt werden. Ebenso müsse man wenn die Preise für eine Warengattung zu sehr steigen oder fallen, dafür sorgen dass die zugrunde liegenden Bedingungen, so geändert werden, dass die gewünschten Preise herauskommen. Ein Preis gilt für ihn dann als richtig, wenn derjenige, der eine Leistung für den Austausch erstellt, durch den erzielten Preis in die Lage versetzt wird, sich solange in angemessener Weise zu versorgen, dass er eine gleichwertige Leistung wieder erstellen kann. [38] Die Tatsache, dass der Preis sich am Markt frei bilden soll, bedeutet daher für Steiner in keiner Weise, dass die sozialen Verhältnisse das Resultat des Marktprozesses sein müssen. Allerdings muss ein Wissen vorhanden sein, an welcher Stelle eingegriffen werden darf und kann, wenn die sozialen Verhältnisse eine allgemein akzeptierbare Gestalt annehmen sollen.

Ein Mittel innerhalb einer „geschlossenen Weltwirtschaft“, die Bedingungen so zu gestalten, dass richtige Preise herauskommen können, ist für ihn das richtige Verhältnis der Geldgebiete zueinander. Das gilt zunächst für das Kaufgeld- und das Leihgeldgebiet. Das Kaufgeldgebiet wurde, wie hier dargelegt wurde, ganz aus dem Wert 1, d.h. aus der Arbeit, die auf die Natur aufgewendet wurde, entwickelt. Für dieses Gebiet ist Steiner also Arbeitswerttheoretiker. Das Leihgeldgebiet entsteht durch den Wert 2. Hier ist er Geistwerttheoretiker. Das letztere Gebiet ist für die Dynamik des volkswirtschaftlichen Prozesses verantwortlich. Wird es zu groß, wird der Prozess zu sehr angeheizt und es entstehen mehr Waren, als der Markt aufnehmen kann. Es entsteht auch die Tendenz zu immer neuen Warengattungen, für die ein Bedarf angeregt werden muss. Es muss daher dafür gesorgt werden, dass entsprechend viel Leihgeld in Schenkungsgeld umgewandelt wird, um die äußere Dynamik zurückzunehmen. Diese Umwandlung ist allerdings nur dann möglich, wenn von Seiten des freien Geisteslebens eine entsprechende „wertschöpfende Spannung“ aufgebaut wird. D.h. nichts anders, als das der Geist, der Dynamik erzeugt, auch die Kraft aufbringen muss, sie wieder zurückzudrängen. Die Frage ist dann allerdings, woher der menschliche Geist diese Kraft nehmen kann?

Die Bedeutung des Geisteslebens für die Gestaltung der Wirtschaft und des politischen Lebens

Wer den Gedanken zu Steiners Kapitaltheorie bis hierhin folgen konnte, wird bemerkt haben, dass Steiner dem Geistesleben im sozialen Organismus eine ganz besondere Bedeutung zumisst. Dieser Begriff ist bei ihm so gebildet, dass die menschliche Individualität im Zentrum steht. Spricht Steiner vom Geistesleben, so geht es ihm entweder darum, wie Fähigkeiten gebildet oder erhalten werden, oder wie sich die individuellen Fähigkeiten in geeigneter Weise in den Dienst der Gesamtheit stellen können. Der Begriff des Wirtschaftslebens hingegen ist so gebildet, dass die Warenprozesse im Zentrum stehen. Diese haben sich in der Neuzeit zu einem weltumfassenden Gebilde entwickelt. Geistesleben und Wirtschaftsleben verhalten sich gewissermaßen zueinander wie Punkt und Umkreis.

Im Zentrum des Begriffs des Rechtslebens steht hingegen dasjenige, was sich im Wechselverkehr zwischen den Menschen herausbildet. Weder geht es um den individuellen Menschen noch um die vom Menschen ausgehenden, jedoch sich dann ablösenden Warenprozesse. Man könnte sagen: es geht hier um den Menschen im Allgemeinen. Damit verbunden ist das Verallgemeinern. Es wird im menschlichen Zusammenleben in bestimmten Punkten erwartet, dass etwas allgemein, d.h. für jeden gleich gilt. Da wo diese allgemeine Gültigkeit erlebt werden kann, können sich die Menschen als Gleiche begegnen. Innerhalb des Rechtslebens bildet sich der politische Staat. Als Legislative stellt er das Verfahren bereit, durch das die Gesetze allgemeine Geltung bekommen. Als Exekutive ist er gewissermaßen der Wächter über das, was als Staatsgesetz allgemeine Geltung erlangt hat. 

