Grundprinzipien einer salutogenetischen Medizin

01.01.2004

Wenn im folgenden "Grundprinzipien einer salutogenetisch orientierten Medizin" skizziert werden, so ist damit nicht die Geltendmachung eines separaten medizinischen Ansatzes gemeint, sondern das Erfordernis der Verfolgung, Entwicklung und Integration einer in der Vergangenheit vernachlässigten Perspektive in der und in die Medizin. Vor dem Hintergrund der hohen Parteilichkeiten zwischen den unterschiedlichen Denk- und (Be)Handlungsansätzen in der Medizin und der daraus resultierenden Tendenz einer Fragmentierung der "Einheit der Medizin" in eine Vielzahl von - sich mehrheitlich in Konkurrenz zueinander begreifender - Subsysteme stellt sich die Aufgabe, nach dem wechselseitigen, komplementären Ergänzungspotential unterschiedlicher Theorieansätze und den ihnen entstammenden Praxisoptionen innerhalb der Medizin als einem sinnvollen Ganzen zu fragen.

Dies gilt auch für das Modell der Salutogenese, das sich nicht als Alternative, sondern als Perspektivenergänzung zu demjenigen der Pathogenese versteht. Die Frage nach dem Gesundbleiben und dem Gesundwerden läßt sich nicht getrennt von derjenigen nach dem Krankwerden verfolgen. Wohl aber ist sie geeignet, die Aufmerksamkeit auf Phänomene und Vorgänge zu richten, die unter der Vorherrschaft einer einseitig pathogenetisch ausgerichteten Betrachtungsweise weitgehend aus dem Blickfeld geraten sind. Die Explikation der Frage, warum Menschen trotz stets präsenter potentiell gesundheitsbedrohender Einflüsse dennoch gesund zu bleiben und in einer Erkrankung auch wieder gesund zu werden vermögen, holt die Phänomene ,,Gesundbleiben" und ,,Gesundwerden" aus der dunklen Ecke des in scheinbarer Selbstverständlichkeit Übergangenen und deshalb Unhinterfragten und verdeutlicht im Zuge ihrer Beantwortungsversuche, daß Gesundheit nicht einen passiven Zustand, nicht einen statisch gesicherten Bezirk oder eine statistisch zu beschreibende Norm darstellt, sondern ein dynamisches Gleichgewicht, das durch ständige aktive Überwindung krankmachender Einwirkungen aufrechterhalten wird bzw. je neu erworben werden muß sei dies unbewußt auf der Ebene leiblicher Selbstordnungsvorgänge, in Form vorbewußter seelischer Verarbeitungs- und Bewältigungsstrategien oder als bewußte Arbeitsleistung unseres Ichs. Damit erweitert sich die Blickrichtung zugleich von der Suche nach äußeren Determinanten im Sinne von Krankheitsursachen um ein Ausschauhalten nach inneren, im Individuum selbst auf unterschiedlichen Ebenen zu suchenden Ursachen von Gesundheit. Im Vordergrund steht dann nicht mehr die Frage nach der heteronomen Bedingtheit menschlicher Existenz, sondern diejenige nach dem Vorhandensein und dem Grad an Eigengesetzlichkeit und Autonomie des Menschen auf leiblicher, seelischer und personal geistiger Ebene.

Wie vor allem die neuere Immunitätsforschung gezeigt hat, ist jeder Mensch nicht nur eine geistig-seelische, sondern auch eine biologische Individualität, die ihre individuelle Geschlossenheit durch Abwehr äußerer Reize und Fremdstoffe aktiv aufrechterhält. Schon in unseren normalen Lebensvorgängen vollzieht sich somit eine ständige aktive Überwindung von pathogenen Einflüssen und Krankheitsprozessen in statu nascendi. Die manifesten Krankheits- und Heilungsprozesse sind insofern nur Extremfälle solcher Vorgänge. Krankheit und Heilung erweisen sich damit nicht als diametrale Gegensätze. In den Krankheitsprozessen selbst stecken zugleich die zur Heilung tendierenden Vorgänge. So wie der Mensch einer gewissen Belastung bedarf, um gesund zu bleiben, so aktualisieren sich potentiell vorhandene Selbstheilungsvorgänge erst im Zuge des Auftretens pathogener Einflüsse und beginnender Krankheitsprozesse. Dies bedeutet zugleich einen Entwicklungsprozeß: Wir sind nach einer Erkrankung nicht mehr dieselben, eine neue Gesundheit tritt an die Stelle der alten, wobei das Durchmachen und die Überwindung einer Krankheit auch zu einem höheren Maß an Gesundheit zu führen mag, was es bei präventivmedizinischen Überlegungen zu berücksichtigen gilt.