Steiners Analysen der sozialen Frage zielt nun darauf, dass er zeigen will, wo diese drei Gesetzmäßigkeiten berechtigt oder unberechtigt wirken. Die besondere Bedeutung des Geisteslebens ergibt sich ihm deshalb, weil nur aus der individuellen Gestaltungskraft etwas wirklich Neues in den sozialen Organismus einfliesen kann. Das Geistesleben beschreibt er daher auch als den Aufbaupol des sozialen Organismus. Eine zentrale Frage ist ihm allerdings, ob der Mensch lernt, sich mit den aufbauenden Kräften des Lebens, die er als reale geistige Kräfte ansieht, zu verbinden. Das Ringen Steiners um den Zugang zu diesen Kräften kennzeichnet ihn als „Vertreter des philosophischen Postmaterialismus“. [39]

Einen Weg, an diese Kräfte anzuknüpfen, sieht er in der Umwandlung des gegenwärtigen begrifflichen Denkens, so wie es sich durch die moderne Naturwissenschaft entwickelt hat. Das abstrakte Denken soll verwandelt werden in ein bildhaftes, imaginatives Denken. Allerdings darf dabei die Präzision, die das moderne naturwissenschaftliche Denken geschult hat, nicht verloren gehen. Diese Qualität, die zunächst mit dem Ablähmen der Begriffe verbunden ist, soll in dem imaginativen Denken – welches ja nicht ein subjektives Leben in Bildern meint - auf eine neue Stufe gehoben werden.

Der ganze "Nationalökonomischen Kurs" etwa ist aus solchen bildhaften Begriffen gestaltet. Wer versucht, die dort entwickelten sich scheinbar völlig widersprechenden Bilder zusammen zu denken, wird bemerken, dass er dabei sein Denken so schult, dass es sich gewissermaßen aus der logisch-zwingenden Erdensphäre in eine freiere Sphäre zu erheben vermag. In dieser Sphäre können die wesenhaften Gestaltungskräfte gefunden werden, die für den harmonischen Aufbau des sozialen Organismus dienlich sind.

Steiner erwartete selbstverständlich nicht eine Volksbewegung, die sich die Verwandlung des Denkens zum Ziel setzte. Doch erhoffte er, dass zumindest eine Anzahl von naturwissenschaftlich geschulten Menschen sich dieser Aufgabe stellte. Insbesondere erhoffte er sich hier viel von den Gebildeten im deutschen Sprachraum, da dieser ein unmittelbares Anknüpfen an die geistigen Leistungen eines Goethes, Fichtes oder Hegels ermöglichte. Ein Kulturringen nach dieser Richtung von Menschen, die gewissermaßen als geistige Repräsentanten angesehen werden können, hätte eine starke Ausstrahlung auch auf die anderen Bereiche des sozialen Lebens gehabt.

Die menschliche Individualität ist aber nicht bloß im freien Geistesleben gefordert sondern auch da, wo sie in konkrete materielle Aufgaben eingebunden ist. Steiner nennt dieses auch das „halbfreie Geistesleben“. Wo äußere Aufgaben übernommen werden, treten zugleich Machtfragen in den Vordergrund. Derjenige, der etwas zu unternehmen gedenkt, muss das Recht der freien Verfügung über die Dinge – sei es Grund und Boden oder Kapital – zugesprochen werden können, die für diese Unternehmung notwendig sind. Andernfalls wird ihm verunmöglicht, seine Fähigkeiten in vollem Umfang der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Allerdings ruft das Recht auf freie Verfügung, so wie es insbesondere in der westlichen Welt sich ausgestaltet hat, notwendigerweise ein großes Misstrauen hervor. Es wurden daher Wege gesucht, die Macht die damit verbunden ist, einer gesellschaftlichen Kontrolle zu unterwerfen. Es entsteht an dieser Stelle die Gefahr, dass das Rechtsleben in unsachgemäßer Weise in das Gebiet des Geisteslebens eingreift. Es beginnt dieser unsachgemäße Eingriff bei dem Versuch der „demokratischen Kontrolle“ der individuellen Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel und endet im Extremfall bei der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, d.h. dem völligen Entzug der individuellen Verfügungsgewalt. Die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass auf diesem Wege die sozialen Probleme nicht gelöst werden konnten. Insbesondere bei dem Versuch der Vergesellschaftung der Produktionsmittel zeigte sich, dass auf Umwegen kleine Machteliten, die vorgaben die Allgemeinheit zu vertreten, letztlich einen totalen Verfügungsanspruch über die Produktionsmittel für sich geltend machten. Es kann dieses auch so beschrieben werden, dass eine bestimmte Form des Geisteslebens sich des Staates bemächtigt hat, um durch diesen seinen Einfluss in totalitärer Weise auf die gesamte Gesellschaft auszudehnen. 