Indem die salutogenetische Fragestellung auf die aktiv-eigengesetzlichen Leistungen des Individuums verweist, erlaubt sie zugleich eine differenziertere Sicht von Krankheitsprozes

sen und Krankheitssymptomen. Krankheitssymptome stellen sich dann als aktive Funktionsäußerungen des Individuums dar, die gelingend oder mißlingend auf Selbstheilung zielen. Das ermöglicht zum einen, Krankheitssymptome im Hinblick auf ihr autoprotektives und salutogenetisches Potential zu erkennen - und sodann auch anzuerkennen, also ihnen nicht mit vordergründigen und vorschnellen Symptombeseitigungsstrategien zu begegnen; zum anderen die Einsicht, daß das pathogene Potential individuumeigener "Reaktionen" auf eine Noxe mitunter erheblich größer sein kann als dasjenige der Noxe selbst. Auch hier zeigt sich, daß Pathogenese und Salutogenese nicht voneinander zu trennen, sondern aufs engste miteinander verwoben sind und sich gegenseitig bedingen. Es erweist sich insofern als zu kurz gegriffen, die pathogenetische Perspektive grundsätzlich mit einer viktimisierenden Sichtweise zu identifizieren, die Krankwerden nur als passives Ausgesetztsein gegenüber Fremdeinwirkungen interpretiert und darin den Kontrast zu den eigenaktivautonomen Vorgängen des Gesundbleibens und -werdens sieht. Auch die Vorgänge des Erkrankens sind keineswegs nur passiv erlittene, von außen erzwungene Funktionsstörungen, sondern Ausdruck einer veränderten, aber durchaus eigengesetzlich hervorgebrachten Gesamtleistung des Individuums, innerhalb derer pathogenetische und salutogenetische Prozesse nicht nur nebeneinander bestehen, sondern ineinander verschränkt sind. Fokussiert aber eine nur pathogenetisch ausgerichtete und deshalb die im Krankheitsgeschehen bereits enthaltenen salutogenetischen Prozesse übersehende oder verkennende Sichtweise einseitig auf Krankheitsursachen und fehlgeleitete Kausalprozesse mit der Folge, Therapie als Krankheits(Symptom)-Beseitigung mittels gezielter Korrektur unerwünschter Normabweichungen aufzufassen, so erschließt die salutogenetische Perspektive eine Diagnostik, die ein im Krankheitsgeschehen aktuell bereits vorhandenes oder potentiell zu stimulierendes Gesundungspotential zu erkennen und für die Therapie fruchtbar zu machen sucht. Charakterisiert sich der erstgenannte Ansatz durch eine auf Beherrschbarmachung zielende, seiner Tendenz nach interventionistischen Praxis, so eine salutogenetische Aspekte berücksichtigende Medizin durch eine dialogische, partnerschaftlichanerkennende Praxis nicht nur auf verbaler, sondern auch auf der Ebene der somatischen Symptomensprache des Organismus. Im Vordergrund steht dann nicht ein direktes Bewirken, sondern ein Ermöglichen, ein befähigendes Begleiten in Gesundheit und Krankheit.