Ebenso untauglich, jedoch in seiner Wirkung nicht so radikal, hat sich das Instrument der demokratischen Kontrolle der individuellen Verfügungsgewalt erwiesen. Der ökonomische Prozess, angeheizt insbesondere durch den Handel mit Kapital, entwickelt allerdings eine solche Dynamik, dass sich die demokratischen Kontrollversuche als immer hilfloser erweisen. Gegenwärtig zeigt sich eine Art demokratischer Erosionsprozess insbesondere in den europäischen Staaten, die im Hinblick auf diese Kontrollinstrumente eine wesentlich ausgefeiltere Tradition als die USA entwickelt haben. Die neoliberale Wirtschaftskultur kann – bzw. die auf der Handelbarkeit des Produktionsfaktor Kapital begründeten Machteliten können ‑ ihren Einfluss in immer ungehemmterer Weise gegenüber der Gesellschaft durchsetzen. Auch dieses ist eine besondere Form des Geisteslebens, welches ein von der Gemeinschaft gewährtes und geschütztes Recht so nutzt, dass es dieses gegen die Belange der Gemeinschaft wendet.

Sowohl das Geistesleben, das die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, als auch das, welches die unbegrenzte individuelle Verfügungsmacht einfordert, beruht auf Begriffen, die rein aus dem abstrakten Denken hervorgegangen sind. Diese Formen des Geisteslebens können daher aus sich heraus nur ein Sonderdasein entwickeln, welches sich aus seiner eigenen Dynamik den Belangen der gesamten menschlichen Gemeinschaft entgegen laufen muss. Steiner betont daher die Notwendigkeit der Erschließung anderer Quellen des Geisteslebens, so dass dieses einen allgemein-menschlichen Charakter bekommen kann. Und er versucht nachzuweisen, dass aus diesem Geistesleben wirklich Begriffe hervorgehen können, durch die die materiellen Verhältnisse in eine sachgemäße, d.h. sozial verträgliche Gestaltung gebracht werden können. Dieses zeigt sich in besonderer Weise an seinen Vorschlägen für die Ausgestaltung des Eigentums an den Produktionsmitteln. „Die Gegenstände des Eigentums…“ so führt er in den "Kernpunkte der sozialen Frage" aus, „… werden in den Fluss des sozialen Lebens gebracht. Der einzelne kann sie nicht aus seinem Privatinteresse heraus zum Schaden der Allgemeinheit verwalten; aber auch die Allgemeinheit wird sie nicht zum Schaden der einzelnen bürokratisch verwalten können; sondern der geeignete einzelne wird zu ihnen den Zugang finden, um durch sie der Allgemeinheit dienen zu können.“ [40]

Doch das Geistesleben, welches Steiner einfordert, kann sich seinem eigenen Selbstverständnis nach nicht auf dem Wege durchsetzen, wie dieses etwa bei den oben beschrieben Formen – dem Geistesleben des Sozialismus und dem der freien Marktwirtschaft – aufgezeigt wurde. Es muss dafür Sorge tragen, dass eine freie Empfänglichkeit für das da ist, was aus ihm fließen kann. Da, wo menschliche Fähigkeiten sich entfalten, besteht immer die Gefahr, dass andere Menschen, die auf die Entfaltung dieser Fähigkeiten angewiesen sind, bevormundet werden. Es ist dieses vor allem da der Fall, wo die Fähigkeiten auf die Bewältigung materieller Aufgaben richten, die ein großes Maß an freier Verfügung über materielle Mittel erfordern. Steiner fordert daher insbesondere von den Unternehmensleitern, dass sie dafür Sorge tragen, dass bei allem was sie tun, die größtmögliche Transparenz entsteht. Können die materiell Arbeitenden ein Bewusstsein dafür entwickeln, in welchen Gesamtzusammenhang sich ihre Arbeitsleistung eingliedert, so werden sie einen ganz anderen Antrieb zur Arbeit erhalten, als die Aussicht auf den Erwerb. Insbesondere entsteht dadurch die Möglichkeit, dass die Leitenden und die materiell Arbeitenden sich auf einer gleichberechtigten Ebene über die Anteile verständigen können, die ihnen jeweils an der gemeinsam erbrachten Leistung zukommen sollen. [41]