Das Salutogenesekonzept Antonovskys hat bislang im wesentlichen im psychosozialen Bereich, auf den Feldern Gesundheitsförderung und Prävention, in der Psychotherapie und in der Rehabilitation Bedeutung erlangt. Bereits in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat L. R. Grote den bedeutungsäquivalenten Begriff der Hygiogenese geprägt, der nachfolgend vornehmlich im Bereich der Naturheilkunde verfolgt wurde und unter dem der Anthroposophischen Medizin entstammenden Begriff einer "Therapeutischen Physiologie" seine vertiefende begriffliche Differenzierung und auch eine empirische Untermauerung erfahren hat. Im Gegensatz zu den pathogenetisch orientierten, dem Kranken eine passive Rolle zuschreibenden therapeutischen Maßnahmen der Ausschaltung pathogener Noxen, der Korrektur normabweichender Prozesse und dem Ersatz ausgefallener Funktionen liegt den verschiedenen hygiogenetisch-salutogenetisch orientierten Maßnahmen das Prinzip der therapeutischen Ermöglichung eigenaktiver Selbstordnung und Selbstheilung zugrunde, was freilich nur dort möglich ist, wo solche autonomen Leistungen (noch) ansprechbar oder stimulierbar sind. Dort wo dies nicht mehr der Fall ist, haben pathogenetisch orientierte Behandlungsmaßnahmen ihre Berechtigung. Daraus ergibt sich ein Orientierungsrahmen für differentialindikatorische Entscheidungen, d. h. für die Entscheidung darüber, wann, bei welchem Krankheitsbild und Krankheitsschweregrad, in welcher je konkreten Situation die einen oder die anderen Prinzipien der therapeutischen Hilfestellung angezeigt sind. Obwohl beide Perspektiven und die ihr entspringenden Therapieprinzipien in einem sich komplementär ergänzenden Verhältnis zueinander stehen, hat gleichwohl die Dominanz der pathogenetischen Denkweise dazu geführt, auch dort zu intervenieren, wo ein aufmerksames Abwarten und Begleiten - einschließlich des durch ein Gewahrwerden autoprotektiver oder spontan remissiver Prozesse begründeten Verzichts auf eine Intervention - nicht nur die angemessenere, weil physiologischere, "gesündere", sondern auch die kostengünstigere Alternative wäre. Eine einseitig auf Beherrschbarmachung ausgerichtete und salutogenetische Phänomene ausblendende therapeutische Praxis hat dazu geführt, Spontanverläufe von Erkrankungs- bzw. Heilungsprozessen aus dem Auge zu verlieren. Für diese gilt, daß sie sich auch in zeitlicher Hinsicht durch eine eigengesetzlich-autonome "Zeitgestalt" charakterisieren. Sowohl spontane als auch therapeutisch angestoßene salutogenetische Reaktionen zeigen - das ist durch die chronomedizinisch ausgerichtete Hygiogeneseforschung vergleichsweise gut belegt - ihren je eigenen Zeitbedarf. Dessen Mißachtung im Zuge vordergründiger, an raschest möglicher Krankheits(symptom)Beseitigung orientierter therapeutischer Praxis steht in der Gefahr, zwar die akute Symptomatik zu "normalisieren", dadurch aber zugleich eine "Ausheilung" zu erschweren oder zu verhindern und damit einer Chronifizierung des Krankheitsverlaufs Vorschub zu leisten. Damit drängt sich die Frage auf, inwieweit die stete Zunahme chronischer Krankheitszustände weniger etwas schicksalsergeben Hinzunehmendes als vielmehr etwas durch unseren Medizinbetrieb Hervorgebrachtes ist. Salutogenese hat auch in zeitlicher Hinsicht ihre Eigengesetzlichkeit.

Dies gilt nicht nur für die Dynamik biologischer, psychologischer bzw. psychosomatischer und somatopsychischer Reaktionen, sondern darüber hinaus auch für die Lebensgeschichte eines jeden Menschen. Der Blick auf die - auch im Kranksein - je vorhandene Gesundheit eines Menschen sowie auf die für die Vergangenheit auszumachenden und für die Zukunft zu erwartenden Gesundungspotentiale bedeutet nicht nur, daß sich die Krankengeschichte um eine Gesundheitsgeschichte erweitert, sondern zugleich auch, daß sich die Krankheitsgeschichte zur Krankengeschichte und darüber hinaus zur Lebensgeschichte eines Menschen ergänzt. Das nosologische "sujet" ist dann nicht mehr ohne die (teilhabendpartizipative) Berücksichtigung der Subjektivität von gelebtem und erlebtem Kranksein und Gesundsein zu verfolgen. Was eine salutogenetische Perspektive anzustoßen vermag, ist eine biographische Orientierung in der Medizin, die sich nicht nur mit den generalisierbaren lebensgeschichtlichen Bedingungen von Krankwerden oder Gesundwerden beschäftigt, sondern mit der je individuellen Dynamik der Lebensbewältigung, mit der Lebensverwirklichung eines Menschen in Gesundheit und Krankheit.

Über die Sichtweise einer interindividuellen Norm hinaus, der Individuelles nur defizitär als statistische Streuung erscheint, stellt sich die Aufgabe, den Blick positiv auf die intraindividuelle Norm eines jeden einzelnen zu richten und darüber hinaus nach dem normenstiftenden Vermögen eines Menschen Ausschau zu halten, d. h. nach dem Grad seiner Fähigkeit, nicht nur eine gewordene Norm in die Zukunft hinein fortzuschreiben, sondern die eigene und an der eigenen - Norm selbst bilden zu können. Das erfordert - und Antonovsky hat mit seiner Vorstellung eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuums dazu beigetragen eine Pluralisierung unseres Gesundheitsbegriffs: Es gibt so viele Gesundheiten wie es Menschen gibt.

Für eine salutogenetische Aspekte mit einschließende und insofern nach aktuell verfügbaren oder potentiell nutzbar zu machenden salutogenen Ressourcen Ausschau haltende Diagnostik bedeutet dies, daß sich eine ärztliche Diagnose deutlich von einer medizinischen unterscheidet. Handelt es sich bei letzterer um die Zuordnung des am Einzelfall aufgefundenen zu abstrakten Krankheitskonstrukten im Rahmen allgemeiner nosologischer Klassifizierungen, so im Falle der ärztlichen Praxis um eine die Indikation zur therapeutischen Intervention und die Therapiewahl begründende Handlungsentscheidung im Hinblick auf eine konkrete Person, die eben - und das vermag gerade ein Hinblicken auf die je individuelle Gesundheit eines Menschen besonders deutlich zu machen - nie nur ein Fall von etwas (Verallgemeinerbarem) ist, sondern stets auch einzig-artige (und damit unaustauschbare) Individualität in einer einmaligen (und damit unwiederholbaren) Situation. Damit soll die Bedeutung und die Berechtigung der Generierung allgemeinen Wissens auch für die diagnostisch-therapeutische Praxis nicht in Frage gestellt werden. Worum es aber in der Praxis geht, ist nicht die Behandlung von Krankheitskonstrukten, sondern die Betreuung konkreter Kranker, die für den Arzt nicht "Stichprobe" im Kollektiv sind, sondern im Hinblick auf ihre Besonderheiten und Normabweichungen von Interesse sind. Das sind sie aber nur dann, wenn es gelingt, sie nicht aus einer defizitären Perspektive als Abweichung einer allgemeinen Norm aufzufassen, sondern sie in ihrer Besonderheit positiv zu begreifen. Es gilt hier, den konkreten Patienten nicht nur von außen mit einem ihm fremden Analyseschema zu konfrontieren, sondern eine schrittweise Anschmiegung allgemeinen medizinischen Wissens an die konkrete Person und eine unaustauschbare Situation zu vollziehen. Das erfordert vor allem die Fähigkeit - aber auch den Gestaltungsfreiraum! - allgemeines Wissen zu ent-allgemeinern und zu reindividualisieren, also die Kompetenz zur Konkretion im wörtlichen Sinne: nämlich mit der unaustauschbaren Besonderheit eines Kranken oder einer Begegnungssituation gleichsam "zusammenzuwachsen", sich ihr anzuverwandeln. Über formales Wissen hinaus braucht es dazu Urteilskraft, realistisches Situationserfassen und die Bereitschaft, sich nicht nur intellektuell, sondern mit der ganzen Person auf den Anderen einzulassen.