Die Aufgabe der Transparenz, also etwas durchsichtig zu machen, hat das Geistesleben insbesondere gegenüber dem modernen Wirtschaftsleben. Denn dieses hat die Eigentendenz, dass sich die in ihm abspielenden Warenprozesse immer stärker verdunkeln. Steiners Ansatz richtet sich darauf, wie diese Warenprozesse wieder an das Licht gebracht werden können, so dass sie einer menschlichen Verständigung zugänglich werden. Der Ort, wo diese Verständigung stattfinden soll, bezeichnet Steiner als die wirtschaftlichen Assoziationen. Der Gedanke der Assoziationen muss in den Ohren eines Wirtschaftspraktikers geradezu naiv klingen. Denn er fordert, dass die Akteure des Wirtschaftslebens, d.h. Produzenten, Händler und Konsumenten, sich zusammenfinden und die aus den jeweiligen Gebieten sich ergebenden wirtschaftlichen Sachfragen beraten. Wie soll denn – so kann man aus der Sicht des Wirtschaftspraktikers fragen - eine Verständigung über Sachfragen in solchen, aus ganz verschiedenen Lebenskreisen stammenden Menschen möglich sein, wenn schon Menschengemeinschaften, die ein gemeinsames geistiges Ziel anstreben, eine solche Verständigung fast nicht möglich ist? Steiner hat das Vertrauen, dass dieses möglich ist, weil er die geistigen Quellen kennt, aus denen die Kräfte für eine solche Verständigung geschöpft werden können. Das mag obskur erscheinen. Es erscheint aber nur obskur, wenn man gewohnt ist, einseitig den Blick auf die materiellen Prozesse zu lenken. In dem materiellen Prozess können jedoch nicht die Kräfte gefunden werden, um diesen selbst umzuformen. Gerade die Marxsche Theorie, die bewusst auf die einseitige Beobachtung des materiellen Prozesses setzt, zeigt, so großartige ihre Einzelerkenntnisse auch sein mögen, die Unmöglichkeit, in eine wirklich fruchtbare Gestaltung hereinzukommen. In dem Steiner die Stellung des Menschen zwischen den real-wirkenden materiellen und – insofern sie vom individuellen Menschen bewusst ergriffen werden – den real-wirkenden geistigen Kräften darstellt, zeigt er eine Möglichkeit, wie eine ganz andersartige Gestaltung des sozialen Lebens möglich sein könnte.

Der postmaterialistische Ansatz Steiners sucht somit zunächst Wege zu inneren Freiräumen aufzuzeigen. Dort kann eine bewusste Erfahrung geistiger Realitäten möglich werden. Diese geistigen Realitäten stehen jedoch nicht in einem abgelösten Verhältnis zur äußeren Lebenswirklichkeit. Sie enthalten vielmehr deren wesenhafte konstituierende Elemente. Die Gewinnung eines solchen neuen Erfahrungsraumes hat daher ganz reale praktische Konsequenzen. Denn in ihm lassen sich sehr konkrete Vorstellungen über lebensmögliche Gestaltungen des sozialen Lebens gewinnen. Nur können diese Vorstellungen nicht einfach ‑ sozusagen eins zu eins ‑ ins äußere Leben übertragen werden. Aus einer solchen postmaterialistischen Sicht kann es sich daher nur darum handeln, die Fähigkeit zu entwickeln, Vorstellungen dieser Art zu bilden, um sich im zweiten Schritt mit dieser Fähigkeit dem äußeren materiellen Leben zuzuwenden und dieses zu ergreifen. Erst in diesem Prozess können sich dann auf konkrete Situationen hin individualisierte Handlungsvorstellungen ergeben.

Selbstverständlich können aus diesem Ansatz auch Forderungen für die Gestaltung der Einrichtungen des gegenwärtigen sozialen Lebens, und bezogen auf das hier behandelte Thema, insbesondere für die Gestaltung der Kapitalprozesse, abgeleitet werden. Doch solange diese Forderungen abstrakt und ohne wirkliche Anknüpfung an die hier angedeutete geistige Erlebnisebene bleiben, werden sie für das soziale Leben keine Konsequenzen haben. In dem Maße allerdings, wie Menschen beginnen besagte Fähigkeiten zu entwickeln, wird das Problem der sozialen Vermittlung zu lösen sein. Dieses Problem stellt sich insbesondere bei der (notwendigen) Umgestaltung der rechtlichen Grundlagen des sozialen Lebens. Es wiegt nicht minder schwer, denn die Erfahrungen insbesondere des zwanzigsten Jahrhunderts mit politisch wirksamen Anschauungen, die in irgendeiner Weise eine Geistigkeit für sich beanspruchten, müssen berechtigt Misstrauen hervorrufen.