Die Art und Weise unseres Diagnostizierens entscheidet darüber wie, wogegen oder womit und woraufhin wir die therapeutische Hilfestellung ausrichten, was bedeutet, daß wir mit der Formulierung einer Diagnose, wenn wir diese ernst nehmen, immer auch unsere Grundansicht vom Menschen aussprechen. Wenn die Diagnose mehr sein soll als eine Namensgebung oder die Zuordnung zu einer definierten Krankheitsentität, wenn sie ein sich der individuellen Situation anverwandelndes Handeln begründen und ermöglichen soll, dann erfordert dies ein umfassendes, nicht nur distanziert-registrierendes, sondern teilhabendpartizipatives Er-fahren des Anderen, womit die Begegnung und die Bereitschaft zu Begegnung in den Mittelpunkt tritt. Gerade die Einbeziehung einer salutogenetischen Perspektive begründet wie ermöglicht, so meine ich, eine partnerschaftlich-anerkennende Praxis und damit die Bereitschaft, die Perspektive des Patienten gleichermaßen im diagnostisch-therapeutischen Prozeß gelten zu lassen und zu berücksichtigen. Denn gerade die Frage nach den je vorhandenen Gesundbleibe- und Gesundungspotentialen sowie den je individuellen Bewältigungsleistungen kann deutlich machen, daß sich in der ArztPatientBegegnung durchaus zwei Experten, wenn auch auf unterschiedlichen Feldern, gegenüberstehen, die wechselseitig voneinander lernen können.

Allerdings sollten wir die reale Situation nicht schönreden. Unter Vorgabe und Auflage von lCD-Diagnosen und daran gekoppelter Behandlungsstandards bzw. standardisierter Therapieverfahren als Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit diagnostischer und therapeutischer Leistungen kann eine um salutogenetische Aspekte erweiterte, individuelle Medizin nicht gedeihen und wird auf Dauer nicht zu haben sein.

Um zu verdeutlichen, daß eine Ergänzung salutogenetischen Denkens und Handelns in der Medizin nicht getrennt und additiv, sondern nur integriert mit dem Ansatz der Pathogenese bodenständig verfolgt werden kann, sind vorangehend salutogenetische Aspekte insbesondere auch auf dem Feld der kurativen Medizin angesprochen worden. Es liegt jedoch auf der Hand, daß eine salutogenetisch orientierte Medizin ihre Domäne nicht im Endstreckenbereich von Krankheitsprozessen hat, sondern dort, wo es um Fragen der Gesunderhaltung, der Gesundheitsförderung und der Gesundung in den Anfangsstadien von Erkrankungsprozessen geht.

Ein salutogenetischer Ansatz, der mit der Eigenaktivität des Kranken (des Bürgers in einer je bestimmten Krankheits/Gesundheitsrelation) in leiblicher, seelischer und geistiger Hinsicht rechnet und den Gedanken der Selbstordnung und Selbstheilung in den Mittelpunkt seiner Bemühungen stellt, wird zugleich eine Schwerpunktverlagerung von einer rein kurativen zu einer präventiv-kurativen Medizin anstreben und vorrangig das Ziel einer Prävention durch Gesundheitsförderung verfolgen. Was letztere betrifft, so sollten wir freilich im Auge behalten, daß nicht - wie schon beim Risikofaktorenkonzept - ein neues lebenslanges Gesund heitsbervormundungssystem auswächst oder ein neuer fragwürdiger Markt an Gesunderhaltungsleistungen. Schon jetzt lassen sich Schlagzeilen finden wie: "Jeder Patient (Bürger) braucht salutogene Leistungen".

Ein salutogenetischer Ansatz hat zu seiner Konsequenz eine Entmythologisierung und Entprofessionalisierung der Medizin und eine Stärkung der Fähigkeit des einzelnen, soweit als möglich sein eigener Arzt zu sein. Das bedeutet zugleich aber die Weiterentwicklung unseres vormundschaftlichen, Experten-dominierten hin zu einem Bürgerorientierten Gesundheitswesen.


Quelle: DAMiD. Original unter www.damid.de/Matthiessen.pdf.