Die Frage nach der Gestaltung der Kapitalprozesse ist selbstverständlich auch eine Machtfrage. Diese wird de facto heute durch den Primat der Materie gelöst. Der Postmaterialismus wird zeigen müssen, wie diese Frage in anderer, und zwar wirklich legitimer Weise zu lösen ist. Dieses geht nicht durch einen neuen Rückgriff auf den Primat des Geistes. Eine postmaterialistische Auseinandersetzung kann zwar auf rein geistigem Gebiete dazu führen, dass dem Geist als eine der menschlichen Erkenntnis zugängliche Realität eine stärkere Anerkennung zukommt. Auf politischem Gebiete gilt weder der Primat des Geistes noch der Primat der Materie. Hier gilt es den Raum für eine wahrhaft demokratische Entscheidungsfindung zu schaffen.


[1] Wie die Hegelsche Logik mit Notwendigkeit bei Marx in den Materialismus umschlagen muss, beschreibt Rudolf Steiner in: Die soziale Frage als Bewusstseinsfrage, 16. März 1919, 8. Vortrag, GA 189

[2] vgl. Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit, II. Kapitel, S. 32; Hegel wird an entsprechender Stelle nicht genannt ist aber auch gemeint. Deutlich wird dieses im Vergleich mit dem 1. Kapitel des 2. Bd. der „Rätsel der Philosophie“, GA 18, in dem Steiner den erwähnten Gesichtspunkt am Beispiel Hegels entwickelt.

[3] vgl. Roland Benedikter, „Postmaterialismus“ Bd.1., S. 60 f.

[4] Neben schroffen abweisenden Äußerungen Steiners findet sich auch immer wieder solche, welche von einer hohen Anerkennung zeugen. Z.B. in: „Freiheit – Unsterblichkeit – Soziales Leben, GA 72, S. 173 f.: „Deshalb dürfen Sie, was ich jetzt sagen werde, auch nicht so auffassen, als wenn ich alles, was unter dem Einflusse des sozialistischen Denkens in der neueren Zeit heraufgekommen ist, in Grund und Boden bohren wollte. Das wird mir nicht im Traume einfallen. Denn vieles Wertvolle hat diese Anschauung heraufgebracht, und sie hat sich ja schwer genug durchgekämpft. (…)Für den Geistesforscher ist, was zum Beispiel Karl Marx mit solcher dialektischer Schärfe, eindringlicher Logik dargestellt hat, ein Ausdruck desjenigen, was die Menschheit an sozial-sittlichen Impulsen in den vier Jahrhunderten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts geträumt hat. Karl Marx hat das geschildert, was an Impulsen durch drei bis vier Jahrhunderte, vom 16. Jahrhundert angefangen, klar da war. Aber es war so da, daß es nicht in den wachen Tagesvorstellungen lebte, sondern daß die Menschheit in ihren Impulsen, in ihren sozialen, sittlichen Ideen, diese Dinge träumte. Und als eigentlich der Traum schon ausgeträumt war, als eigentlich schon eine sozial-sittliche Ordnung eingetreten war, wie sie im Sinne der Träume der letzten vier Jahrhunderte war, da schrieb über das, was schon Leichnam geworden war, woraus schon ein Erwachen stattfinden sollte, Karl Marx seine Bücher. In der Wirklichkeit lebte das, was Karl Marx als Programm hinstellen wollte, in der Zeit, die vorher war, eigentlich bevor er sogar mit seinen Gedanken dagewesen ist.“ In GA 73, S. 104: „Wenn man aber diese materialistische Geschichtsauffassung allein zugrunde legt, so bekommt man dabei keine Geschichte; man läßt eben das andere weg, was an anderen Impulsen vorhanden ist; so muß man auch die Begriffe, die der Marxismus aufgebracht hat, als etwas betrachten, was wiederum ein Aspekt ist, was eine Photographie der Wirklichkeit von einer gewissen Seite her liefert, die man ergänzen muß durch Aspekte von anderen Seiten.“

[5]   vgl. Rudolf Steiner, Betriebsräte und Sozialisierung, GA 331 S. 28

[6] vgl. Vorländer: Geschichte der Philosophie. Bd. 2, S. 457 ff

[7] vgl. Karl Marx, Das Kapital 1. Bd., MEW 23, S. 89

[8] vgl. Karl Marx, Das Kapital 1. Bd., MEW 23, S. 65

[9] vgl. dazu Hofmann: Wert und Preislehre, Berlin 1979, S. 86 ff und Strawe, Christoph: Marxismus und Anthroposophie, Stuttgart 1986, S. 197

[10] vgl. Karl Marx, Das Kapital 1. Bd., MEW 23, S. 161 ff, insbesondere auch Fußnote 6

[11] vgl. "Nationalökonomischen Kurs", 6. Vortrag, S. 87

[12] Rudolf Steiner, Nationalökonomischer Kurs, 4. Vortrag, S. 56 f.

[13] vgl. Rudolf Steiner, Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung  (GA2); S. 86 ff.

[14] Dieses gilt bei Steiner für alle Gebiete des Erkennens; einen Unterschied gibt es allerdings in der Methode, wie diese Begriffe aufgefunden werden können.

[15] vgl Rudolf Steiner, Wahrheit und Wissenschaft (GA3), S. 49 ff.

[16] vgl. hierzu W.J. Stein/Rudolf Steiner; Dokumentation eines wegweisenden Zusammenwirkens, hrsg. von Thomas Meyer, Dornach 1985, S. 42

[17] Eine sehr relativ kurze, übersichtliche Darstellung dieser Denkentwicklung findet sich bei Rudolf Steiner in „Philosophie und Anthroposophie“ GA 35, S. 66 ff.

[18] vgl. hierzu Rudolf Steiner, Von Seelenrätseln (GA 21), Kapitel IV-3 „Von der Abstraktheit der Begriffe“

[19] vgl. a.a.O., I. Kapitel, S. 23 ff.

[20] Rudolf Steiner, Nationalökonomischer Kurs, 7. Vortrag, S. 102

[21] Rudolf Steiner, Nationalökonomischer Kurs, 4. Vortrag, S. 56 f.

[22] a.a.O., S. 60

[23] vgl "Nationalökonomischen Kurs", 5. Vortrag, S. 72 ff. Steiner spricht an der Stelle davon, dass, wenn Kredit im Vertrauen auf die Fähigkeit des Unternehmers gegeben wird, dieses verbilligende Wirkung habe, während wenn Kredit lediglich auf Sicherheiten, wie handelbaren Grund und Boden abgestützt wird, dieses verteuernd wirke. Wir haben den Gedanken oben nicht inhaltlich referiert, sondern in seinen Implikationen dargelegt.

[24] vgl. hierzu Rudolf Steiner, "Nationalökonomischen Kurs" 11. Vortrag

[25] vgl. "Nationalökonomischen Kurs", S. 89

[26] In „Die Kernpunkte der sozialen Frage" , S.65, beschreibt Steiner dieses wie folgt: „Dieses Gebiet (das Geistesleben, S.E.) umfasst alles von den höchsten geistigen Leistungen bis zu dem, was in Menschenwerke einfließt durch die bessere oder weniger gute körperliche Eignung des Menschen für Leistungen, die dem sozialen Organismus dienen. Was aus dieser Quelle stammt, muss in den gesunden sozialen Organismus auf ganz andere Art einfließen, als dasjenige, was im Warenaustausch lebt, und was aus dem Staatsleben fließen kann. Es gibt keine andere Möglichkeit, diese Aufnahme in gesunder Art zu bewirken, als sie von der freien Empfänglichkeit der Menschen und von den Impulsen, die aus den individuellen Fähigkeiten selbst kommen, abhängig sein zu lassen.“

[27] vgl. "Nationalökonomischen Kurs", S. 91

[28] In den "Kernpunkte der sozialen Frage" beschreibt Steiner dieses im III. Kapitel wie folgt: „Eng verbunden sind im sozialen Leben der Gegenwart die Verwaltung des Kapitals in der Warenproduktion und der Besitz der Produktionsmittel, also auch des Kapitals. Und doch sind diese beiden Verhältnisse des Menschen zum Kapital ganz verschieden mit Bezug auf ihre Wirkung innerhalb des sozialen Organismus. Die Verwaltung durch die individuellen Fähigkeiten führt, zweckmäßig angewendet, dem sozialen Organismus Güter zu, an deren Vorhandensein alle Menschen, die diesem Organismus angehören, ein Interesse haben. In welcher Lebenslage ein Mensch auch ist, er hat ein Interesse daran, dass nichts von dem verloren gehe, was aus den Quellen der Menschennatur an solchen individuellen Fähigkeiten erfließt, durch die Güter zustande kommen, welche dem Menschenleben zweckentsprechend dienen. Die Entwickelung dieser Fähigkeiten kann aber nur dadurch erfolgen, dass ihre menschlichen Träger aus der eigenen freien Initiative heraus sie zur Wirkung bringen können. Was aus diesen Quellen nicht in Freiheit erfließen kann, das wird der Menschenwohlfahrt mindestens bis zu einem gewissen Grade entzogen. Das Kapital aber ist das Mittel, solche Fähigkeiten für weite Gebiete des sozialen Lebens in Wirksamkeit zu bringen. Den gesamten Kapitalbesitz so zu verwalten, dass der einzelne in besonderer Richtung begabte Mensch oder dass zu Besonderem befähigte Menschengruppen zu einer solchen Verfügung über Kapital kommen, die lediglich aus ihrer ureigenen Initiative entspringt, daran muss jedermann innerhalb eines sozialen Organismus ein wahrhaftes Interesse haben. Vom Geistesarbeiter bis zum handwerklich Schaffenden muss ein jeder Mensch, wenn er vorurteilslos dem eigenen Interesse dienen will, sagen: Ich möchte, dass eine genügend große Anzahl befähigter Personen oder Personengruppen völlig frei über Kapital nicht nur verfügen können, sondern dass sie auch aus der eigenen Initiative heraus zu dem Kapitale gelangen können; denn nur sie allein können ein Urteil darüber haben, wie durch die Vermittlung des Kapitals ihre individuellen Fähigkeiten dem sozialen Organismus zweckmäßig Güter erzeugen werden.“ (S. 84 f.) Und etwas später: „Nun ist aber das Privateigentum nichts anderes als der Vermittler dieser freien Verfügung. Für den sozialen Organismus kommt in Ansehung des Eigentums gar nichts anderes in Betracht, als daß der Eigentümer das Recht hat, über das Eigentum aus seiner freien Initiative heraus zu verfügen. Man sieht, im sozialen Leben sind zwei Dinge miteinander verbunden, welche von ganz verschiedener Bedeutung sind für den sozialen Organismus: Die freie Verfügung über die Kapitalgrundlage der sozialen Produktion, und das Rechtsverhältnis, in das der Verfüger zu andern Menschen tritt dadurch, daß durch sein Verfügungsrecht diese anderen Menschen ausgeschlossen werden von der freien Betätigung durch diese Kapitalgrundlage. Nicht die ursprüngliche freie Verfügung führt zu sozialen Schäden, sondern lediglich das Fortbestehen des Rechtes auf diese Verfügung, wenn die Bedingungen aufgehört haben, welche in zweckmäßiger Art individuelle menschliche Fähigkeiten mit dieser Verfügung zusammenbinden.“ (S. (87)

[29] vgl. "Nationalökonomischen Kurs", S.80

[30] a.a.O. S. 179

[31] a.a.O. S. 176

[32] Im 12. Vortrag, (S. 176) beschreibt Steiner dieses wie folgt: „Und wenn wir nun von dem Leihgeld zu demjenigen übergehen, was ich Ihnen als eine dritte Art genannt habe, was heute gewöhnlich gar nicht besprochen wird, aber die denkbar größte Rolle spielt im volkswirtschaftlichen Prozess, wenn wir übergehen von dem Leihgeld zu dem Schenkungsgeld - Schenkungsgeld ist im Grunde genommen alles, was für die Erziehung ausgegeben wird, das spielt eben eine ungeheure Rolle im volkswirtschaftlichen Leben; Schenkungsgeld ist auch alles dasjenige, was für Stiftungen ausgegeben wird, und alles dasjenige, was bewirkt, dass sich nicht in einer störenden Weise Kapital staut auf Grund und Boden durch die Kapitalisierung von Grund und Boden, wodurch die Volkswirtschaft eben ruiniert wird -, wenn wir uns dieses Schenkungsgeld anschauen, so müssen wir sagen: Dieses Schenkungsgeld, das wird für denjenigen, der angewiesen ist für sein Leben auf Kaufgeld, einfach wertlos. Es verliert seinen Wert. Schenkungsgeld in Bezug auf Kaufgeld ist das Entgegengesetzte nämlich, was ja auch schon daraus hervorgeht, dass derjenige kaufen kann, der Schenkung kriegt, während derjenige, der nicht Schenkung kriegt, nicht kaufen kann mit diesem Geld. Sie haben also drei Arten von Geld, die qualitativ ganz voneinander verschieden sind, Kaufgeld, Leihgeld, Schenkungsgeld. Nun, wie es sich aber verhält zwischen Kaufgeld, Leihgeld und Schenkungsgeld, das ist nur dann zu beurteilen, wenn wir volkswirtschaftliche Zusammenhänge, sagen wir, so privatwirtschaftlicher Natur, wie wir es gestern hypothetisch angenommen haben, dass sie in gewisser Weise eine Art abgeschlossenen Gebietes darstellen, wenn wir solche betrachten. Da werden wir nämlich finden, dass nach einer bestimmten Zeit alles dasjenige, was Leihgeld ist, in Schenkungsgeld übergeht. Anders kann es auch nicht sein bei dem geschlossenen Wirtschaftsgebiet, das die Weltwirtschaft ist. Leihgeld muss nach und nach ganz in Schenkungsgeld übergehen. Leihgeld darf sich gewissermaßen nicht zurückstauen in das Kaufgeld hinein, um das zu stören. Leihgeld geht in das Schenkungsgeld hinein. So muss es sich im geschlossenen Wirtschaftskreislauf darstellen. Was tut es auf dem Gebiet, wo das Schenkungsgeld arbeitet? Da entwertet es sich. So dass wir sagen können: Indem wir das Gebiet des Kaufgeldes haben, wird das Geld einen gewissen Wert darstellen. Auf dem Gebiet des Schenkens hat das Geld für alles dasjenige, was auf dem Gebiet des Kaufens besteht, einen negativen Wert, lässt diesen Kaufwert verschwinden. Und dazwischen drinnen wird der Übergang bewirkt beim Leihgeld. Das Leihgeld verschwindet allmählich hinein ins Schenkungsgeld.“

[33] vgl. "Nationalökonomischen Kurs", 11. Vortrag, S.167

[34] "Nationalökonomischen Kurs“, S. 207ff.

[35] a.a.O., S. 209

[36] Aus der Sicht des Wirtschaftslebens haben die freien geistigen Leistungen, wie z.B. die Aufführung eines Theaterstückes oder der Unterricht des Lehrers, ebenfalls Warencharakter. In den "Kernpunkte der sozialen Frage" führt Steiner dieses wie folgt aus: Durch den Geldverkehr wird ein Wirtschaftsgebiet eine einheitliche Wirtschaft. Jeder produziert auf dem Umwege durch das ganze Wirtschaftsleben für jeden. Innerhalb des Wirtschaftsgebietes hat man es nur mit Warenwerten zu tun. Für dieses Gebiet nehmen auch die Leistungen, die entstehen aus der geistigen und der staatlichen Organisation heraus, den Warencharakter an. Was ein Lehrer an seinen Schülern leistet, ist für den Wirtschaftskreislauf Ware. Dem Lehrer werden seine individuellen Fähigkeiten ebensowenig bezahlt wie dem Arbeiter seine Arbeitskraft.“ (S.103).

[37] „Nun aber verhalten sich diese Werte hier - Wert 1 und Wert 2 - in der Tat polarisch. Man kann schon sagen: Derjenige, der zum Beispiel innerhalb dieses Gebietes (gemeint ist das Gebiet, in dem Wert 2, d.h. Geist auf Arbeit, erzeugt wird; S.E.) verdient, hauptsächlich innerhalb dieses Gebietes verdient - ganz kann man es nicht, aber hauptsächlich -, wer hauptsächlich dadurch verdient, dass er Arbeiter ist in einer Art, die vom Geist organisiert ist, der hat Interesse daran, dass die Naturprodukte entwertet werden. Derjenige aber, der an der Natur arbeitet, der hat Interesse daran, dass die anderen Produkte entwertet werden. Und wenn dieses Interesse realer Prozess wird, wie es in der Tat ist - wenn das nicht so wäre, so hätten die Landwirte ganz andere Preise, und umgekehrt, wir haben auf beiden Seiten durchaus kaschierte Preise -, so können wir in der Mitte drinnen, wo zwei sind, zum Wirtschaften gehören immer zwei, wo zwei sind, welche möglichst wenig Interesse haben sowohl an der Natur wie an der Geistigkeit oder dem Kapital, eine Art mittleren Preis möglicherweise beobachten.“ (S.49)

[38] In Steiners Worten: „Ein richtiger Preis ist dann vorhanden, wenn jemand für ein Erzeugnis, das er verfertigt hat, so viel als Gegenwert bekommt, daß er seine Bedürfnisse, die Summe seiner Bedürfnisse, worin natürlich eingeschlossen sind die Bedürfnisse derjenigen, die zu ihm gehören, befriedigen kann so lange, bis er wiederum ein gleiches Produkt verfertigt haben wird.“ "Nationalökonomischen Kurs", 6. Vortrag, S. 82

[39] vgl. R. Benedikter, Postmaterialismus Bd. 1., Abschnitt: „Die Notwendigkeit eines philosophischen Postmaterialismus-Begriffs“.

[40] vgl "Die Kernpunkte der sozialen Frage", S. 100

[41] In den "Kernpunkten der sozialen Frage" beschreibt Steiner, dass auf diesem Weg „die Ablösung des Entlohnungsverhältnisses durch das vertragsgemäße Teilungsverhältnis in bezug auf das von Arbeitsleiter und Arbeiter gemeinsam Geleistete in Verbindung mit der gesamten Einrichtung des sozialen Organismus ins Auge gefaßt (ist).“ S.108